China schon jetzt Nummer Eins?

Seite 3: Erstaunlich konstruktive Ansätze aus China

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Die Aufgaben der SOZ umfassen Fragen der Sicherheit und der Wirtschaftszusammenarbeit. Um immer genug Geld für das zentralasiatische Großprojekt bereitstellen zu können, gründete die Volksrepublik China im Jahre 2015 die Asiatische Infrastrukturinvestitionsbank.

Von vielen wird dieses neue staatliche Geldhaus als Konkurrenz zum Internationalen Währungsfonds und zur Weltbank gesehen, was die Chinesen erheblich niedriger zu hängen geneigt sind. China hatte die USA eingeladen, sich auch mit Einlagen an der AIIB zu beteiligen, was diese allerdings trotzig ablehnten.

Und so mussten die Amerikaner erleben, dass die Chinesen ihnen ihre besten Freundinnen ausspannen. Angela Merkel zierte sich ebenso wenig wie Theresa May aus Großbritannien, als Einzahler bei der AIIB zu zeichnen.

Die USA sind in dieser Frage vollkommen isoliert. Bereits beim EU-China-Gipfel im Juni 2015 in Brüssel wurde eine "Konnektivitätsplattform" vereinbart: der Ableger der Europäischen Investitionsbank (EIB), der Europäische Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), arbeitet eng mit dem chinesischen Silk Roads Fonds zusammen, um den großen eurasischen Markt der Zukunft zu gestalten.

Und es geht noch weiter: In Peking fand am 12. bis 14. Mai 2017 das Belt and Road Forum statt, an dem 100 Staaten teilnahmen, wobei es sich 29 Staats- und Regierungschefs nicht nehmen ließen, persönlich zu diesem bedeutenden Ereignis zu erscheinen. Für Deutschland war die Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries anwesend. Staatschef Xi Ping stellte 124 Milliarden Dollar für das Projekt in Aussicht.

Das sind erstaunlich konstruktive Ansätze, die in unserer Presselandschaft nicht an die große Glocke gehängt werden. Dabei findet selbst der transatlantische Chefideologe Francis Fukuyama, das ist der, der nach dem Zusammenbruch des Sowjetblocks das Ende der Geschichte auszurufen nicht müde wurde, klare Worte zum chinesischen Entwicklungsmodell:

One Belt, One Road (i.e. Seidenstraße) ist anders (als der amerikanische Ansatz d.A.): Sein Zweck besteht darin, industrielle Kapazitäten und Verbrauchernachfrage in Ländern außerhalb Chinas aufzubauen. Anstatt Rohmaterialien zu verarbeiten, versucht China seine Schwerindustrie in weniger entwickelte Länder zu verschieben, und macht diese dadurch reicher und schafft Nachfrage für chinesische Produkte … Chinas Entwicklungsmodell unterscheidet sich von jenem, das im Westen gerade in Mode ist. Es gründet auf massiven staatlich gelenkten Investitionen in Infrastruktur - Straßen, Häfen, Elektrizität, Eisenbahnen und Flughäfen - die industrielle Entwicklungen befördern.

Francis Fukuyama

Fukuyama, der übrigens auch jener "kaiserlichen" Audienz mit Xi Jinping beiwohnen durfte, die den Artikel einleitete, macht es sich auch wieder passend, damit "sein" Westen doch noch gut wegkommt: Angeblich habe der Westen in der selben Zeit massiv in Gesundheit, Frauenemanzipation, Unterstützung von "Zivilgesellschaften" und in die Bekämpfung der Korruption investiert.

USA: Kopflos gegenüber der chinesischen Variante der Soft Power

Zunächst einmal: Hat Chinas Vorgehen nicht eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Marshallplan, den die USA nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelegt hat? Nach der "kreativen Destruktion" (frei nach dem Soziologen Schumpeter) des Zweiten Weltkriegs hatten die USA Unsummen in den Wiederaufbau Europas und Japans investiert, um für die in der Kriegswirtschaft heiß gelaufene Produktionsmaschine neue Konsumenten mit neuen Produkten zu finden.

Auch die USA hatte den Aufschwung mit internationalen Netzwerkorganisationen sehr klug flankiert: die Ordnung von Bretton Woods 1944 erschuf IWF, Weltbank, UNO und Welthandelsorganisation (früher GATT und jetzt WTO). Was ist also eigentlich dagegen einzuwenden, wenn China den Erfolg der USA nachahmt?

Die USA stehen dieser chinesischen Entwicklung tatsächlich ziemlich kopflos, um nicht zu sagen: feindselig, gegenüber. Bereits unter dem im Nachhinein vor der Verklärung stehenden Barack Obama hatten die USA und ihre Netzwerksysteme der chinesischen Offensive nichts Konstruktives entgegenzusetzen. Postkoloniale Besserwisser-Attitüden nervten die Opfer amerikanischer Weltverbesserung.

Der klarsichtige Mark Leonard beschreibt im oben bereits erwähnten Artikel, warum Ruan Quanli, die chinesische Variante der Soft Power, der sanften Macht, in den meisten Ländern dieser Erde so oft offene Türen einrennt:

Wo amerikanische Diplomaten über Regime Change reden, sprechen ihre chinesischen Kollegen von Respekt vor der Souveränität und Vielfalt der Zivilisationen. Wo die amerikanische Außenpolitik Sanktionen und Isolationsmaßnahmen ins Spiel bringen, um ihre politischen Ziele durchzusetzen, bieten die Chinesen Hilfe und Handel ohne weitere Auflagen. Wo Amerika seine Vorlieben widerstrebenden Verbündeten aufzwingt, zeichnet China sich dadurch aus, dass es zumindest den Anschein erweckt, anderen Völkern zuzuhören.

Mark Leonard

Und jetzt sind die USA mit der unliebsamen Erfahrung konfrontiert, dass schwache Staaten wieder wie im Kalten Krieg zwischen zwei rivalisierenden Mächten auswählen können. Die USA reagieren darauf oftmals ausgesprochen infantil, wie bei der Weigerung, sich an der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank zu beteiligen.