CDU-Logik und "Flatrate-Mentalität": Gesundheit ist ein teures Hobby
Unionsfraktion will höhere Eigenbeteiligung für gesetzlich Versicherte. Ein neoliberaler Finanzwissenschaftler hat bereits einen "Reformplan". Was das im Ernstfall bedeuten könnte.
"Gesundheit ist eine Ware", so lautete provokant der Titel einer Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung über Mythen und Probleme des kommerzialisierten Gesundheitswesens, die vor wenigen Jahren als Argumentationshilfe für alle jene herausgegeben wurde, die eben genau das nicht wollen.
Ganz so brutal hätten es die meisten Befürworter des kommerzialisierten Gesundheitswesens auch nicht formuliert. Der CDU-Politiker Tino Sorge scheint Gesundheit auch eher für ein Hobby zu halten, für das gesetzlich Krankenversicherte in Zukunft öfter draufzahlen sollten.
"Wir müssen die weit verbreitete Flatrate-Mentalität in der gesetzlichen Krankenversicherung beenden", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Konkret fordert Sorge eine höhere Eigenbeteiligung und neue Tarifmodelle: "Viele denken, ich zahle doch Beiträge, also steht mir alles in beliebiger Höhe zu", moniert er. Außerdem fordert er ein "Lotsenmodell", das Versicherte dazu verpflichtet, vor einer neuen Behandlung immer erst zum Hausarzt zu gehen und sich von dort bei Bedarf zum Facharzt überweisen zu lassen. Dafür soll es dann einen gewissen Bonus geben.
"Niemand will wichtige Leistungen zusammenstreichen", beschwichtigt er – "aber wir brauchen mehr Eigenbeteiligung und -verantwortung, mehr Kostensensibilität, mehr Steuerung und mehr Flexibilität". Der demografische Wandel setze die Gesundheitsversorgung unter massiven Druck, so die Sorge von Sorge, der natürlich kein Gesundheitsexperte ist. Vor seinem Gang in die Politik hat er als Wirtschaftsanwalt und Unternehmensjurist gearbeitet. Über das Gesundheitswesen weiß er nun zu berichten: "Das System lebt zunehmend über seine Verhältnisse."
Neoliberaler Vorreiter: Professor Bernd Raffelhüschen
Neu ist daran nur die Wortwahl. Vorreiter in dieser Frage ist der Hochschullehrer und Lobbyist Bernd Raffelhüschen, der im Juni sogar schon beziffert hat, wie viel gesetzlich Versicherte seiner Meinung nach draufzahlen sollen.
Laut Raffelhüschens "Reformplan" sollen sie pro Jahr die ersten 800 Euro für Arztbesuche selbst tragen – stationäre Operationen ausgenommen. Was darüber hinausgeht, soll von der Versicherung zu 50 Prozent erstattet werden, bis innerhalb eines Jahres 2.000 Euro zusammengekommen sind. Erst ab 2.001 Euro soll alles von der Kasse übernommen werden – "denn das würde sonst zu teuer", Raffelhüschen gönnerhaft. Sein Credo:
Gesundheit ist für Menschen etwas, das nichts kostet. Sie können zum Arzt gehen, ohne zu zahlen. Das muss sich ändern. Preisfühlbarkeit muss her.
Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen
Vermeintlicher Sachzwang: Bemessungsgrenze statt Bürgerversicherung
Natürlich ist auch er kein Gesundheitsexperte. Der Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg ist seit vielen Jahren immer wieder als Lobbyist der Versicherungswirtschaft in Erscheinung getreten.
2005 ernannte ihn die Stiftung Marktwirtschaft zum zweiten Vorstand – neben Michael Eilfort, dem ehemaligen Büroleiter des heutigen CDU-Chefs Friedrich Merz (CDU). Eine solidarische Bürgerversicherung im Gesundheitswesen lehnte Raffelhüschen natürlich schon damals strikt ab.
Bis heute behauptet er "Wir steuern auf 35 Prozent Beitragssatz zu, wenn sich nichts ändert." Nur darf sich aus seiner Sicht nichts daran ändern, dass es eine Beitragsbemessungsgrenze gibt, durch die Besserverdienende prozentual weniger zahlen als Normal- und Geringverdienende. Würde diese Deckelung abgeschafft und alle Einkommensarten berücksichtigt, müssten die Beitragssätze nicht steigen.
Die Sachzwanglogik solcher "Experten" entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Interessenvertretung der Wohlhabenden und Superreichen.