Bush will Nevada zur atomaren Müllkippe der Nation machen
Endlager für 70.000 Tonnen Atommüll
US-Präsident George Bush hat am 15. Februar die Yucca-Berge im US-Bundesstaat Nevada, 100 Kilometer nördlich von Las Vegas, als zentrales Endlager der Vereinigten Staaten für Atommüll ausgewählt. Die Berge liegen in einem nuklearen Testgelände, auf dem in den Jahren von 1951 bis 1992 928 nukleare Detonationen ausgelöst wurden.
Die Entscheidung stößt in Nevada auf wenig Begeisterung. "Nevada united in anger", schrieb der britische Guardian treffend. Der Unmut geht über alle Parteigrenzen hinweg. Die beiden Senatoren des Staates, John Ensign (Republikaner) und Harry Reid (Demokraten), lehnen das Endlager ab, genau so wie der Gouverneur des Bundesstaates, Kenny Guinn, ein Republikaner und damit wie Ensign Parteifreund von Präsident Bush: "Ich bin entsetzt, genauso wie die Bürger von Nevada, dass diese Entscheidung getroffen wurde, obwohl noch so viele Fragen offen sind", kommentierte Guinn die Entscheidung von Bush. "Wir kämpfen um unser Leben", bemerkte er bitter.
"Das Lagerungsprogramm fortzusetzen ist nötig, um die Gesundheit der Bevölkerung und die Sicherheit der Nation sicherzustellen", begründete Bush seine Entscheidung in einem Brief an den Kongress. Rund 70.000 Tonnen Atommüll sollen in den Bergen in 300 Meter tiefen Schächten gelagert werden, so der Plan. Yucca dürfte damit zur größten atomaren Müllkippe der Welt werden. Tom Ridge, von Bush neu ernannter Direktor von Homeland Security, bekräftigte bei einem Besuch in Las Vegas den Plan der Bush-Administration: Es sei sicherer, den Atommüll an einem zentralen Ort zu deponieren als über mehrere Staaten verteilt.
Der Gouverneur von Nevada kann allerdings innerhalb von 60 Tagen nach der Entscheidung des Präsidenten sein Veto gegen das Projekt einlegen. In diesem Fall muss der amerikanische Kongress entscheiden. Mit einfacher Mehrheit kann er Guinn überstimmen. Allerdings ist derzeit offen, wie eine Abstimmung ausgehen würde. Der Mehrheitsführer im Senat, der Demokrat Tom Daschle , gilt jedoch als Gegner des Projekts. Wenn der Kongress das Projekt nicht stoppt, muss schließlich noch die Nuclear Regulatory Commission grünes Licht geben. Das Energieministerium hofft derzeit, bis zum Jahre 2010 mit der Endlagerung starten zu können. Die Suche nach einem geeigneten Endlager hatte in den USA in den 60er Jahren begonnen.
Am 10. Januar hatte das US-Energieministerium den Weg für das Endlager frei gemacht. Energieminister Spencer Abraham verwies dabei auf "zwingende nationale Interessen, die verlangen, dass wir die Suche nach einem Standort abschließen und mit der Entwicklung des Lagers beginnen". Dabei wurde deutlich, dass die US-Regierung die Anschläge vom 11. September und die Furcht in der Bevölkerung vor weiteren terroristischen Anschlägen nutzen will, um Widerstand gegen den Bau des Endlagers zu schwächen. So verwies Abraham auf mögliche terroristische Bedrohungen, die seiner Ansicht nach eine Umlagerung des radioaktiven Mülls an einen zentralen Ort wünschenswert erscheinen lassen. Kritiker nennen gerade diese Argumentation unverantwortlich und gefährlich und warnen davor, über 100.000 Lastwagenladungen atomaren Mülls über die Straßen des Landes zu transportieren. 43 Bundesstaaten wären von einer solchen Karawane betroffen, rechnete etwa Senator Reid vor.
Noch im November hatte das General Accounting Office (GAO) des Kongresses eine Verschiebung der Entscheidung gefordert: Forschung und Kostenanalyse seien noch nicht soweit, hieß es zu Begründung. Die Voruntersuchungen über die Eignung der Yucca-Berge dauerten bisher 14 Jahre. Ein Bericht des US Nuclear Waste Technical Review Board im amerikanischen Kongress hatte erst im Januar 2002 die Eignung der Berge bezweifelt. Befürchtet wurde, dass radioaktive Stoffe ins Grundwasser geraten könnten.
Der Bürgermeister von Las Vegas, Oscar Goodman, hat deswegen gemeinsam mit dem Gouverneur von Nevada, Klage beim Bundesgericht in Washington eingereicht, nachdem die Entscheidung des Energieministeriums bekannt geworden war. Die Kläger sehen mit der Entscheidung der Regierung für die Yucca-Berge den Nuclear Waste Policy Act aus dem Jahre 1982 verletzt. Es brauche künstliche Barrieren, um den Müll in den Bergen zu halten, kritisieren sie. Die Klage richtet sich gegen Bush, das Energieministerium und seinen Sprecher Abraham.
Unter den Gewerkschaften in Nevada sind die Meinungen über das atomare Endlager geteilt. Während einige das Projekt entschieden ablehnen, hoffen insbesondere die Lastkraftwagenfahrer auf neue Arbeitsplätze. Bisher arbeiten sechs Fahrer auf dem nuklearen Testgelände in Nevada, in dem auch die Yucca-Berge liegen. Das Endlager soll 300 bis 1000 neue Arbeitsplätze bringen. Eine Zahl, die freilich eine mehr als grobe Schätzung ist.
Es gibt allerdings auch diverse Organisationen, die den Plan für das Atomendlager unterstützen. Das Nuclear Energy Institute, die Lobby-Gruppe der Industrie, hat sechs Unterstützergruppen zusammengebracht, darunter Arbeitnehmerverbände, die allesamt auf Arbeitsplätze hoffen. Mit der African American Environmentalist Association konnte sogar eine Umweltgruppe gewonnen werde. Die 5000-Mtglieder-starke Organisation setzt sich für stärkere Beteiligung von Afro-Amerikanern bei Umweltthemen ein und befürwortet unter anderem die Wiederaufarbeitung (Recycling) von Atommüll. Anti-Atom-Gruppen lehnen Wiederaufarbeitung für gewöhnlich ab, weil dabei waffenfähiges Plutonium entsteht und die Menge des Mülls nicht vermindert wird.
Wegen einer angeblichen Energiekrise setzt die Bush-Administration auch auf den Bau neuer Atomkraftwerke. Bisher gibt es in den USA 131 Atomkraftwerke und militärische Anlagen. Auf deren Gelände lagert bisher auch der radioaktive Müll. Atomkraftwerke tragen erzeugen ein Fünftel der amerikanischen Elektrizität.