China und die Chips
Die Angst der USA, die weltweite Führung zu verlieren - und warum der Handelskrieg mit China zwar einigermaßen hoffnungs-, keinesfalls aber aussichtslos ist
Ohne Halbleiter scheint die Welt heutzutage nicht mehr zu funktionieren. Die Tatsache, dass sich die Entwicklung und Produktion von Halbleitern inzwischen global äußerst arbeitsteilig entwickelt hat, wurde in der Vergangenheit auch als Absicherung eines weltweiten Friedens betrachtet. Länder, die Teil der Silicon-Lieferkette sind, konnten die vergangenen Jahre weitestgehend in Frieden überdauern.
Nachdem sich China als weltweit größter Hersteller von Consumer Electronics durchgesetzt hatte, wollte man dort die Fertigungstiefe erhöhen und hat sukzessive in verschiedenen Ebenen der Chip-Produktion investiert. Was man im Land noch nicht herstellen konnte, hat man auf dem Weltmarkt eingekauft. Zu den Gewinnern dieser Entwicklung zählte nicht zuletzt die Foundry TMSC auf Taiwan.
Die internationale Arbeitsteilung hat über lange Zeit erfreulich gut funktioniert. Die Überlegungen von US-Präsident Bush, die Importe aus China zu drosseln, verliefen bald im Sand. Sand ins Getriebe kam dann unter Präsident Trump, der im Rahmen seiner Maßnahmen die Erfolgsgeschichte der Chinesen ausbremsen wollte und damit die Lieferketten in Unordnung stürzte.
Die Drohung, China nicht mehr mit Chips zu beliefern, führte dazu, dass chinesische Investoren den Markt leer kauften. Ein Effekt, der in der auf just-in-time-Lieferungen optimierte Industrie zu massiven Ausfällen führte - mit Spätfolgen: So müssen deutsche Fahrzeughersteller wegen akutem Chip-Mangel immer wieder ihre Produktion einstellen.
Die globale Arbeitsteilung der Chip-Industrie
Eine aktuelle Studie der Stiftung Neue Verantwortung zum Thema "Chinas Halbleiterindustrie: Strategische Dimensionen und Schlussfolgerungen" hat die aktuelle Situation der internationalen Arbeitsteilung auf den einzelnen Ebenen der Chip-Wertschöpfungskette und die Bedeutung der chinesischen Ambitionen in diesem Zusammenhang herausgearbeitet.
Sie zeigt, wie die Verflechtung der Lieferketten über unterschiedliche Regionen weltweit zu gegenseitigen Abhängigkeiten führt, die vorrangig die USA - und in zunehmendem Maße auch die Staaten der EU - zu stören scheinen.
In diesem Zusammenhang hat die EU den Aufbau einer EU-Chip-Foundry angeregt und versucht verschiedene Hersteller dafür zu gewinnen, in der EU in eine neue Foundry zu investieren. Damit eine solche im Wettbewerb bestehen könnte, müsste nicht nur der Bau, sondern auch der laufende Betrieb in einer Höhe subventioniert werden, die derzeit nicht zulässig wäre.
Davon abgesehen, scheint der Aufbau einer solchen Foundry nicht trivial zu sein. So wird über den als Investor angesprochenen US-amerikanischen Intel-Konzern inzwischen berichtet, dass man Global-Foundries übernehmen wolle, die u.a. in Dresden eine Fertigung betreiben, die letztlich auf eine Entscheidung der ehemaligen Regierung der DDR zurückgeht.
Die Ambitionen der chinesischen Regierung, sukzessive im Bereich der Technik nicht nur aufzuholen, sondern die klassischen Industriestaaten zu überholen, sorgt hier zunehmend für Unbehagen, nicht zuletzt, weil man befürchtet, dass China nicht nur bei der Technik selbst, sondern auch bei der internationalen Normung zunehmend an Bedeutung gewinnt und es zunehmend schwieriger wird, hier gegenzuhalten.
Der von den USA ausgelöste Krieg gegen Huawei geht nicht zuletzt auf die Ambitionen des chinesischen Konzerns im Bereich der internationalen Normengestaltung zurück. Zumindest im Smartphone-Hardware-Bereich scheint die Kriegserklärung der USA gegen Huawei derzeit noch Vorteile zu versprechen, auch wenn dadurch kein einziger Arbeitsplatz in den USA gewonnen wurde.
Welche Auswirkungen die Entscheidung Huaweis haben könnte, seine Tochter Honor an chinesische Investoren abzutreten und das eigene Interesse aus dem Bereich der Smartphone-Hardware in den Bereich der Betriebssysteme zu verlagern, wird die Zukunft zeigen.
Chinas Chip-Aufholjagd kommt ins Stottern
Unter dem Motto "Made in China 2025 " beabsichtigt die Volksrepublik China die einheimische Industrie im Bereich der Chip-Entwicklung und Produktion nach vorne zu bringen. Die Rolle Chinas in den acht Stufen der Chip-Wertschöpfungskette, vom Chip-Design über die Herstellung von Silizium-Wafern bis zu Montage, Prüfung und Verpackung wird weiter zunehmen, auch wenn der Westen immer wieder versucht, das zu verhindern.
Dass die Entwicklung in China nicht immer so elegant läuft, wie von der Partei erhofft, sollte jetzt keine Überraschung sein. Wer beispielsweise annimmt, dass die Insolvenz der Tsinghua Unigroup, deren Namensgeber bislang die Tsinghua Universität in Beijing ist, die Regierung veranlassen würde, ihre Ziele zu revidieren, sollte sich nicht wundern, wenn das Land aus den Fehlern lernt, die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht und einen neuen Anlauf unternimmt.
Die Idee, Know how von TMSC auf Taiwan abzuwerben, war offensichtlich nur in Bezug auf die Personal-Abwanderung erfolgreich, nicht jedoch bei der Migration von Wissen. Das mag damit zu tun haben, dass dort auch zahlreiche Mitarbeiter beschäftigt sind, die aus anderen Ländern zugewandert und keine Chinesen sind. Hier kommt zum Tragen, dass es Taiwan bislang noch nicht gelungen ist, ausreichend einheimisches Personal auszubilden und man weiterhin auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen ist. Im Falle einer Annektion durch Beijing wäre dieses Personal verloren.
Warum es keine gewaltsame Übernahme Taiwans geben wird
Die politische Rhetorik zu einer angestrebten Wiedervereinigung Chinas und Taiwans sowie die zunehmende Aufrüstung des Landes wird meist dahin gehend interpretiert, dass die Ambitionen von "Mainland China" die technologische Entwicklung der alten Industriestaaten bedrohen würde und man daher mit militärischer Präsenz und Beistandspakten die Chip-Quelle auf Taiwan sichern müsse.
Solange China nicht sicher sein kann, in dem Konflikt als Sieger hervorzugehen, ist nicht damit zu rechnen, dass es eine gewaltsame Übernahme Taiwans geben wird. Das Risiko besteht eher darin, dass TMSC beispielsweise von den USA gedrängt wird, zumindest Teile seiner Fertigungskapazitäten von Taiwan in andere Länder zu verlagern.
Mit einer solchen Verlagerung würde jedoch die Wertschöpfung auf der Insel und letztlich die strategische Bedeutung Taiwans reduziert. Solange Taiwan ein wichtiger Baustein der internationalen Lieferketten ist, steht auch die Unabhängigkeit des Landes nicht wirklich zur Disposition.