China schon jetzt Nummer Eins?

Seite 4: Was ist los mit den USA?

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Auf eine kohärente chinesische Strategie reagieren die USA häufig mit einfallslosen Störmanövern. Pakistan wird für die Einwilligung des Hafens Gwada mit Drohnenangriffen überzogen. Die USA überziehen Afrika, wo die Chinesen immerhin außer der Reihe mal eben 42 Sportstadien und 52 Krankenhäuser spendiert haben, mit einer Zwangsmilitarisierung durch ihr Militärnetzwerk AFRICOM.

Die betroffenen afrikanischen Staaten müssen alles stehen und liegen lassen, ihr erbärmlich geringes Vermögen für den Ankauf amerikanischer Waffen ausgeben, und an der Seite der raubeinigen GIs in der Wüste nach vermeintlichen Terroristen suchen.

Um die Europäer vom Seidenstraßenprojekt abzuschneiden, binden die USA die Staaten an der russischen Westgrenze immer enger an ihren NATO-Aufmarsch. Der polnischen Regierung werden Versprechungen gemacht, als Führungsnation in einem neuen osteuropäischen Staatenbund namens Intermarium mit den baltischen Staaten und der Ukraine zu einem neuen Großreich aufzuerstehen, wie es bereits der frühere polnische starke Mann, Jozef Pilsudski erträumt hatte.

Die unkooperative Haltung der osteuropäischen Staaten im Umgang mit russischen Pipeline-Vorhaben lassen bezüglich eines Seidenstraßen-Transits nichts Gutes erahnen.

Was ist los mit den USA?

Die USA reagieren vollkommen kopflos. Das wird durch den neuen Chaos-Präsidenten Trump noch offensichtlicher. Zwei Faktoren haben die USA in einen Zustand kollektiver Regression schlüpfen lassen. Zum einen das geschwürartige Wachstum des Militär-Industriellen Komplexes, vor dem dereinst schon der scheidende Präsident Dwight D. Eisenhower gewarnt hatte (vgl. USA: Der militärisch-industrielle Komplex.

Strategiepapiere der amerikanischen Intelligenzzentren lesen sich heutzutage wie Werbetexte für Rüstungsunternehmen. Hier ist wenig Kreativität, und schon gar kein konstruktives Denken zu erwarten.

Zum anderen ist der Staat der USA im Laufe unzähliger Attacken des Marktradikalismus immer handlungsunfähiger geworden. Wo schon die Jünger von Ayn Rand, Friedrich von Hayek, Milton Friedman oder Murray Rothbard ihr Unwesen getrieben haben, zeichnet sich jetzt noch einmal eine Radikalisierung durch Trump, Steve Bannon und dessen Hintermänner ab.

Das wird selbst der immer USA-treuen Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (englisch: German Council on Foreign Relations) zu viel. In einem lesenswerten Kommentar warnt Autor Josef Braml davor, Trumps Chaos-Masche zu unterschätzen.

Dahinter stünden massive Interessen gewisser reicher Leute, den Staat der USA bis auf Militär und Polizei komplett zu zerschlagen. Wenn aber nur noch private Bereicherungsinteressen vorherrschen, und so etwas wie ein übergeordneter Staat als Repräsentant eines Gemeinschaftswillens nicht mehr auffindbar ist, wird sich eben auch keine zusammenhängende Strategie entwickeln, die es in irgendeiner Weise mit dem vor Kraft strotzenden Nationalstaat China aufnehmen könnte.

Da hilft auch nicht die Schlussbetrachtung von Gideon Rachman. Der hält eine Implosion des Hegemons USA nicht für ausgeschlossen. Dann könne man immer noch mit dem Pfund wuchern, dass die USA als Erbe ein Netzwerk hinterlassen habe, und ein internationales Rechtssystem. Well, let’s see …

* Gideon Rachman: Easternisation - War and Peace in the Asian Century. London 2016.
Demnächst auf Deutsch: Gideon Rachman: Asiens Stunde: Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert. Erscheint im November 2017.