Chinas Griff nach dem deutschen Strom

Chinesische Konzerne haben erst deutsche Maschinen und dann die Maschinenbauer und ihr Know-how gekauft. Jetzt folgt das chinesische Interesse an deutscher Infrastruktur

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Das chinesische Interesse stößt hierzulande auf offene Ohren, da es in der Folge der Energiewende beim nun notwendigen Netzausbau kräftig knarzt und die Netzbetreiber händeringend nach einer Kapitalspritze suchen. Aufgrund der Regulierung durch die Bundesnetzagentur liegen die im deutschen Netzbetrieb erzielbaren Kapital-Renditen bislang nur im einstelligen Prozentbereich. Für Investoren mit Know-how im Energiebereich sind das Peanuts (im Vergleich zu den bisher bei Großkraftwerken üblichen Renditen von bis zu 30% und den beachtlichen Verdienstmöglichkeiten im Stromhandel). Auch die Idee, Teile des benötigten Kapitals bei Bürgern einzusammeln, die in der Nähe einer geplanten Netztrasse wohnen, scheint nicht gerade auf besonders großes Interesse zu stoßen.

Für den 2002 gegründeten staatlichen Energiekonzern State Grid Corporation of China (SGCC), der als Netzbetreiber aus der State Power Corporation of China herausgelöst wurde, und seine in Hongkong angesiedelte Tochter State Grid International Development Ltd. scheint der deutsche Markt von Interesse. Nicht zuletzt dürfte ein Engagement in Deutschland in den nächsten Jahren eine höhere Rendite zu versprechen, als der chinesische Heimatmarkt. Auslandserfahrungen hat der Konzern schon in Brasilien (über die State Grid Brazil Holding SA), Portugal (mit einem 25%-Anteil an der Redes Energéticas Nacionais SGPS, S.A.) und zahlreichen weiteren Beteiligungen sammeln können.

In der Liste der Fortune Global 500 findet sich SGCC seit 2011 auf Rang sieben wieder. Da der Konzern in China schon knapp 90% der Staatsfläche versorgt, gibt es im Heimatmarkt kaum Möglichkeiten für ein Wachstum, welches das allgemeine Wirtschaftswachstum des Landes übersteigt. Mit seinem 20%-Anteil an der China Guangfa Bank expandierte man schon wenige Jahre nach der Unternehmensgründung in den Bankenbereich.

Anstelle der Investition in US-amerikanische Staatsanleihen drängt die chinesische Regierung inzwischen offensichtlich zu Anlagen in ausländische Infrastruktur. So hat sich in Portugal inzwischen mit dem Stromerzeuger China Three Gorges Corporation ein weiterer chinesischer Energiekonzern eingekauft. Das Objekt der Begierde war in diesem Fall die Energias de Portugal (EDP) und deren Tochter EDP Renovaveis.

Im Zusammenhang mit dem Auslaufen der Versorgungskonzession in Berlin und den Netzkaufambitionen in Hamburg, die dem schwedischen Vattenfall-Konzern den Netzbetrieb in Deutschland vergällen, wurde das im Rahmen einer Konferenzteilnahme in Berlin geäußerte Absicht für das Berliner Netz mit zu bieten mit Interesse registriert. Ob State Grid letztlich für das Berliner Stromnetz bietet, scheint jedoch noch offen zu sein.

Im Berliner Tagesspiegel wurden Brancheninsidern kolportiert, die die Ansicht vertraten, der chinesische Staatskonzern habe sich nur beworben, um bei einem Betreiber "Fachwissen abgreifen" zu können. Fachwissen im Bereich des deutschen Netzbetriebs hatte sich State Grid in der Vergangenheit jedoch schon durch die Zusammenarbeit mit der deutschen staatlichen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ) in Eschborn zulegen können. In Frankfurt hat sich State Grid auch ein lokales deutsches Büro zu gelegt und greift, wie die Kanzlei von Westphalen meldet, auch bei Investitionen in Afrika auf rechtliche Beratung aus Deutschland zurück.

Wie man Netzbetriebskosten reduzieren kann, zeigen chinesische Unternehmen seit geraumer Zeit im Bereich der helvetischen Telekommunikationsnetze. Statt für viel Geld Schweizer Mitarbeiter einzustellen, hatte man dort offensichtlich begonnen, chinesische Fachkräfte einzufliegen, die keine Arbeitserlaubnis für die Schweiz hatten. Dass sich auf diesem Wege die Kosten für einen Netzausbau reduzieren lassen, dürfte außer Frage stehen.

Auch wenn State Grid bei der für kommendes Jahr in Berlin vorgesehenen Stromnetzvergabe nicht zum Zuge kommen sollte, ist damit zu rechen, dass ein Einstieg chinesischer Investoren in die deutsche Energie-Infrastruktur mittelfristig kaum zu verhindern sein dürfte. Die hoch verschuldeten deutschen Stromkonzerne verfügen im Gegensatz zu früheren Jahren nicht mehr über die notwendigen finanziellen Ressourcen, um die Herausforderungen der Energiewende alleine zu meistern.

China hingegen sitzt auf gewaltigen Mengen an Devisen und such nach neuen Anlagemöglichkeiten außerhalb der USA. Somit ist ein chinesischer Griff nach der deutschen Netz-Infrastruktur ein durchaus logischer Schritt, dem möglicherweise auch Schritte in den Kraftwerksbereich folgen, der ja bei manchen Stromversorgern auch zur Disposition zu stehen scheint. Die politisch geforderte Realisierung der Smart Grids eröffnet zusätzliche Geschäftsfelder für chinesische Anbieter.

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