"Chaoten - Nazis - Kannibalen - sie wollen Menschenfleisch!"

Wie Karl Nagel einmal zu Besuch war bei Armin Meiwes

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Menschen Fressen Menschen - hieß es vor zehn Jahren anlässlich der Chaos-Tage in Hannover auf dem „Cannibal Home Channel“ im Internet. Und der Betreiber war Karl Nagel, der mal als Internetpunk, dann als Rädelsführer der Punks bezeichnet wurde. Und der mit seinen übers Netz gestreuten Infos mit der Polizei und den Medien ein wildes Verwirrspiel veranstaltete. Danach war Nagel Bundeskanzler-Kandidat der Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands (APPD). Und heute arbeitet er im Hamburger Comicstudio Alligator Farm und ist der Herausgeber eines neuen Perry-Rhodan-Heftes.

Aus dem Comic "Der Kannibale von Rothenburgsort" von Wittek/Elbschock

Doch vor fünf Jahren wurde der ehemalige Punk von seiner virtuellen „Kannibalen“-Vergangenheit plötzlich eingeholt. Ohne dass er es zu dem Zeitpunkt wusste oder auch nur ahnte. Anlässlich eines Treffens unter dem gefakten Motto „Überlaufen nach rechts" im nordhessischen Rothenburg lernte er nämlich zufällig einen echten Kannibalen kennen: Armin Meiwes. „Wenn ich mich richtig erinnere“, erzählt Nagel, „saß er mit uns am Lagerfeuer. Weil es nicht für alle Leute Schlafplätze gab, wurde eben ein Teil von uns bei ihm einquartiert, in einem großen Fachwerkhaus.“ Und genau zu derzeit lagen in Meiwes Gefriertruhe die Überreste des vom ihm geschlachteten Menschen.

„Aber zu essen“, erzählt Nagel weiter, „hat er uns nichts angeboten. Das Haus war aber wirklich der Kracher... kann man gar nicht richtig beschreiben... Müll und Gerümpel... Löcher im Boden...die Betten war auch so muffige, alte Dinger. Andere Welten!“ Meiwes selbst sei total unauffällig gewesen, „aber nicht besonders still oder so. Eher Marke Langweiler und ,ewiger Junggeselle’. Computerfuzzi. Es gilt auch hier: ,Aber er hat doch immer so freundlich gegrüßt...’“

Von Meiwes’ Tat hat Nagel dann erst später aus den Zeitungen erfahren, aber nur wenigen von seiner Begegnung mit dem „Kannibalen von Rothenburg“ erzählt - unter anderem auch dem Schreiber dieser Zeilen, den er jedoch um Stillschweigen bat. Damals befürchtete Nagel, dass die Boulevardpresse seine Geschichte aufgreifen würde mit Schlagzeilen wie: „Chaoten - Nazis - Kannibalen - sie wollen Menschenfleisch!“ Und da er gerade Vater geworden war, wollte er auf so etwas lieber verzichten.

Doch nach der Urteilsverkündung im zweiten Prozess, sagt er, sei die Nummer aber langsam durch. „Jetzt kann ich die Geschichte immerhin in Comic-Form verarbeiten. Das hat richtig Spaß gemacht, zumal Comiczeichner Wittek die Story unglaublich bizarr für das Comicmagazin Elbschock umgesetzt hat.“ Und außerdem hat er von seiner Begegnung mit Armin Meiwes jetzt auch in einem Interview (aus dem einige unserer Zitate stammen) mit der „Asozialen Rundschau“ zum ersten Mal öffentlich berichtet - unter der schönen Überschrift: „Karl Nagel macht wieder alles kaputt!“ Aber ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen.