CDU/CSU beantragt neue Einschnitte ins Telekommunikationsgeheimnis

Die konservative Bundestagsfraktion will den Terrorismus und die Organisierte Kriminalität besser bekämpfen

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Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der Strafverfolgern ein umfassenderes Instrumentarium zur Bekämpfung des Terrorismus und der Organisierten Kriminalität zur Verfügung stellen soll. Mit dem Gesetzesentwurf fordern die Unionsabgeordneten Mindestfristen für die Speicherung personenbezogener Daten im Bereich der Telekommunikation sowie von Telediensten. Handysignale sollen zur Erstellung von Bewegungsprofilen freigegeben werden. Außerdem votiert die Fraktion dafür, schwerwiegende Computerverbrechen wie Hochverrat verfolgbar zu machen.

Die Bedrohung durch terroristische Straftaten und durch die Organisierte Kriminalität stellt den Unionsparteien zufolge eine Herausforderung von Staat und Gesellschaft dar, die besser bekämpft werden muss. Allein im zweiten Bereich seien im vergangenen Jahr 854 Ermittlungsverfahren anhängig gewesen, so viele wie noch nie. Schäden in Milliardenhöhe seien die Folge. Die Maßnahmen, die die CDU/CSU-Bundestagsfraktion als Gegenmittel vorschlägt, reichen von einer weiter gehenden Fassung der Kronzeugenregelung über die Schaffung klarer Regeln für verdeckte Ermittler bis hin zur verschärften Überwachung der Telekommunikation und des Internet.

In Bereich der Telekommunikation macht sich das konservative Lager vor allem für eine Vorratsspeicherung "personenbezogener Daten" stark, wobei hauptsächlich Verbindungsdaten gemeint sein dürften. Die Unionsparteien bemängeln, dass bisher in Paragraph 89 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) nur Höchstfristen für die Speicherung solcher Informationen vorgesehen sind. Die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden, die Daten zu nutzen, laufe daher oft ins Leere, da sie gar nicht mehr vorhanden seien. Die CDU/CSU-Fraktion fordert daher, "auch Mindestspeicherfristen" festzulegen. Von einer konkreten Dauer ist dabei nicht die Rede.

Die Bundesregierung hat allerdings bereits im vergangenen Jahr Anbieter über die zum TKG gehörende Telekommunikationsdatenschutzverordnung (TDSV) verpflichtet, sämtliche Verbindungsdaten zum Zweck der Verbrechensbekämpfung ein halbes Jahr lang aufzubewahren (Telefonbenutzer und private Surfer unter pauschalem Kriminalitätsverdacht). Der Union scheint es also um längere Speicherfristen zu gehen.

Vorratsspeicherung von personenbezogenen Daten auch bei Telediensten

Darüber hinaus dringt sie darauf, dieselben Auflagen "zur Vorratsspeicherung von potenziell für die Strafverfolgung nützlichen Daten" auch auf den Bereich der Teledienste auszuweiten. Darunter fallen vor allem über das Internet nutzbare Dienste wie das Online-Banking oder der E-Commerce. Hier geht der Antrag konkret auf "Bestands- und Nutzungsdaten" ein, die an die Ermittler weitergegeben werden sollen. Entsprechende Bestimmungen seien auch bereits im Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) vorgesehen. "Berechtigten Belangen des Datenschutzes" soll in der Ausgestaltung der Regelung Rechnung getragen werden, indem "nicht nur Mindest-, sondern auch Höchstspeicherungsfristen für einschlägige Daten vorgesehen werden".

Des Weiteren will die CDU/CSU-Fraktion durchsetzen, dass auch die Länder bei der umstrittenen Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) im Bundesrat ein Wörtchen mitreden dürfen. Das Bundeswirtschaftministerium hat in der vergangenen Woche den dritten Referentenentwurf für die TKÜV vorgelegt (Wirtschaftsministerium gibt Gas bei der Lauschverordnung), die bisher die Bundesregierung ohne Abstimmung mit den Ländern erlassen kann. Da "diese Rechtsverordnung ganz erhebliche Auswirkungen auf die Länder" habe, sollen diese an ihrem Zustandekommen nun stärker beteiligt werden.

Mobilfunknutzer im Visier

Mit einer Änderung des Paragraphen 100c der Strafprozessordnung will die Union darüber hinaus die Erstellung von Bewegungsprofilen von Handynutzern erleichtern. In den Mobilfunknetzen ist es bei entsprechender technischer Ausgestaltung über die Analyse von Funkzellen möglich, argumentieren die Antragsteller, den ungefähren Aufenthaltsort eines Mobilfunkteilnehmers auch in Fällen zu ermitteln, in denen der zu überwachende Teilnehmer lediglich im Netz eingeloggt ist. Die Bundesregierung soll nun dazu ermächtigt werden, mit Zustimmung des Bundesrates durch eine Rechtsverordnung die technische Umsetzung von Maßnahmen zur Aufzeichnung von Daten über den Standort von Handys zu regeln.

Ohne die beantragten Einschnitte ins Telekommunikationsgeheimnis ist nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion eine effektive Strafverfolgung "gerade bei den schwer wiegenden Straftaten im Bereich der Organisierten Kriminalität und des Terrorismus, die häufig unter Benutzung neuester technischer Hilfsmittel konspirativ vorbereitet und durchgeführt werden, nicht mehr möglich."

Computerbetrug soll großen Lauschangriff rechtfertigen

Der große Lauschangriff auf die Telekommunikation soll nach Willen der Union in Zukunft zudem nicht mehr nur bei Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit, bei Wertpapierfälschung oder anderen unter Paragraph 100a der Strafprozessordnung aufgeführter Schwerverbrechen gestartet werden dürfen.

Erweitert werden soll der entsprechende Straftatenkatalog vielmehr auch um schwere Fälle des Computerbetrugs sowie bei Bestechung, bei der Fälschung von Zahlungskarten oder anderen vergleichbaren Delikten. Zur Begründung führen die Antragsteller an, dass eine vom Bundesinnenministerium initiierte Evaluierung im Hinblick auf neue Informations- und Kommunikationstechniken ergeben habe, dass eine Erweiterung von 100a um diese Straftatbestände aus dem Bereich der schweren Computer- und Wirtschaftskriminalität notwendig sei.

Eile geboten ...

Was die Umsetzung der vorgeschlagenen und in ähnlicher Form schon einmal dem Bundesrat unterbreiteten Änderungen angeht, drückt die Union auf die Tube. Sie seien "dringlich", mahnen die beiden Schwesterparteien. Vor allem dürfe man nicht warten, bis die Ergebnisse der vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Untersuchung zur "Rechtswirklichkeit und Effizienz bei der Telekommunikationsüberwachung" nach den Paragraphen100a und 100b der Strafprozessordnung vorlägen.

Mit dem Abschluss des Forschungsvorhabens sei nämlich, glaubt die CDU/CSU zu wissen, entgegen anders lautender Ankündigungen der Bundesregierung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Das Forschungskonzept sehe die Auswertung umfangreicher Akten der Justizbehörden der Länder vor, die sensible, dem Fernmeldegeheimnis unterliegende Daten enthielten. Die dazu erforderliche Akteneinsicht sei allerdings zumindest bundesweit bislang nicht beantragt worden.

Der Gesetzesentwurf erinnert insgesamt stark an die Leitlinien zur inneren Sicherheit, die der Bundesvorstand der CDU Ende Juni beschlossen hat (Polizisten sollen ohne richterliche Genehmigung Computer durchsuchen dürfen). Sie waren im Sommer aufgrund ihrer "Law-and-Order"-Haltung in die Kritik geraten (CDU-Leitlinien zur inneren Sicherheit in der Schusslinie), so dass die Fraktion in ihrem Antrag zur inneren Sicherheit von Anfang Juli gemäßigtere Töne anschlug (CDU rudert zurück bei ihren Überwachungsplänen).

... oder doch nicht?

Als ob die Union die Terroranschläge auf die USA vorausgeahnt hätte, brachte sie den neuen Antrag bereits Ende August in den Bundestag ein. Angesichts der angestaubten Pläne, die momentan von allen Verfechtern der inneren Sicherheit aus den Schubladen gekramt werden, fügt er sich jetzt allerdings nahtlos in die neue politische Landschaft ein. Statt über die effizientere Ausschöpfung der bereits bestehenden - nicht gerade unbedeutenden - Strafverfolgungsmöglichkeiten nachzudenken, wird in der herrschenden "Alles-muss-anders-werden"-Stimmung blindlings zur Terroristenjagd um jeden Preis angesetzt. Fragen der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen scheinen dabei von heute auf morgen keine Rolle mehr zu spielen.

Doch der Großteil der Datenschützer mahnt gleichzeitig zur Besinnung. Die Ermittler sollten erst mal nachweisen, so der brandenburgische Datenschutzbeauftragte Alexander Dix, welcher Teil des Desasters der vergangenen Woche "durch eine verstärkte Überwachung zu verhindern gewesen wäre." Richtig verstandener Datenschutz könne die Ergreifung von Tätern keineswegs vereiteln. Wenn es konkrete Anhaltspunkte für die Beteiligung an Straftaten gebe, müsste es natürlich möglich sein, Kommunikationspartner zu identifizieren. Einer pauschalen Überwachung des gesamten Netzverkehrs erteilt Dix allerdings genauso wie der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob eine Absage Übereilte gesetzliche Maßnahmen vermeiden).

Auch der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, sieht keine "tatsächliche Grundlage" dafür gegeben, weitere Überwachungsbefugnisse für Polizei und Geheimdienste zu fordern oder Einschränkungen der Ermittlungsarbeit durch "den" Datenschutz zu beklagen. Ein "Stochern im Nebel" sei genauso zu verhindern wie "jeder Versuch, unter dem Vorwand von mehr Sicherheit Freiheitsrechte zu beschneiden".