China, Herbst 2017: Neues hinter Altem
Seite 2: Dämon der Vergangenheit
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Die reale Geschichte spricht eine andere Sprache. In den "unterirdischen Gängen, Kellern und Cloaken", abseits der pompösen Inszenierungen, wie sie auch heutige Parteitage zur Schau tragen, schlummern die Zeugnisse der kommunistischen Diktatur, der Millionen zum Opfer fielen. Ist sich Xi der Doppelbödigkeit seiner Show bewusst?
Mao war ein Gewaltmensch, der einen monströsen Personenkult pflegte und der sich auf dem Höhepunkt seiner Macht in der Tradition chinesischer Kaiser erblickte. Während der Kulturrevolution der 1960er Jahre nahm der Kult abnorme Ausmaße an. Allein der "Große Sprung nach vorn" (1958) brachte nach neueren Erkenntnissen 45 Millionen Menschen den Tod.
Trotz des menschenverachtenden Terrors zehren bis heute viele Landsleute von einem Gefühl der Identität, das sich aus Maos Ära nährt und erhält. Hier hat es keine wirkliche Aufarbeitung gegeben. Die chinesische Revolution war für Millionen die Hölle; da mutet es fast wie ein Gruselkabinett von willfährigen Lobhudlern an, wenn 2.300 Parteigänger ohne Gegenstimme Xi zusammen mit dem Geist der Erneuerung beschwören.
Der Traum vom "großen Aufstieg" - Auch die EU ist Rivale
Unterdes läuft der machtpolitische globale Poker weiter, teils weit weniger von der Weltöffentlichkeit beachtet. Chinas Bestrebungen in Afrika sind wohl bekannt, auch die Rivalität des amerikanischen Gegenspielers.
Nicht so stark im Licht der Öffentlichkeit steht Zentralasien, wenn es um Chinas Einflussnahme geht, beispielsweise Usbekistan, das bevölkerungsreichste Land unter den postsowjetischen Staaten der Region. China ist seit Jahren dabei, seine wirtschaftliche Präsenz an der östlichen Peripherie der EU gezielt auszubauen. Peking kooperiert dabei bereits mit 16 ost- und südosteuropäischen Ländern und tätigt umfassende Investitionen. Ein Rivale für Chinas Machtanspruch ist hier die EU, aber auch Russland, das in Zentralasien weiterhin strategisch auf Einflussgewinne setzt, und dies auf ökonomischem und militärischem Gebiet gleichermaßen.
Zum Abschluss des Parteitags rief Xi Jinping zu einer "neuen Reise beim Aufbau des Sozialismus chinesischer Prägung" auf. Die Parole überdeckt das Fehlen einer Zivilgesellschaft, weit und breit sind keine Anzeichen für einen erwünschten politischen oder gesellschaftlichen Diskurs erkennbar.
Xi will China zur Weltmacht machen, die Partei macht ihn zum Alleinherrscher. Mao schottete sich zuletzt gegen alles und jeden ab, dabei verlor er den Bezug zur Realität - zu seinem Volk. Unter der allmächtigen Führung von Parteichef Xi Jinping preisen die Kommunisten nun wieder den "großen Aufstieg Chinas", propagieren einen "Aktionsplan für die ganze Partei und alle Chinesen, nach dem großen Wiederaufstieg der chinesischen Nation zu streben".
Das sind hehre Worte. In der Vision von China als wirtschaftlicher und militärischer Weltmacht repräsentiert der Parteichef erneut eine quasi göttliche Sendung. Deren Erfüllung "ist der größte Traum des chinesischen Volkes seit Beginn der Neuzeit".