Chile: Von der Ausbeutung zum ökologischen Sozialstaat auf der Höhe der Zeit

Seite 2: Schutz von Ernährung und bäuerlicher Landwirtschaft

Artikel 54 betont das Recht auf Ernährungssischerheit und verpflichtet den Staat, faire Handelsbeziehungen, ökologischen Landbau, bäuerliche Landwirtschaft sowie kleine Fischereibetriebe zu fördern.

Ausdrücklich wird das Recht auf Verwendung und Austausch selbst erzeugten Saatguts betont. Das richtet sich gegen die weit verbreitete Praxis großer Saatgut-Multis, über internationale Handelsabkommen und Patentrecht Saatgut zu monopolisieren und Landwirte von sich abhängig zu machen.

Und wenn hierzulande wie vielleicht bald demnächst in Chile das Recht auf "angemessene, gesunde, ausreichende, ernährungsphysiologisch vollständige und kulturell relevante Ernährung" Verfassungsrang hätte, müsste wohl so manche Schulkantine dicht machen.

Das Recht beinhaltet übrigens ausdrücklich auch das Recht für spezielle Nahrung, die aus gesundheitlichen Gründen notwendig sein könnte, wie etwa glutenfreie Produkte. Der Staat soll die Aufgabe bekommen, für die entsprechende Versorgung im ganzen Land, auch in den entlegensten Landesteilen, zu sorgen.

Streikrecht

Auch mit der neuen Verfassung wird es sicherlich noch zahlreiche Konflikte um die Verteilung des Reichtums im Lande geben. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass die politischen Freiheiten und Rechte erheblich ausgedehnt werden und dass der Verfassungsentwurf die Rechte der arbeitenden Bevölkerung deutlich stärkt.

So wird nicht nur das Recht, Gewerkschaften zu gründen, anerkannt, sondern diesen auch Verfassungsrang als legitime Vertretung der Beschäftigten eingeräumt.

Vor allem wird den Gewerkschaften wie auch den Arbeiterinnen und Arbeitern explizit ein umfassendes Streikrecht zugestanden und festgestellt, dass Ziele und Interessen, für die dieses eingesetzt wird, allein Angelegenheit der Gewerkschaften und der Beschäftigten sind.

Mit anderen Worten: Sollte der Entwurf morgen eine Mehrheit finden, wird Chile auch das Recht auf politische Streiks bekommen. In Deutschland hingegen kennt das Grundgesetz nicht einmal ein explizites Streikrecht.

Politische Streiks gelten nach einem Arbeitsgerichtsurteil aus dem Jahre 1952 als illegal. Allerdings ist dieses Verbot nicht besonders eindeutig formuliert und unter Gewerkschaftern und Arbeitsrechtlern umstritten.