China: Moralkeule von Baerbock, Wahrheit von Macron
Seite 3: Ukraine-Hilfe: Schutz statt moralischer Erbauung
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Die Europäer und die USA (und, nicht zu vergessen: Kanada) unterstützen die Ukraine und sanktionieren Russland, weil sich der russische Angriffskrieg – nach Putins eigenen Worten – auch gegen sie richtet. Er ist der Versuch, die Nato zurückzudrängen, einen Gürtel von russischen Vasallen um Russland herum zu bilden und ein russisches Imperium zu errichten, das gewisse Ähnlichkeiten mit der UdSSR hätte, käme es je zustande.
Wladimir Putin hat das in mehreren Reden vor und nach der Invasion von 2022 so gesagt und seitdem nie zurückgenommen. Bundeswehrsoldaten stehen in den baltischen Staaten, in Polen, der Slowakei, bedienen dort Patriot-Luftabwehrsysteme und überwachen den Luftraum, die Bundesregierung hat moderne Luftabwehrsysteme und Panzer an die Ukraine geliefert, damit eines Tages keine russischen Panzer an der Oder stehen. Das dient unserem Schutz, nicht unserer moralischen Erbauung.
Zu unserem Glück haben sich ausreichend Ukrainer und Ukrainerinnen gefunden, die bereit waren, alle diese Gerätschaften zu benutzen und sich von Russland dafür bombardieren zu lassen, sodass deutsche und amerikanische Soldaten das nicht machen müssen. Statt sich über den russischen Angriffskrieg zu empören und die Ukraine-Hilfe als moralischen Imperativ zu verkaufen, hätte man auch schlicht sagen können: Wir liefern der Ukraine schwere Waffen, weil sie auch uns gegen Russland verteidigt.
Alle diese Gründe entfallen für Europa bei einem analogen "chinesischen Angriffskrieg gegen Taiwan". Niemand in Europa wird Soldaten, Wohlstand, Geld und Waffen in zwei Kriegen gleichzeitig aufs Spielsetzen, falls die USA sich in einem solchen Fall entschließen, Taiwan militärisch zu unterstützen oder sogar China anzugreifen.
Vielleicht werden Japan, Australien und Großbritannien dann ähnlich reagieren wie die europäischen Alliierten der USA auf den russischen Angriffskrieg, aber die Europäer werden sich dann höchstens zu symbolischen Sanktionen und Rüstungslieferungen breitschlagen lassen. Weil sie gar nicht anders können und weil sie im Pazifik – anders als die USA – keine strategischen Interessen haben, die über den Handel mit Asien hinausgehen.
Das transatlantische Bündnis wird das vermutlich sogar überleben. Es ist ja nicht das erste Mal, dass sich die außenpolitischen Interessen der USA und Europas nicht decken: Die EU hielt noch lange am Atom-Deal mit dem Iran fest, als sich die USA bereits davon verabschiedet hatten, die USA griffen den Irak an und halb Europa hielt sich davon fern.
Emmanuel Macron: Recht haben zur falschen Zeit
Wer sich in Deutschland über Macrons Äußerungen empört, tut gut daran, sich zu fragen, wie es um den sozialen Zusammenhalt, die Staatsfinanzen, den Zustand der Bundeswehr und die Lebenshaltungskosten aussähe, würde sich die Bundesrepublik so für Taiwan einsetzen, wie sie das für die Ukraine tut. Macron hätte auch einfach sagen können, der europäische Kaiser sei nackt und solle sich warm anziehen. Aber das hätte dann in Frankreich vielleicht niemand verstanden.
Natürlich hat Macron den denkbar schlechtesten Zeitpunkt für sein Interview gewählt: auf dem Rückflug von China und bevor China wieder seine militärischen Muskeln vor Taiwan spielen ließ. Was hilft es einem Politiker, wenn er zwar recht hat, aber zum falschen Zeitpunkt und wenn keiner das, was er zu sagen hat, hören will?
Für das, was Macron in Frankreich allein machen muss, nämlich regieren und moralisieren, haben wir in Deutschland eine hübsche Arbeitsteilung: Der Präsident sagt, was Konsens ist (und bleibt zu Hause), die Außenministerin fährt nach Peking, moralisiert und belehrt Xi Jinping über Menschenrechte. Und der Kanzler macht, wenn er nach Peking fährt, Realpolitik und lässt sich dafür von Xi Jinping vorführen. So macht jeder zu unterschiedlichen Zeitpunkten das Richtige für das Publikum zu Hause. Dadurch erfährt dort keiner, wie nackt der moralisch so empörte Kaiser wirklich ist.
Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Berliner Zeitung.
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