China kauft Pakistan

Ein wunderschönes, wasserreiches Land - heruntergewirtschaftet bis zum Ausverkauf. Foto: Gilbert Kolonko

Die Volksrepublik richtet Sonderwirtschaftszonen ein - kleine Staaten im Staate, mit Steuervorteilen, Sonderrechten und eigenen Sicherheitsvorkehrungen

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Jahrzehntelang haben die pakistanische Politik und das Militär die Zukunft ihres Landes verscherbelt - einzig zum Wohl ihrer eigenen Interessen. Für dringend nötige Investitionen fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Pakistans Hoffnungen ruhen auf China, dem Freund aus alten Tagen. Doch der kauft gleich den ganzen Laden, um eine eigene Filiale daraus zu machen.

Von 30 Millionen Einwohner 1947 auf über 200 Millionen heute und kein Ende in Sicht. Vom Vorzeigemodell mit vielversprechender Agrarwirtschaft in den 60ern zu einem Land, das die drittgrößten Wasserprobleme der Erde hat - trotz Schmelzwasser aus dem Himalaja und Karakorum. Warum?

Durchschnittlich neun Auftragsmorde täglich

Dieses Jahr sagte der gefasste Schwerverbrecher Uzair Jan Baloch aus, dass er in der 22-Millionen-Einwohner-Stadt Karatschi mit allen wichtigen Personen zusammengearbeitet hat: mit den politischen Führern der Region Sindh, mit Ex-Präsident Asif Ali Zardari (dem zweitreichsten Pakistaner), mit dem Polizeipräsidenten Karatschis und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. In Pakistan schaffte es diese Nachricht nicht einmal unter die Top News. Wieso auch! Die Einwohner Karatschis wussten das schon seit Jahren. An schlechten Tagen gab es in der Metropole bis zu 20.000 Straftaten am Tag (laut Human Rights Pakistan) und über die Jahre gerechnet durchschnittlich neun Auftragsmorde täglich.

Nur wenige Pakistaner wehren sich gegen die Korrupten über ihnen. Foto: Gilbert Kolonko

Der aktuelle Ministerpräsident Nawaz Sharif (zusammen mit seinem Bruder viertreichster Pakistaner) stand diesen Monat wegen der Panama Papers vor dem obersten Gerichtshof. Das Urteil: Eine Kommission soll den Fall nochmal untersuchen. Übersetzt bedeutet das: Die Angelegenheit verläuft im Sande und darf nur von der pakistanischen Armee ausgegraben werden, sollte sich Sharif einmal einbilden, er wolle Pakistan wirklich regieren. Nichts ist für pakistanische Generäle angenehmer, als dass die "demokratische" Konkurrenz bis zum Hals in zwielichtigen Machenschaften steckt.

So ist die Armee mit 1,5 Millionen Angehörigen nebenbei das größte Wirtschaftsunternehmen des Landes und der größte Grundstücksbesitzer. Der Nachwuchs an Extremisten ist dank des mangelhaften staatlichen Schulsystems und Zehntausenden privat geführter Religionsschulen gesichert. Überdies hält die Armee den Kaschmir-Konflikt mit Indien am Gären - ohne Konflikte und Extremisten bräuchte es keine riesige Armee.

Edelsteinmiene auf 4300 Höhenmetern, die von den Dorfbewohner betrieben wird - damit ist es bald vorbei. Foto: Gilbert Kolonko

Seitdem das Land auch noch die Atombombe besitzt, waren sich die Verantwortlichen sicher, dass die Weltgemeinschaft den mies geführten Laden Pakistan mit immer neuen Krediten am Laufen hält und so vor allem den pompösen Lebensstandard der Verantwortlichen sichert; denn die einfache Bevölkerung hat ja Gott, der sich um sie kümmert.

Im "Kampf gegen den Terror", ein Teil des Problems

Doch den USA ist aufgegangen, dass ihr Partner im "Kampf gegen den Terror", ein Teil des Problems ist, weil Pakistans Armee nicht aufhören kann, an den "guten" Taliban festzuhalten. Regelmäßig wird versucht, jene "Jungs" mit sogenannten Friedensgesprächen hoffähig zu machen. Beim letzten dieser Treffen im pakistanischen Erholungsort Muree war ein Mann dabei, der zu nahe an den Wurzeln des Übels steht und deshalb hier nicht namentlich genannt werden will:

"Hätte man die alle verhaftet, wäre das Taliban-Problem in Afghanistan auf der Stelle gelöst gewesen", sagt der Augenzeuge. "Stattdessen wurde den schlimmsten Mördern und Verbrechern dieser Region der rote Teppich ausgerollt. Da war so viel menschliche Grausamkeit auf einem Haufen versammelt, dass mir schlecht wurde."

Mittlerweile haben die USA andere Orte gefunden, um ihre Drohnen zu testen. Also haben die pakistanischen Verantwortlichen alle Eier in den chinesischen Korb gelegt - im Glauben, dass China um jeden Preis die neue Seidenstraße durch Pakistan bauen will. Dabei scheint der pakistanischen Seite entgangen zu sein, dass China gleich an mehreren Seidenstraßen bastelt. Zunächst fing alles vielversprechend an: Der Ausbau des Karakorum-Highways sollte von beiden Ländern zur gleichen Teilen bezahlt werden. Doch regelmäßig sagte der damalige Ministerpräsident Zardari: "Sorry, unser Budget für dieses Jahr ist alle. Wir zahlen dann mal tomorrow."

Peking wird sich nicht mehr abschütteln lassen. Foto: Gilbert Kolonko

Auch Sharif setzte mit Amtsantritt 2013 weiter auf Peking. Damals hatte er wohl selber nicht geglaubt, dass er seine dritte Amtszeit als pakistanischer Premierminister zum ersten Mal zu Ende spielen darf. Bis jetzt hat seine Regierung der Bevölkerung ebenfalls erzählt, dass es bei der Kooperation mit China einzig um eine 1500 Kilometer lange Straße geht, die vom Khunjarab-Pass im Norden zum südliche gelegen Gwadar führt, wo die Chinesen schon mit Milliarden von Dollars einen Überseehafen gebaut haben. Zudem hieß es, dass Peking 60 Milliarden Dollar investieren werde und entlang der Straße dereinst Milch und Honig fließen würden.

Doch nach allen Informationen, die durchgesickert und von tapferen, pakistanischen Journalisten veröffentlicht worden sind (mit 120 getöteten Kollegen seit 1990 ist Pakistan für Journalisten das viert gefährlichste Land der Erde), sieht die "gleichberechtigte" Pak-China-Kooperation folgendermaßen aus: Eckpfeiler wie die Agrarwirtschaft werden praktisch in die Hände von chinesischen Firmen gegeben. Große Flächen Land werden an sie verpachtet, um dort "moderne" Formen der Landwirtschaft zu testen und Lebensmittel für den "Export" herzustellen. Dazu kommen riesige Produktionsstätten von Fleisch und Milch.

Auch Kunstdünger, "überlegenes" Saatgut und Traktoren werden unter chinesischer Kontrolle hergestellt. Zu diesem Zweck werden Sonderwirtschaftszonen eingerichtet, kleine Staaten im Staate - mit Steuervorteilen und Sonderrechten. Diese Zonen will China mit eigenen Sicherheitsvorkehrungen gegen Sabotage und Terrorismus schützen. Für all die chinesischen Wirtschaftsinseln werden aber auch neue Straßen und weitere Infrastruktur benötigt. Um diese zu realisieren, muss die pakistanische Seite einen großen Teil der von China zugesagten 60-Milliarden-Kredite verwenden. Davon profitieren wird in erster Linie die chinesische Wirtschaft.

40 Prozent der Pakistaner sind in der Landwirtschaft tätig. Foto: Gilbert Kolonko

Besonderen Druck macht China auch bei der Verlegung von Glasfaserkabeln. Dabei liegt der kommunistischen Volksrepublik weniger das Wohl der Pakistaner am Herzen, sondern ihr eigenes. Bislang verlaufen Chinas Glasfaserkabel für den Internetverkehr mit Afrika über Europa, in Zukunft könnten sie durch Pakistan führen.

An der Küste zum arabischen Meer sollen große Tourismus- und Amüsierorte aus den Boden gestampft werden. Vermutlich etwas, das einer "islamisch" geprägten Mittelklasse und einer "kommunistisch" geprägten entgegenkommt. Dort gibt es dann vielleicht nicht nur billigen chinesischen Fusel in Plastikflaschen - wie seit Jahren überall in Pakistan, wo chinesische Arbeiter auftauchen.

Die zahlreichen Bodenschätze, die wegen Unfähigkeit der pakistanischen Verantwortlichen noch teils mit mittelalterlichen Methoden zutage gefördert werden, übernehmen dann in Zukunft ebenfalls chinesische Firmen. Schon heute führen die Chinesen Regie beim Abbau der riesigen pakistanischen Kohlevorkommen in der südlichen Region Sindh - mit tausenden chinesischen Arbeitern. Die Kraftwerke, die daraus Strom produziert sollen, werden ebenfalls von chinesische Firmen errichtet.

Diesen sind von den pakistanischen Vertragspartnern "gute" Preise zugesagt worden, so dass die Stromrechnung künftig für den pakistanischen Verbraucher bis zu viermal höher ausfallen wird als beispielsweise im Nachbarland Indien. Längst haben die chinesischen Investoren sich Verträge für die anderen Bodenschätze gesichert - auch in der umstrittenen Region Gilgit-Baltistan.

Großer Einkaufsbummel des gelben Riesen

Nicht wenige Kritiker sprechen beim großen Einkaufsbummel des gelben Riesen von einer zweiten Ost-Indien-Company, dessen Vertreter chinesisch sprechen anstatt englisch. Wirtschaftsinteressen haben oberste Priorität und sind der Motor dieses Einheitssystems. Einerlei, ob auf der Verpackung nun "islamische Republik" steht oder "kommunistische Volksrepublik".

China hat es in kurzer Zeit geschafft, 600 Millionen Menschen seiner Bevölkerung aus der materiellen Armut zu holen. Pakistan hofft, von der Geschäftstüchtigkeit des großen Nachbarn profitieren zu können. Der überwiegend gutmütigen Bevölkerung Pakistans, der man höchstens vorwerfen kann, Leid zu klaglos zu ertragen, sei zu gönnen, dass die abfallenden Brotkrümel etwas größer werden.

Die reiche Elite braucht keine Angst haben, dass es ihr an den Kragen geht. Solange sie sich nicht quer stellt, darf sie ruhig im Luxus schwelgen, das nehmen die Chinesen ihren Reichen daheim auch nicht übel - zudem fördert das den Konsum. Die pakistanischen Generäle, die sich noch nicht in die Abhängigkeit des großen brüderlichen Freundes begeben haben, werden sich bald entscheiden müssen, ob sie persönlich etwas vom Wirtschaftskuchen anhaben wollen - oder eben nicht.

30 Jahre lang saudisch gesponserter wahabistischer Unsinn verschwinden nicht von heute auf morgen

Die Bomben werden in Pakistan auch in den nächsten Jahren noch regelmäßig hochgehen: 30 Jahre lang saudisch gesponserter wahabistischer Unsinn verschwinden nicht von heute auf morgen. Aber gewöhnen Sie sich schon Mal an wirtschaftliche Erfolgsnachrichten aus Pakistan - in diesem Monat erreichte die pakistanische Börse ein Allzeithoch. Die Kosten, die das Umweltdesaster dieses schnellen "Wirtschaftswachstum" anrichten wird, lasse ich vorerst mal beiseite: Tomorrow!

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