Bundeswehr: Panzer-Reparatur soll Staatsaufgabe bleiben
Die SPD stellt den von ihr angestoßenen Verkauf der Heeresinstandsetzung infrage
Die Bundeswehr soll ihre Heeresinstandsetzungslogistik privatisieren - so war es 2005 beschlossen worden, doch nun rückt die SPD von dem Vorhaben ab. "Nicht zustimmungsfähig" lautet das vernichtende Urteil der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion. "Die sicherheitspolitische Lage 2018 hat sich gegenüber 2005 grundlegend geändert", warnen die Sozialdemokraten. "Was damals richtig war, passt heute nicht mehr." Die Konsequenz: "Die HIL braucht eine Neukonzeption, aber keine Privatisierung."
Die Bundeswehr würde dadurch eigene Fähigkeiten verlieren und noch mehr von Rüstungskonzernen abhängig werden, so die SPD in einem Positionspapier. Das sei in "der veränderten strategischen Lage und angesichts der gewachsenen Bedeutung der Bündnis- und Landesverteidigung (...) nicht länger hinnehmbar. Außerdem fürchte der Betriebsrat einen "massiven Abbau sozialverträglicher Arbeitsverhältnisse" bei der Heeresinstandsetzungslogistik, die mit 2000 Mitarbeitern Panzer und Panzerfahrzeuge wartet. Die HIL hat drei Werke in Brandenburg, Hessen und dem Saarland.
Verdacht der Haushaltsuntreue
Die Sozialdemokraten ziehen damit die Notbremse bei einem Vorhaben, das inzwischen einige Fragen aufwirft: So ermittelt gerade die Staatsanwaltschaft, weil eine private Beraterfirma angeheuert worden war, um die Privatisierung der HIL vorzubereiten. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Matthias Moseler hatte Strafanzeige gegen zwei Beamte im Verteidigungsministerium gestellt. Der Vorwurf lautet auf Haushaltsuntreue, denn die entsprechenden Beratungsaufträge sollen freihändig vergeben worden sein, ohne entsprechende Ausschreibung. Die Beratungskosten für den geplanten Verkauf sollen inzwischen bei 42 Millionen Euro liegen.
Das Verteidigungsministerium geht davon aus, dass die Privatisierung insgesamt rund 180 Millionen Euro in 20 Jahren einsparen könnte. Doch das sei nur eine von drei Optionen gewesen, erinnert die SPD. "Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des BMVg ist intransparent", kritisiert die Sozialdemokraten. Fritz Felgentreu, Verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte, es gebe auch andere Meinungen, "die nicht glauben, dass eine so hohe Einsparung oder dass überhaupt eine Einsparung erreicht werden kann".
In diese Richtung geht sogar, wie der Saarländische Rundfunk (SR) berichtete, eine interne Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des Verteidigungsministeriums. Demnach würde ein Verkauf der HIL bis 2025 Mehrkosten von bis zu 142 Millionen Euro verursachen. Das wäre die teuerste Variante. Am günstigsten käme es den Steuerzahler, die HIL beim Bund zu belassen, aber gleichzeitig mehr Personal einzustellen, um leistungsfähiger zu werden.
Die entsprechenden Zahlen sind allerdings neu und lagen laut SR noch nicht vor, als sich das Verteidigungsministerium im Mai 2016 für die Privatisierung entschied. "Der Verkauf ist dabei ganz offenkundig politisch gewollt", so der SR. Die Anordnung, den Verkauf einzuleiten, stammt nach den Recherchen des Senders von der damaligen Staatssekretärin Katrin Suder, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von McKinsey geholt hatte. Der Verkauf sei nötig, um die Bundeswehr bei der Instandsetzung zu entlasten, argumentierte Suder 2016:
Klar ist aber auch die vor mehr als einem Jahrzehnt getroffene Grundentscheidung, dass es nicht Aufgabe der Bundeswehr und der HIL sein kann, selbst und bis in alle Ewigkeit Instandsetzungsleistungen zu erbringen, für die wir auch eine hochqualifizierte Industrie haben.
Katrin Suder
Doch Suder hat das Verteidigungsministerium inzwischen verlassen. Denn sie wollte auch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (BAAINBw) durch eine Firmenneugründung ausbooten. Mit dieser Idee ist sie allerdings bei von der Leyen gescheitert - und so nahm sie ihren Abschied.
Großer SPD-Schwenk
Die Ausschreibung läuft aber inzwischen, und so kommt das SPD-Nein für die Bundeswehr zur Unzeit. Das Bundesverteidigungsministerium reagierte ziemlich beleidigt: Die Privatisierung gehe schließlich auf die Ära der SPD-Minister Rudolf Scharping und Peter Struck zurück. "Wenn die SPD dem Verkauf jetzt nicht mehr zustimmen möchte, dann muss sie zwangsläufig auch viele offene Fragen klären, die mit einem Weiterbetrieb in Regie des Bundes verbunden wären."
Tatsächlich ist das Votum gegen die Privatisierung eine ziemliche Wende für die SPD. Unter Scharping und Struck waren die Sozialdemokarten auf Privatisierungskurs, Scharping stieg nach seinem Ausscheiden aus der Politik sogar ins Geschäft mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften ein. Auch die HIL wurde als GmbH gegründet, wobei die Bundeswehr zunächst nur Minderheitsgesellschafter war. Erst 2013 übernahm sie die Mehrheit, nachdem das Bundeskartellamt moniert hatte, dass dort Rüstungskonzerne wie Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall dem Steuerzahler die Preise diktieren können.
Insofern ist die geplante HIL-Privatisierung ein "Versuch, statt des ganzen Unternehmens die einzelnen Werkstätten zu privatisieren", wie die FAZ analysiert. "Die erst wenige Jahre zuvor durchgeführte Rückübertragung der HIL in die Hände des Bundes wird damit unterlaufen", kritisierte die Linke bereits 2017. Die Bundesregierung "verscherbelt (..) öffentliches Eigentum", so die Bundestagsabgeordnete Katrin Kunert.
Damit wächst der Druck auf das Verteidigungsministerium, das nur noch die Union hinter ihren Verkaufsplänen weiß. Auch Grünen-Rüstungsexpertin Katja Keul will den Verkauf gestoppt sehen. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), kritisierte, Reparaturen bei der Industrie dauerten nicht Monate, sondern Jahre. "Ein bisschen weniger Outsourcing, mehr selbst in die Hand nehmen dürfen - das wäre in manchen Fällen die richtige Lösung", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Was in dem SPD-Papier bereits anklang: Es sind auch militärische Überlegungen, die gegen eine Privatisierung sprechen. "Bliebe die Bundeswehr Hausherr der Werkstätten, könnte sie ohne Verzug anderes Gerät beiseite räumen. Mit der Industrie müsste erst eine Einigung gefunden werden, ob der kurzfristige Bundeswehr-Bedarf Priorität bekäme", schreibt die FAZ. Zudem mache sich die Bundeswehr von einem einzigen Unternehmer abhängig, dem sie Festpreise zahlen müsste, anstatt bei Bedarf "Unteraufträge an die günstigsten Anbieter am Markt" vergeben zu können.
Der Betriebsrat der HIL begrüßte den Kurswechsel bei der SPD. Auch die Gewerkschaft Ver.di lobte den Schwenk: "Anstatt weitere Millionen Euro an Beraterfirmen zu überweisen, soll das Geld besser in die Infrastruktur der Werke investiert und Fachpersonal wieder eingestellt werden", so Paul-Christian Koch, zuständiger Landesfachbereichsleiter bei Ver.di Rheinland-Pfalz-Saarland. Die Bundeswehr, so Ver.di, "verliere mit der Privatisierung der Werke wichtige eigene Fähigkeiten auf dem Gebiet der Instandsetzung und mache sich in diesem Sektor total von der Rüstungsindustrie abhängig".
Verlust demokratischer Kontrolle
Aber auch grundsätzliche verfassungsrechtliche Überlegungen sprechen gegen eine Privatisierung. Dadurch könne "das staatliche Gewaltmonopol in rechtlich unzulässiger Form unterminiert" werden, kritisierte Tim Engartner, Professor an der Uni Frankfurt. "Dieses Zur-Ware-Werden in einem einst ureigenen staatlichen Aufgabenfeld bewegt sich jedenfalls, unabhängig davon, was man sonst noch davon halten mag, auf wackeligen verfassungsrechtlichem Grund."
Schließlich heißt es in Artikel 87 a Absatz 1, Satz 1 des Grundgesetzes unmissverständlich: "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf". Nach Ansicht der meisten Juristen handelt es sich dabei um eine exklusive Staatsaufgabe. Hinweise auf die Möglichkeiten von Teilprivatisierungen fehlen hingegen, der Extremfall der vollständigen Privatisierung wird sogar explizit untersagt, so dass von einer "materiellen Privatisierungssperre" auszugehen ist.
Tim Engartner
Seit Mitte der 1990er Jahre dominiere jedoch "unverändert die Strategie, die auf eine 'Verbetriebswirtschaftlichung' des Militärischen zielt", so Engartner. Denn erstens gebe es das neoliberale Weltbild, wonach Privatisierungen grundsätzlich gutzuheißen sind. Zweitens eröffnen sich neue Handlungsspielräume, denn private Militärdienstleister können leichter in politisch hoch umstrittene Kriege geschickt werden als Soldaten. Drittens lässt sich in manchen Fällen tatsächlich Geld sparen, weil es aufgrund des technologischen Fortschritts unrentabel ist, wenn der Staat selbst personelle und materielle Ressourcen vorhält anstatt sie bei Bedarf anzukaufen oder -mieten.
Die Heeresinstandsetzungslogistik ist daher nicht der einzige Bundeswehr-Teil, der privatisiert wurde. So wurde etwa im Jahr 2000 die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb (GEBB) gegründet als sogenannte Inhouse-Gesellschaft des Verteidigungsministeriums. Seither wurden viele sogenannte Public Private Partnerships (PPP) initiiert, unter anderem beim Unterstützungszentrum Altmark (UZA), das später zum Rheinmetall-Dienstleistungszentrum Altmark (RDA) wurde. "Im Gefechtsübungszentrum werden Soldaten auf Auslandseinsätze vorbereitet - nun unter Aufsicht eines Privatunternehmens", kritisiert Engartner. Damit entziehe sich das Militär der demokratischen Kontrolle, wenn staatliche Aufgaben an Private übertragen werden.