China: Mehrheit befürwortet Gegenmaßnahmen zu US-Sanktionen
Die öffentliche Meinung der Chinesen gegenüber den USA kippt. In Hongkong ist man gespalten
Die westliche Berichterstattung über China kennt selten andere Themen als Überwachung, Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen. Da es keine Meinungsfreiheit gibt, scheint wiederum die Meinung der Chinesen kaum von Interesse zu sein. Dabei hinterlassen die Sanktionen seitens der USA Spuren in der öffentlichen Meinung Chinas als auch in Hongkong.
Die chinesische Zeitung Global Times will anhand einer Umfrage nun herausgefunden haben, dass eine überwältigende Mehrheit der chinesischen Netizens die Regierung bei der Ergreifung von Gegenmaßnahmen gegen US-Sanktionen unterstützen würde. Die am Montag und Dienstag durchgeführte Online-Umfrage mit knapp 150.000 Teilnehmern beleuchtet die aktuellen Beziehungen zwischen China und den USA infolge der US-Sanktionen gegen Peking. Mehr als 64,5 Prozent der Teilnehmer gaben demnach an, dass sie Gegenmaßnahmen "entschieden unterstützen, da es sich um eine Frage der nationalen Würde und des grundlegenden Interesses handelt". Weitere 31 Prozent sagten, China sei in der Lage "ein Gleichgewicht zwischen dem Entgegenwirken gegen Provokationen und der Öffnung zu finden". Nur zwei Prozent waren der Meinung, dass China sich weiter in Geduld üben solle.
Die Umfrageergebnisse zeigen zudem, dass viele chinesische Netizens glauben, dass die jüngsten US-Sanktionen in Folge des nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong nur ein für den US-Präsidentschaftswahlkampf instrumentalisierter Bluff sind. Mehr als 75 Prozent der Teilnehmer sind überdies der Meinung, dass solche Schritte der USA ein Akt der Einmischung in Chinas Innenpolitik sind. Fast niemand bzw. nur 2,7 Prozent glauben, dass die USA dies tun, um "Demokratie und Freiheit in Hongkong" zu unterstützen.
Auf die Frage, was hinter dem Druck der US-Regierung auf China steckt, antworteten Global Times zufolge 45 Prozent der Teilnehmer mit "Besorgnis über Chinas rasante Entwicklung und der Versuch, weitere Fortschritte Chinas zu unterdrücken". Über 50 Prozent hielten das Vorgehen der amerikanischen Regierung für ein Zeichen einer "hegemonialen Mentalität, die den Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit der USA fürchtet".
Mehr als 30 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sich ihre Meinung gegenüber den USA erst in letzter Zeit geändert habe. Auf die Frage, ob sie die USA mögen, sagten sie "früher ja, aber jetzt weniger". Weitere 27 Prozent gaben sich ebenfalls zustimmend, allerdings wegen des "fortentwickelten Grades der Wissenschaft und Technologie sowie der Rechtsstaatlichkeit, aber nicht für die Politik gegenüber China". 36 Prozent gaben an, die USA nicht zu mögen.
Die Ergebnisse kommentierte Li Haidong, Professor am Institut für Internationale Beziehungen an der China Foreign Affairs University, dass "fast niemand in China" glaube, dass sich die USA um die Demokratie oder die Menschenrechte in China kümmern. "Die USA haben sich bereits als "Unruhestifter" erwiesen, der die Souveränität anderer Nationen zerstört und zuvor eine Reihe von gescheiterten Staaten unter dem Vorwand der 'Förderung der Demokratie und der Verteidigung der Menschenrechte' geschaffen hat; Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien sind Beispiele dafür."
In Hongkong ist man sich uneins
Eine Umfrage der Redfield & Wilton Strategies im Auftrag von Newsweek fand ebenfalls im Juli heraus, dass unter den Bürgern Hongkongs eine leichte Mehrheit von 37 Prozent engere Beziehungen zu China befürwortet, da dies "den langfristigen strategischen Interessen Hongkongs am besten dient", während 30 Prozent sich engere Beziehungen zu den USA wünschten. Auf die Frage, ob sie die US-Regierung "eher als Verbündeten oder als eine Bedrohung für Hongkong und seine Interessen" betrachten würden, antworteten 38 Prozent der Befragten, dass die USA eher eine Bedrohung darstelle, 29 Prozent zählten sie eher als Verbündeten und 21 Prozent sagten, sie sei weder das eine noch das andere. Etwa 37 Prozent nannten wiederum die chinesische Regierung als Bedrohung und 34 Prozent sahen in Peking einen Verbündeten, während 16 Prozent der Befragten der Meinung waren, dass es weder das eine noch das andere sei.
Bezüglich der Verschiebung der Wahlen werden allerdings unterschiedliche Umfrageergebnisse präsentiert. Laut Global Times hat die Our Hong Kong Foundation Anfang August in einer Telefonumfrage mit 1.192 Teilnehmern herausgefunden, dass etwa 55 Prozent der Befragten in Hongkong mit der Entscheidung der Stadtregierung, die Wahlen zum Legislativrat (LegCo) zu verschieben, einverstanden sind. Etwa 37 Prozent der Befragten waren jedoch gegen die Verschiebung der Wahlen.
Laut dem Hong Kong Public Opinion Research Institute (PORI), das zwischen dem 27. und 30. Juli 8.805 Hongkonger befragte, waren wiederum etwa 55 Prozent der Befragten jedoch der Meinung, dass die Wahl nicht verschoben werden sollten. Sie sollten trotz der Pandemie wie geplant am 6. September stattfinden. Etwa 21 Prozent waren der Meinung, dass die Wahl um nicht mehr als sechs Monate verschoben werden sollte. Kurz zuvor hatte die Hongkonger Polizei das Büro des PORI durchsucht und Computer beschlagnahmt, was als ein Angriff auf die Pressefreiheit gewertet wurde.
Letzte Woche haben die USA unabhängig von der Meinung der Bürger Hongkongs Sanktionen gegen die Chefin der Stadregierung Carrie Lam verhängt, wegen der Verschiebung der Parlamentswahl und des Vorwurfs die Autonomie der chinesischen Sonderverwaltungszone zu untergraben. Die Regierungschefin sei "direkt verantwortlich für die Umsetzung von Pekings Politik zur Unterdrückung der Freiheit und demokratischer Prozesse" in Hongkong, hieß es in einer Mitteilung. "Die USA stehen an der Seite der Bewohner Hongkongs, und wir werden unsere Instrumente und Befugnisse gegen jene einsetzen, die deren Autonomie untergraben", hatte Finanzminister Steve Mnuchin erklärt. Peking nannte die Maßnahmen "lächerlich".