CDU-Abgeordnete wollen "Paketabgabe" auf Online-Einkäufe
Zustimmung aus der SPD
Nach einem Bericht der Welt am Sonntag wollen der für Finanzpolitik zuständige Unionsfraktionsvorsitzende Andreas Jung und der Fraktionssprecher für Kommunalpolitik, Christian Haase, den Online-Handel mit einer "Paketabgabe" belegen. Dies geht der Sonntagszeitung zufolge aus einem Grundsatzpapier der beiden Unionspolitiker vor.
Als Anlass dafür führen sie nicht den erhöhten Finanzbedarf der Bundesregierung nach den milliardenschweren Corona-Maßnahmen in Berlin und den billionenschweren Corona-Pakete in Brüssel an, sondern die Situation des Einzelhandels in Innenstädten. Die Geschäfte könnten durch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten beschlossenen Anti-Corona-Maßnahmen 2020 deutlich weniger Kunden einlassen und durften an sehr viel weniger Tagen öffnen als in den Jahren davor.
"Lebendige Innenstädte"
Da Handwerker, Dienstleister und Verbraucher derzeit die benötigten Güter nicht wie gewohnt im Einzelhandel bekamen, bestellten sie sie häufig online. Manche machten dabei schlechte Erfahrungen – aber viele andere eher gute. Für letztere könnten die Zwangschließungen ein "Anstupser" gewesen sein, eine Modernisierung zu testen, bei der sie nun wegen diverser Vorteile blieben.
Die Paketabgabe, mit der die CDU-Abgeordneten darauf reagieren wollen, soll – wie die reguläre Mehrwertsteuer – direkt von Händlern an das Finanzamt fließen. Dass es dem Händler freistehe, sie auf den Preis aufzuschlagen, wie die beiden Politiker anmerken, dürfte eine ebenso theoretische Option sein wie bei der regulären Mehrwertsteuer.
Was die Verbraucher bei Online-Einkäufen mehr zahlen, soll in "Überbrückungshilfen, Schnellkredite und Steuererleichterungen" für Geschäfte fließen, die Lockdown-Opfer wurden. Sind diese bezahlt, will man die Abgabe jedoch nicht wieder abschaffen, sondern damit für "lebendige Innenstädte" sorgen.
Einkauf in der Innenstadt "einfach nur grauenhaft"
Bernhard Daldrup, der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, begrüßte den Vorstoß gestern umgehend. In sozialen Medien schien er damit jedoch klar in der Minderheit zu sein. Dort fragte man sich unter anderem, ob "der Schutz der Risikogruppen und Senioren" für die CDU nun "wie folgt aussieht": "Pakete besteuern, damit ältere Menschen möglichst oft raus gehen und vor Ort einkaufen". Aber auch eine junge Mutter fühlt sich dadurch benachteiligt. Für sie ist "der Online-Handel eine Wohltat […], weil [mit Kind] in der Innenstadt einzukaufen einfach nur grauenhaft ist".
Eine Meinung, die nicht wenige Bürger zu teilen scheinen, auch wenn sie dabei nicht unbedingt auf Kinder, sondern auf schlecht funktionierende und überfüllte öffentliche Nahverkehrsmittel und dem Zeitgeist zum Opfer gefallene Straßen und Parkplätze verweisen. Manche davon meinen, es täte dem von den Planern der Politik häufig grob falsch eingeschätzten Verkehr ganz gut tut, wenn es in den Innenstädten weniger Läden mit extrem viel Publikumsverkehr gibt, sondern mehr Wohnungen, die gerade dort begehrt sind.
Viele Einzelhändler mit einem interessanteren Sortiment, das es nicht in jedem Kaufhaus gibt, haben sich ohnehin schon aus den Innenstädten mit ihren unverhältnismäßig hohen Mieten verabschiedet und betreiben nun in parkplatzgesegneteren Gegenden neben einem Ladenverkauf auch Online-Handel. Entweder direkt, oder über Portale wie Amazon Marketplace, Booklooker und Discogs. Sie wären deshalb mit die Leidtragenden der neuen CDU-Paketsteuer.
Polen, Tschechien, Österreich
Allerdings ist noch unklar, ob die Paketabgabe tatsächlich kommt. Denn ähnlich wie bei der Autobahnmaut der CSU müssten auch europarechtliche Fragen wie der Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und die Richtlinie 92/77/EWG berücksichtigt werden. Nicht nur, weil wahrscheinlich viele deutsche Versender ihre Geschäfte nach Polen, Tschechien, Österreich und anderen Nachbarländern aus betreiben würden. Die Paketabgabe soll sie sich Jung und Haase zufolge nämlich "in der Höhe proportional nach dem Bestellwert richte[n]" und wäre deshalb rechtlich gesehen möglicherweise eine Mehrwertsteuer.
Hinzu kommt, dass eine Steuererhöhung innerhalb der Unionsparteien vielleicht nicht uneingeschränkt auf Zustimmung stoßen wird. So wie bei den britischen Tories, bei denen sich Finanzminister Rishi Sunak und Unterhauschef Jacob Rees-Mogg gerade eine innerparteiliche Schlacht darum liefern. Rees-Mogg erinnerte Sunak dabei an das Schicksal von George Bush Senior, der sein Versprechen, die Steuern nicht zu erhöhen, wegen des Zweiten Golfkriegs brach - und danach prompt abgewählt wurde.
In Deutschland könnte diesbezüglich jedoch eine andere Wählertradition herrschen als in den angelsächsischen Demokratien: Hier waren 2005 mehrere CDU-Politiker mit der Forderung nach einer Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent in den Wahlkampf gezogen.
Die SPD hatte dagegen damit geworben, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Nach der Wahl gingen Union und SPD eine Große Koalition ein und erhöhten die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent (vgl. Geringverdiener steuerlich belastet und Besserverdiener entlastet). Trotzdem bekamen Parteien, die Angela Merkel stützten, auch bei den drei darauf folgenden Bundestagswahlen Mehrheiten.
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