COP 26: Die Erfolge von Glasgow und ihre Maßstäbe
Seite 2: Die Kritiker
Noch jede Demonstration zur Klimapolitik drückt einen Zwiespalt aus. Auf die Straße gehen die Demonstranten, weil sie in der herrschenden Politik einen Mangel entdecken: So wie "die da oben" Gesetze beschließen, zeichnet sich ab, dass die Erderwärmung munter weiter geht. Gleichzeitig setzen die Demonstranten aber alle Hoffnung darauf, dass die Politiker durch den massenhaften Protest dazu zu bewegen sind, doch noch Gesetze zu beschließen, die die Erderwärmung aufhalten.
Dabei wäre doch als Erstes, siehe oben, zu fragen, warum die Politiker nicht von sich aus in diesem Sinne aktiv werden. Wissenschaftliche Berechnungen und Gutachten gibt es zuhauf, an mangelndem Wissen kann es wohl nicht liegen. Deshalb hat das ständige Betonen der Demonstranten, dass sie die Wissenschaft auf ihrer Seite haben, etwas Gebetsmühlenartiges, das Beschwören einer großen Einigkeit. Schließlich sind ja nicht wenige der Gutachten von der Politik in Auftrag gegeben worden.
Wenn die Politiker dennoch zu anderen Ergebnissen gelangen, dann kann es nicht am fehlenden Wissen liegen, sondern dann geht es ihnen eben nicht einfach darum, wie die Klimaveränderung gebremst werden kann. Dem Klimaschutz will sich inzwischen zwar keine der Parteien mehr verschließen, aber alle verbinden ihr Bekenntnis zum Klimaschutz mit einem dicken "Aber".
Woran es beim Klimaschutz hakt und warum er nicht so stattfinden kann, wie sich die Vertreter von Fridays for future das vorstellen, machen die Verantwortlichen vor allem an drei Punkten deutlich. Da ist zum einen das Ausland, das nicht richtig mitzieht, dann sind es die Arbeitsplätze, die man erhalten muss, und endlich noch die Verbraucher, die das alles nicht zahlen können. Diese Gründe gilt es zu würdigen, denn ganz von der Hand weisen wollen Klimaschützer diese Gründe ja nicht.
Um mit dem Letzten zu beginnen: Die Preise für Energie steigen und das ist auch beabsichtigt. Schließlich sollen die Verbraucher entweder weniger verbrauchen oder sich nach Alternativen umsehen. Als selbstverständlich unterstellt ist in dieser Argumentation, dass alles in dieser Gesellschaft einen Preis hat und somit Mittel des Geschäftes ist. Als solches soll auch der Klimaschutz fungieren.
Die Preise für Energie werden durch die CO2-Abgabe von der Politik erhöht und so sollen sich alternative Formen des Energieverbrauchs wie Verzicht auf Autofahren, Kauf von Elektro-Autos, neue Heizungen lohnen. Für diejenigen, die Hersteller oder Verkäufer von Elektro-Autos, neuen Heizungen oder Wärmedämmungen von Häusern sind, wird so eine lohnende Geschäftssphäre eröffnet und stabilisiert. Diejenigen, die nur mit den steigenden Energiekosten konfrontiert werden, müssen somit neu kalkulieren.
Für Unternehmen und Geschäftsbereiche, die nicht in neuen Umweltprodukten zu Hause sind, stellen die höheren Energiepreise höhere Kosten dar, die ihre Kalkulation belasten und die Rendite senken. Es sei denn, sie können die höheren Kosten ihren Kunden in Rechnung stellen und sich so schadlos halten.
Dann gibt es die Menschen, die nicht Besitzer eines Unternehmens sind, sondern nur über sich selbst als Arbeitskraft verfügen. Sie können ihre gesteigerten Kosten nicht einfach jemandem in Rechnung stellen, sind also mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich einzuschränken oder sich mit anderen zusammenzuschließen, um für höhere Löhne zu kämpfen. Die Hoffnung richtet sich da bei vielen auf die Regierung, die die durch die höheren Kosten entstandenen Nöte abmildern soll.
Und das haben die Parteien der neuen Regierung ja auch versprochen. Eine Kompensation für die höheren Energiepreise soll es geben. Nur: Die beabsichtigte Wirkung in Sachen Klimaschutz, soll damit nicht konterkariert werden. Also ist klar, dass eine Kompensation nicht in vollem Umfang stattfinden wird. Wahrscheinlich wird es nur für sogenannte "Härtefälle" Zahlungen geben. Wo die "Härte" anfängt und in welchem Umfang ein Ausgleich stattfinden soll, ist eine andere Frage - Hartz IV lässt grüßen.
Konfrontiert werden Klimaschützer immer wieder mit dem Arbeitsplatzargument oder mit Demonstrationen organisiert von Gewerkschaften. EinArgument, das die Kritiker trifft und an dem sie sich abarbeiten:
Derzeit geht man davon aus, dass die Kosten des Klimawandels bis zu achtmal höher liegen sollen, als bisher angenommen. Überschwemmungen und Stürme können das Wirtschaftswachstum für die betroffenen Staaten um ein Jahrzehnt oder länger dämpfen. Die Tötung von Menschen durch Unwetter führt zum Fehlen von Arbeitskräften. Die Zerstörung von Produktionsstätten führt zur Unmöglichkeit der Produktion. Die Folge sind Lieferengpässe. Beides schadet unserem Wohlstand nachhaltig - entweder am Produktionsstandort oder durch Behinderung der Produktion durch Versorgungsengpässe oder durch resultierende steigende Preise.
Mit der Kostenrechnung, die auf Seiten von Fridays-for-future aufgemacht wird, soll demonstriert werden, dass Klimaschutz auch ganz im Interesse derer ist, die die Klimakatastrophe verursacht haben. Dabei gehen allerdings die Rechnungsweisen etwas durcheinander.
Wenn von unserem Wohlstand die Rede ist, der durch den Klimawandel gefährdet ist, dann irritiert den Schreiber offenbar nicht, dass es mit dem Wohlstand bei vielen Menschen in dieser Gesellschaft nicht weit her ist. Das Wirtschaftswachstum, um das sich da gesorgt wird, besteht in dem Wachstum des Reichtums derer, die als Private über Reichtum verfügen. Und das ist, wie man auch aus den offiziellen Armuts- und Reichtumsberichten weiß, eine sehr überschaubare Minderheit.
Der Tod von Menschen wird beklagt, nicht weil er sie die Existenz kostet, sondern weil sie für das Wirtschaftswachstum fehlen. Zu solchen Zynismen gelangt der Autor, weil er um jeden Preis die Vereinbarkeit von Klimaschutz und kapitalistischem Wachstum nachweisen will. Gegen diese Kalkulation will sich anscheinend niemand wenden, stattdessen richtet sich die Hoffnung immer auf die Vereinbarkeit von Gewinnen mit Klimaschutz und Sicherung des Lebensunterhalts der Beschäftigten. Die immer wieder stattfindenden wie drohenden Entlassungen sowie die Folgen dieser Produktion können diesen Glauben wohl nicht erschüttern.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt eine bekannte Redewendung. Aber man weiß auch: Du sollst Dir keine falschen Hoffnungen machen. Nur was bedeutet es, wenn an der Hoffnung festgehalten wird, ohne zu prüfen, ob sie begründet ist? Dass die Hoffnungen nicht aufgegeben werden, wo sich viele vom Ergebnis von Glasgow enttäuscht zeigen, machen ihre Kritiker deutlich:
Es gibt Momente, da führt die Verfolgung von Nachrichten und Talkshows zu einem großen Maß an Ohnmacht. Etwa, wenn ein Bundeskanzlerin am Ende ihrer AmtSZeit auf der COP dazu aufruft, mehr für den Klimaschutz zu tun und sich von den Medien und Politiker:innen beklatschen lässt. Hatte sie nicht 16 Jahre Zeit um Klimaschutz zu machen? Was wurde in dieser Zeit getan? Beim Klimaschutzgesetz, so selbst das Bundesverfassungsgericht, jedenfalls nicht genug.
Die Frage aufzuwerfen, was die Kanzlerin in den 16 Regierungsjahren für Klimaschutz getan hat, ist vielversprechend. Aber dann muss man sich auch wirklich ansehen, was und wie sie den Klimaschutz betrieben hat. Schließlich gehörte dazu der Einsatz für die Autoindustrie und für den Weiterbetrieb der Braunkohlekraftwerke ebenso wie der Bau von Windrädern und die Förderung der Solarenergie.
Das würde dann nicht zum Abwägen von mehr oder weniger Engagement in Sachen Klimaschutz führen, sondern zu der Erkenntnis, nach welchen Maßstäben dieser erfolgt, und zwar im Inland wie im Ausland. Letzteres wird bei uns natürlich gerne an den Pranger gestellt. Dabei unterscheiden sich, siehe oben, die Kalkulationen der großen Wirtschaftsmächte gar nicht im Prinzip, höchstens in den Mitteln und den geopolitischen Bedingungen.
Es macht also einen entscheidenden Unterschied, ob man das 1,5-Grad-Ziel als ein Ideal betrachtet, in dessen Namen man kapitalistisches Wirtschaftswachstum mit den Folgen der Erderwärmung irgendwie zu vereinbaren versucht, oder ob man die 1,5 Grad als ein reelles Ziel versteht. In letzterem Fall müsste man eben zur Kenntnis nehmen, dass dies so von keinem der handelnden Politiker verfolgt wird.
Aus diesem - vernachlässigten - Unterschied, aus dem Desinteresse, den Motiven der mächtigen Macher auf den Grund zu gehen, und der Bereitschaft, die offizielle Klima-PR zu schlucken, speisen sich dann immer wieder Hoffnungen - ebenso wie die unvermeidlichen Enttäuschungen, die auf dem Fuße folgen.
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