Burkina Faso: Homophobie als antikolonialer Widerstand gegen dekadenten Westen?

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Von Russland unterstützte Militärregierung verschärft innenpolitische Maßnahmen. Gesetzesänderungen setzen auf Homophobie und Nationalismus.

Nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Burkina Faso und Russland im vergangenen Jahr verschärft die Militärregierung in Ouagadougou ihre innenpolitische Agenda.

So kam die Militärjunta Burkina Fasos auf die - im regionalen Kontext wenig originelle – Idee, es bestehe dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf, um "Homosexualität zu verbieten" – so einfach geht das! – und Landesverrätern die Staatsbürgerschaft zu entziehen.

So verabschiedete das Kabinett der Militärregierung am 11. Juli einen von Justizminister Edasso Rodrigue Bayala vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Personenstands- und Familienrechts (Code des personnes et de la famille, CPF).

Um Gesetzeskraft zu erlangen, muss die Novelle noch von den Abgeordneten des "Übergangsparlaments" verabschiedet werden, das während der Militärregierung bis zur späteren Übergabe der Macht an Zivilisten amtiert.

Burkina Faso wäre damit der 33. von insgesamt 54 afrikanischen Staaten, der homosexuelle Beziehungen unter Strafe stellt. In den meisten Fällen sind entsprechende Gesetze seit der Unabhängigkeit in Kraft, vor allem in den ehemaligen britischen Kolonien wie Ghana und Uganda wurden sie von den ehemaligen Kolonialmächten eingeführt, um die kolonisierten Gesellschaften moralisch zu disziplinieren.

Homophobe Gesetze als Mittel des anti-neokolonialen Widerstands

Doch während die Strafgesetze gegen Homosexualität in Afrika ursprünglich kolonialen Ursprungs waren, hat sich in jüngster Zeit im Zuge einer ideologischen Rochade ein Diskurs verfestigt, der umgekehrt behauptet, homophobe Gesetze und Strafandrohungen in afrikanischen Staaten seien ein Mittel des anti-neokolonialen Widerstands.

Mit ihnen wehrt sich der Kontinent angeblich dagegen, dass ihm der dekadente Westen oder Norden "kultur- und traditionswidrige" oder "unnatürliche" Lebensformen aufzwingen will.

Zuletzt hatte sich der neue senegalesische Premierminister Ousmane Sonko zu dem Thema geäußert und eine Verschärfung des bereits bestehenden Strafrahmens für homosexuelle Handlungen im Senegal gefordert – das geltende Recht sieht einen Strafrahmen zwischen einem und fünf Jahren Haft vor.

Jean-Luc Mélenchon: "Werte nicht aufzwingen"

Im Mai dieses Jahres kam es anlässlich eines groß angekündigten gemeinsamen Auftritts Sonkos mit dem französischen Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon an einer Universität in Dakar zu einem Eklat.

Mélenchon verteidigte Sonkos antikoloniale Rhetorik und kritisierte zugleich dessen Homophobie; der Saal war gegen ihn und pfiff.

Sonko wetterte gegen die Rechte von Homosexuellen als "Propaganda, die man uns aufzwingen will" und gegen die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare, wie sie in Frankreich seit 2013 und inzwischen in vielen Staaten Gesetz ist.

Mélenchon widersprach, betonte aber auch, dass er seine Werte nicht "aufzwingen" wolle.

Ousmane Sonko und der Panafrikanismus

Ousmane Sonko steht ansonsten außenpolitisch den Staaten der EAS relativ nahe, ebenso wie sein Vorgänger, der im April dieses Jahres angetretene Präsident Bassirou Diomaye Faye.

Beide widersetzen sich jedoch den lauter werdenden Forderungen nach einem Beitritt Senegals zum neuen Staatenbund und sehen ihre Rolle eher als "Vermittler" zwischen den Ecowas-Staaten einerseits und Frankreich sowie der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (französisch Cedeao, englisch Ecowas abgekürzt) andererseits.

Unter den Aktivisten, die im Namen des Panafrikanismus in vielen frankophonen afrikanischen Staaten den Kurs der ESA lautstark unterstützen, hat sich deshalb bereits Enttäuschung und Unmut über Faye breit gemacht.

In den einschlägigen Diskussionsforen, die sich vor allem in diversen WhatsApp-Gruppen reger Beteiligung erfreuen, wurde er in den letzten Wochen wiederholt angegriffen. Als Star wird dort vor allem der burkinische Militärpräsident Ibrahim Traoré gefeiert.

Keine Lizenz für Fernsehsender, "die Homosexualität fördern"

In Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou blieben die regierenden Militärs unterdessen eine genauere Ankündigung schuldig, welche Strafen in welcher Höhe künftig für homosexuelle Handlungen vorgesehen sind.

Bislang gibt es in dem westafrikanischen Land keine Gesetzgebung gegen Homosexualität, weshalb sie dort bislang straffrei bleibt, wenngleich sie gesellschaftlich verpönt ist. Im August 2023 kündigte die Medienaufsichtsbehörde (Conseil supérieur de la communication) jedoch an, "Fernsehsendern, die Homosexualität fördern", die Sendelizenz zu entziehen.

Derselbe Gesetzesentwurf sieht den Entzug der Staatsbürgerschaft bei "Verhaltensweisen und Handlungen gegen die Interessen Burkina Fasos" vor. Eine Generalklausel, die viel Interpretationsspielraum lässt.

Nicht nur Russland unterstützt die zunehmend autoritären Militärregierungen im Sahel. Die in London ansässige "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" berichtete im Mai dieses Jahres, dass sich rund 1.000 von der Türkei kommandierte syrische islamistische Kämpfer im Dienste der Präsident Recep Teyyip Erdogan nahestehenden Söldnerfirma Sadat im Sahel aufhielten.