COVID-19 - Die Suche nach den richtigen Maßnahmen
Seite 3: Maßnahmen zur Eindämmung schlimmer als die Krankheit selbst?
- COVID-19 - Die Suche nach den richtigen Maßnahmen
- Die Copy-And-Paste-Politik in den Entwicklungs- und Schwellenländern
- Maßnahmen zur Eindämmung schlimmer als die Krankheit selbst?
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Die große Frage, die sich nun stellt, ist, ob die Maßnahmen, wie sie zunächst in China, danach in Europa zur Anwendung gelangten, unabhängig ihres sozio-ökonomischen Status, auf alle Länder gleichwertig anwendbar sind. Wäre es nicht vernünftiger gewesen, die Methoden den ökonomischen, kulturellen und demographischen Gegebenheiten anzupassen?
Die Copy-and-Paste-Politik afrikanischer und einiger asiatischer Staaten mag zwar einen großen psychologischen und medialen Eindruck hinterlassen, könnte aber am Ende den betroffenen Menschen mehr Leid als Heil bringen. Die Bevölkerungen dieser Länder sind sehr jung. Das Durchschnittsalter in Nigeria beträgt 18 Jahre, in Italien liegt es bei 46. Zwar sind viele arme Menschen von Mangel- und Unterernährung, Anämie durch parasitäre Erkrankungen, HIV, Tuberkulose oder Malaria betroffen und damit auch geschwächt, insgesamt könnten junge Menschen die COVID-19-Erkrankung allerdings weit besser überstehen als ältere. Das besagen alle Daten, über die wir bereits verfügen. Der Altersschnitt der Verstorbenen liegt in Italien bei 81 Jahren.
Die Maßnahmen, wie sie derzeit in vielen Ländern des globalen Südens praktiziert werden, erscheinen chaotisch und nicht nachhaltig und werden der Realität vor Ort nicht gerecht. Zudem werden sie von den religiösen Führern in muslimischen Ländern wie etwa dem Sudan oder Indonesien teilweise massiv blockiert und konterkariert. Eine aktive Durchseuchung der Nicht-Risikobevölkerung mit dem Coronavirus ist aus ethischer, aber auch medizinischer und biologischer Sicht abzulehnen. Zu hoch ist das Risiko von Langzeitfolgen, bzw. Mutationen, die das Virus noch gefährlicher machen könnte. Staaten, die über die finanziellen und logistischen Mittel verfügen, all dies zu verhindern bzw. auf den Zeitfaktor setzen, bis zur Entwicklung von wirksamen Medikamenten oder Impfungen, sollten sämtliche sinnvollen Maßnahmen implementieren.
Doch gerade in den ärmsten Ländern mit schwachen staatlichen Strukturen, wo Ausgangsbeschränkungen illusorisch sind, wäre die Idee des raschen Aufbaus einer "Herdenimmunität" bei gezielter Abschirmung chronisch Kranker und älterer Teile der Bevölkerung, wie sie der schwedischen Regierung vorschwebt, vermutlich realistischer als das einfache Kopieren von Lösungen wohlhabender Staaten, zumal diese aus gänzlich anderen Überlegungen handeln.
Das viele Geld, das gerade für Sicherheitsmaßnahmen und Massendesinfektion ausgegeben und das durch den Zusammenbruch der lokalen Märkte den finanzschwachen Staatshaushalten entgehen wird, wäre für den Ausbau einer besseren Trinkwasserversorgung und sanitärer Anlagen sinnvoller angelegt. Gesundheitssysteme, die ohnehin kaum über Intensivbetten verfügen, die auch in Nichtkrisenzeiten chronisch überfordert sind und selbst mit potentiell leicht behandelbaren Krankheiten wie Pneumokokken-Pneumonien oder Durchfallerkrankungen nicht fertig werden und welche der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung obendrein verschlossen bleiben, können ohnehin nicht "geschützt" werden. In Ländern, wo für jede Spitalsbehandlung hohe Geldbeträge für Verbrauchsmaterial, Medikamente und Personal bis hin zu Diesel für den Stromgenerator aus eigener Tasche zu berappen sind, bleiben die wenigen vorhandenen Intensivbetten nur den Wohlhabenden und der politischen Elite vorbehalten.
Wir werden wohl erst in vielen Monaten erste Antworten darauf bekommen, welcher Weg zur Kontrolle der COVID-19-Pandemie sich als der geeignetste erwiesen haben wird. Paradoxerweise könnte ausgerechnet jener Politiker Recht behalten, der für die meisten Kontroversen im Zusammenhang mit Coronavirus-Maßnahmen in Südamerika sorgte. Brasiliens populistischer Präsident Jair Messias Bolsonaro zog wohl aus ganz anderen Gründen die Erkrankung zunächst ins Lächerliche und zweifelte bis zuletzt am Sinn der Isolationsmaßnahmen. Gouverneuren, die in ihren Bundesstaaten strenge Ausganssperren verfügten, warf er vor, soziales und wirtschaftliches Chaos zu verursachen.
Zwar schwenkte der rechtsnationale Politiker angesichts der dramatischen Entwicklung in seinem Land zuletzt um und bleibt dennoch bei seiner Forderung: "Die kollateralen Auswirkungen der Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus dürfen nicht schlimmer sein als die Krankheit selbst." Es ist beängstigend, dass der vernünftige Weg ausgerechnet von skrupellosen Populisten vorgezeichnet wird.
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