Buntes Grün

Die Nintendo All Stars auf dem Golfplatz: "Mario Golf Toadstool Tour"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ausgerechnet der quirlige Klempner Mario betritt den Rasen für den Gentleman-Sport Golf, in dem schon ein Tiger Woods als flippig gilt. Im Spiel muss er sich mit Donkey Kong, Bowser und Co messen, das Game muss es mit "Links" und "Tiger Woods: PGA Tour" aufnehmen.

Wie kaum eine andere Firma versteht es Nintendo, seine Figuren - allen voran den seit 1980 (damals noch unter dem Alias Jumpman) agierenden Mario mit seinen Gefährten und Widersachern - in weitgefächerten Spielegenres zu vermarkten. Mario wurde neben seinen Jump-And-Run- (vgl. Zur Sonne, zur Freizeit) und Rollenspieleinsätzen unter anderem zum Arzt, Kart-Fahrer (vgl. Ich weine nicht - Das ist der Fahrtwind), Kampfsportler (vgl. Würfelspiele), Party-Held und bereits vor fünf Jahren zum Golfer. Mit Mario Golf Toadstool Tour setzt die Entwicklerschmiede Camelot ihr Golfspiel für den GameCube um.

Realistische Ballphysik, golfuntypische Figuren und wilde Kurse

Camelot wagt bewusst den Drahtseilakt, die gänzlich golfuntypischen Figuren und teils wilde Kurse mit einer möglichst realistischen Ballphysik zu verbinden. Ein Konzept, das die Entwickler vor "Mario Golf" auf dem N64 bereits in "Hot Shots Golf" auf der Playstation verwendeten. Dass der Wind den Flug des Balls beeinflusst, der Untergrund den Auslauf nach der Landung bestimmt, versteht sich von selbst. Auch subtilere Faktoren wie die Geländeneigung beim Abschlag und dem Landepunkt berücksichtigt das Spiel. In einem Punkt gibt es sich sogar konservativer als beispielsweise die jüngsten Konsolenversionen von Electronic Arts Golfreferenz "Tiger Woods PGA Tour": Den Schlag selbst führt der Spieler per Dreifach- oder in der vereinfachten Form per Doppelklick statt via Analogstick aus.

Die Toadstool Tour bietet spielerisch nahezu alle Facetten des Genres: Der Spieler bestimmt den Punkt, an dem der Schläger den Ball treffen Soll, um ihn beispielsweise steiler zu spielen, er kann den Auslauf per Topspin beschleunigen oder via Backspin bremsen und in Lochnähe zum aus dem Handgelenk ausgeführten Chip wechseln. Die Ausführung des Schlags per Gamepad ist aufgrund des Dreifachklicks etwas abstrakter als beim analogen Schlag, ein Fade spielt sich per Klick an der richtigen Stelle deutlich einfacher als per leicht schräg ausgeführtem Schlag am Analogstick. Ausgerechnet in Lochnähe kann es allerdings schwierig werden: Liegt der Ball auf Tuchfühlung mit dem Ziel, wird der Schlag schnell zu kräftig - den Gimmie, also das automatisierte Einlochen bei einem Abstand unter 2 Inches, das andere Golf-Spiele seit Jahren anbieten, kennt Mario nicht. So gelingen dem Couch Potato zwar perfekte Drives, am simplen Zentimeterstoß verhaspelt er sich dafür aber potenziell.

Neben Ballphysik und Steuerung bestimmen vor allem die Kurse die Qualität eines Golfspiels. Das Tournament der "Toadstool Tour" besteht aus sechs Kursen sehr unterschiedlichen Charakters. Auf den ersten beiden sind es lediglich die bunten Figuren, die Mario Golf von anderen Genre-Titeln unterscheiden, die mittleren Kurse "Oasia" und "Fantasia Bucht" vermitteln den zum Namen passenden Themenparkeindruck, die letzten beiden Runden schließlich führen den Golfer in die klassischen Mario-Welten um Peachs und Bowsers Schloss.

Diese hinteren Kurse fallen nicht nur optisch aus dem Rahmen, sondern bringen auch ungewohnte Hindernisse und Hilfen mit ins Spiel: Da sind die aus den Super-Mario-Spielen bekannten Röhren, die den Ball zu einer anderen Stelle befördern und Mario-typische Hindernisse wie die stählernen Kettenhunde. Leider fehlt in der Auswahl ein wie in den ersten beiden Kurse normal gestalteter, dabei aber gleichzeitig kniffliger Durchgang, einer, auf dem öfter bereits beim Abschlag die Schlägerwahl entscheidend ist, der ein paar Kurven bietet, die geradezu nach dem geschickten Einsatz von Fades oder Draws verlangen.

Sehr reichhaltig ist dafür das Angebot der Spielmodi, zu denen natürlich zunächst die standardmäßigen Varianten Stroke Play, Match Modus und Skins gehören. Als interessante Variante für vier Spieler gibt es das Doppel, bei dem die Spieler der Teams jeweils abwechselnd schlagen. Daneben gibt es einen Wettstreit mit Stoppuhr, in dem am Ende die verstrichene Zeit statt der Schlagzahl entscheidet. Beim Schläger-Lotto wird vor jedem Loch ausgelost, welche Holz und Eisen dem Spieler für das Loch zur Verfügung stehen.

Birdie-Challenge: die anspruchsvollste Herausforderung

In einem anderen Wettbewerb geht es schlicht darum, auf Par 3 Löchern mit jeweils einem Schlag möglichst nah an die Fahne zu gelangen. Der dafür bespielte reinrassige Par-3-Kurs, der nicht zur Toadstool-Tour gehört, ist auch die Basis für die Birdie-Challenge, die anspruchsvollste Herausforderung in Mario Golf: Der Spieler muss jeweils zunächst auf den vorderen 9, dann auf den hinteren 9 und schließlich auf allen 18 Löcher in Folge einen Birdie erreichen.

Zum Puzzle wird Mario Golf in der Ring Challenge, bei der es goldene Ringe zu durchspielen gilt und zum Abschluss der Ball innerhalb des Par eingelocht werden muss. Besonders die hinteren Kurse bieten dabei knifflige Herausforderungen mit Ringen, die weit ab von der Optimallinie - beispielsweise über einer im Wasser stehenden Hütte - schweben. Als Belohnung für die Einspielerherausforderungen winken vier zusätzliche Figuren.

Auch die Kurse wollen erst freigeschaltet werden, ein jedoch viel zu einfaches Unterfangen, da der Spieler jederzeit speichern kann und der Spielstand beim Fortsetzen nicht gelöscht wird; lediglich die Birdie Challenge verweigert die Speicherfunktion. Zusätzlich zu den Kursen und Figuren winken noch ein Star Tournament mit schwierigeren Gegnern und leichten Modifikationen wie schnelleren Grüns sowie jeweils eine Starversion der zwölf anfängliche verfügbaren Figuren - die vier zusätzlichen Figuren schaltet der Spieler inklusive ihrer Starvariante frei.

"Mario Golf: Toadstool Tour" lockt mit weit weniger freizuschaltenden Extras und Trophäen als in den letzten Tiger-Woods-Titeln, auch haben die Nintendo-Figuren zwar jeweils individuelle aber unveränderliche Attribute. Die persönliche Entwicklung der einzelnen Eigenschaften hat Camelot lediglich in die GBA-Fassung, die eindeutige Referenzen an "Golden Sun" (vgl. Möge die Magie der Djinns mit dir sein!) enthält, eingebaut. Auch kann der Spieler nicht wie in Tiger Woods spezielle Bälle oder Schläger zur Verbesserung der Grundwerte erstehen.

Mario Golf bietet spielerisch die richtige Balance aus schneller Zugänglichkeit und genügend Tiefgang, um Konsolen-Golfer aller Übungs- und Altersklassen zufrieden zu stellen. Über den Dreifachklick statt Analogstick zur Steuerung mag man streiten, am PC erfreut sich das alte Klick-Modell aufgrund der schlechteren Zugänglichkeit des Mausschwungs im Vergleich zum Analogstick ohnehin weiter Zuspruch. An den Mario-spezifischen Ergänzungen wie den Röhren um Peachs Schloss scheiden sich die Geister: Alteingesessene Mario-Fans werden diese Referenzen an die Nintendo-Tradition zu schätzen wissen, Golf-Puristen sich diesen Turnieren verweigern.

Andererseits sind es neben den Spielmodi genau diese Kurse, die gar nicht erst versuchen einen ohnehin fragwürdigen Simulationscharakter vorzutäuschen, das Element, das Mario Golf schon am N64 von herkömmlichen Golf-Titeln unterschied und Nintendos Spiel zu einer interessanten Alternative zu den jährlich lediglich leicht modifizierten Neuaufgüssen von Electronic Arts Referenztitel machen.