Comeback für Hund und Hase
JoWooD bringt die Adventure-Serie "Sam & Max Season One" für die Wii
Vor ein paar Jahren schien die Ära des Point-And-Click-Adventures endgültig vorüber, doch seit einiger Zeit erlebt es eine Renaissance. Nun erscheinen die Abenteuer der Comic-Figuren Sam & Max erstmals für Nintendos Wii. Ihren ersten Videospielauftritt hatten die freischaffenden Polizisten im Stil von Film-Noir-Detektiven 1993 im LucasArts-Titel „Sam & Max Hit the Road“. Mit einer 2006 erschienenen sechsteiligen Serie gehören sie zu den Pionieren der episodischen Video Games.
Am Anfang war ein Comic, ganz am Anfang eigentlich eine vom kleinen Dave gezeichnete Bildergeschichte, die dessen Bruder Steve Purcell parodierte. Der erste kommerziell gedruckte Comic mit dem Hund Sam und dem Hasen – genauer kaninchenähnlichem Etwas – Max, die sehr menschlich sind und gerne ihre eigenen Namen miteinander verwechseln, erschien schließlich Ende der achtziger Jahre, kurz bevor eben jener Steve Purcell bei Lucas Arts, die damals noch Lucasfilm Games hießen, anheuerte. Dort arbeitete er an diversen Adventure-Klassikern wie Zak McKracken, The Secret of Monkey Island und Maniac Mansion: The Day of the Tentacle mit. Zur Entwicklung der Adventures verwendete LucasArts damals die SCUMM-Engine (Script Creation Utility for Maniac Mansion). Purcell setzte seine tierischen Comicfiguren zunächst als Übungsmaterial für SCUMM-Neulinge um und veröffentlichte Kurzcomics im Kunden-Newsletter „The Adventurer“.
Mit „Sam & Max Hit the Road“ bekam die Freelance Police 1993 schließlich ihr eigenes Adventure in der Art eines abgedrehten Road Movies. Dank der liebevoll umgesetzten Figuren, die den Charme der Comics weitgehend herüber brachten, und der witzigen Story gehört das Spiel zu den Größen des Point-And-Click-Adventure-Genres, das Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre seine stärkste Zeit hatte. Im Jahr 2002 kündigte LucasArts schließlich einen Nachfolger an, der schlicht Sam & Max: Freelance Police heißen sollte, stoppte das Projekt aber abrupt unter Berufung auf die Marktsituation. Offensichtlich lohnten sich diese Adventures eben nicht mehr für die Firma. Ein Jahr zuvor war bereits ein ambitioniertes Projekt für die Xbox gescheitert, weil der von LucasArts-Mitarbeitern gegründete Firma Infinite Machine vorzeitig das Geld ausging.
Die Reaktion der Fans auf die Einstellung von „Sam & Max: Freelance Police“ führte laut einer Pressemeldung zur Gründung von Telltale Games, dessen Gründungsteam ebenfalls aus LucasArts kam:
When Sam and Max Freelance Police, was abruptly cancelled last March, we were moved by the groundswell of support from the fan community including an online petition to continue the development of the game.
Dan Connors, CEO von Telltale Games
Das Comeback von Sam & Max startete zunächst erneut in der ursprünglichen Comicform, diesmal zeitgemäß als interaktiver Web-Comic – das Thema: Ihre voreilige Beerdigung und Wiederauferstehung. Im Herbst 2006 erscheint dann schließlich mit dem Titel „Sam & Max: Culture Shock“ die erste Episode der Adventure-Serie.
Das episodische Konzept verhält sich zu klassischen Adventure-Spielen ähnlich wie Fernsehserien zu Filmen. Die einzelnen Folgen haben eine in sich abgeschlossene Handlung, bauen aber aufeinander auf. So tauchen immer wieder Referenzen auf früher Episoden auf und insgesamt läuft ein roter Faden durch alle sechs Folgen der ersten Staffel. Steve Purcell selbst steht in einem Interview, das auf Adventure Classic Gaming erschienen ist , dem Konzept äußerst positiv gegenüber:
Years ago when I worked on adventure games that had thirty or forty hours of game play, we would joke, “Why even design the last third of the game? No one will play all the way through anyway.” I like that the Telltale Sam & Max games arrive in small doses.
Steve Purcell
Analog zu TV-Serien erschienen auch die einzelnen Episoden mit einem zeitlichen Abstand. Jeden Monat kam eine neue Folge heraus, die jeweils 8,95 $ kostet. Alternativ konnten Interessierte für alle sechs Folgen im Vorfeld 34,95 $ bezahlen. Inzwischen ist der Staffelpreis reduziert. Bereits 2007 erschien zudem auch in Deutschland eine DVD-ROM mit der ersten Staffel für Windows-PCs.
Neben dem PC eignen sich Nintendos Wii und DS aufgrund der Eingabemethoden gut für Point-And-Click Adventures, da sowohl die Wii Mote als der Touch Pen die für das Zeigen und Klicken verwendete Maus leicht ersetzen. Ende März portierte Ubisoft den Klassiker Baphomets Fluch als erweiterten sogenannten Director’s Cut auf Wii und DS, Deep Silver veröffentlichte die Geheimakte-Adventures ebenfalls für Nintendos Konsolen. Auch Telltale Games hatte bereits Wii-Erfahrung mit CSI: Crime Scene Investigations und den Wii-Ware-Episoden Strong Bad's Cool Game for Attractive People.
„Sam & Max – Season One“ erlaubt dem Spieler den freien Zugang zu allen sechs Episoden, er muss also nicht eine beenden, um die nächste zu starten. Wegen des gemeinsamen unterliegenden Handlungsstrangs und der Referenzen auf ältere Folgen, ist aber die geordnete Reihenfolge die einzig wirklich sinnvolle. Auch schränkt die erste Folge den Spieler zunächst auf das Büro der beiden freischaffenden Polizisten ein und vereinfacht so den Einstieg ins Spiel. Der ist allerdings ohnehin für jeden, der jemals ein Point-And-Click-Adventure gespielt hat – und vermutlich auch für Genre-Neulinge – extrem leicht.
Die Steuerung erfolgt ausschließlich mit der Wii Mote. Zum Bewegen zeigt der Spieler auf die Zielposition und drückt den A-Knopf. Richtet der Spieler die Mote auf ein Lebewesen – Person wäre in diesem Spiel zu eng gefasst – oder einen Gegenstand, mit dem er in irgendeiner Weise interagieren kann, verändert sich der Zeiger auf dem Bildschirm und eine Beschreibung erscheint. Die Interaktion ist fast zu einfach, da jeder Klick auf den A-Knopf automatisch die passende Aktion auslöst, die Software also dem Spieler die Entscheidung abnimmt, ob er etwas öffnet, untersucht, nimmt oder benutzt beziehungsweise mit jemandem redet.
Die Rätsel sind wie in klassischen Point-And-Click-Adventures aufgebaut. Im Wesentlichen geht es darum, die passenden Aktionen herauszufinden und zu entdecken, welche Gegenstände an welcher Stelle verwendet werden müssen. Die Lösungen sind im Vergleich zu den Klassikern durchweg leicht, erfordern aber stets eine ausreichende Kombinationsgabe. Telltale Games hat glücklicherweise der Versuchung widerstanden, die Schwierigkeit durch unlogische Kombinationen, winzige Gegenstände oder zu große Gebiete künstlich zu erhöhen. Alle Rätsel sind logisch aufgebaut, die Kombinationen teils – zum Szenario passend – abgedreht, aber dabei immer schlüssig.
Dem Genre ist eigen, dass Adventures linear aufgebaut sind. Der Spieler folgt dem Verlauf, den ihm die Entwickler vorgegeben haben. Gerade daher ist die erzählte Geschichte neben den zu lösenden Rätseln ein entscheidender Qualitätsfaktor. Alle Episoden von „Sam & Max – Season One“ haben witzige Storys, die den Charme der Comics ausgezeichnet transportieren. Wer die gedruckten Geschichten kennt, wird viele Details in den Bildern und Dialogreferenzen wieder finden.
Die Kenntnis der Comics und des LucasArts-Adventures erhöht den Spaß an der Geschichte und den Dialogen. Sie ist allerdings keine Voraussetzung das Spiel genießen zu können, solange man sich auf den Humor einlässt. Vermutlich werden viele, die seinerzeit „Sam & Max Hit the Road“ gespielt haben, die Comics erst im Nachhinein entdeckt haben. Besondere Zielscheibe des Humors ist die amerikanische Kultur. Dank deren Einfluss auf die deutsche funktionieren die Anspielungen inzwischen hier fast besser als beim LucasArts-Klassiker. Die Fernsehsendungen, die der zweite Teil der Serie parodiert, gibt es ähnlich auch im deutschen TV. Ein Beispiel: „American Idol“, das Vorbild von DSDS, wird im Spiel zu „Embarrassing Idol“, das Mikro für die in derlei Sendungen gerne diskriminierten Bewerber steht auf einem Pool mit Säure, indem zu allem Überfluss ein Hai seine Runden dreht.
Die Geschichten führen den Spieler unter anderem zur Spielzeug-Mafia, ins Weiße Haus und auf den Information Highway. Das Büro und dessen Nachbarschaft ist Teil aller sechs Episoden, verändert sich aber von Folge zu Folge. Bosco, der Verkäufer des „Inconvenient Store“ maskiert sich stets neu – und stets schlecht. Sybil, die Besitzerin eines Geschäftsraums am Eck, wechselt gleich in jeder Folge ihren Job – mal ist sie Therapeutin, mal professionelle Zeugin – und erklärt jedes Mal neu, warum sie nun ihre wahre Berufung gefunden habe. Ebenfalls Bestandteil aller sechs Episoden ist der Wagen, den die beiden auch im Comic fahren: Ein DeSoto Adventurer.
Trotz einer insgesamt guten Synchronisation funktioniert das Spiel wegen des Wortwitzes am besten in der Originalsprache – wozu der Konsolenbesitzer allerdings seine Wii im Systemmenü auf Englisch stellen muss. Einige Rätsel funktionieren zudem beispielsweise aufgrund der Doppeldeutigkeit von Ausdrücken nur im Englischen richtig. So fand schon der „red herring“ in „Monkey Island“ keine standesgemäße Übersetzung.
Weit weniger erfreulich als der Inhalt ist die Präsentation, die technische Umsetzung des Spiels auf der Wii. Verzögerungen beim Laden – auch innerhalb von Szenen – gelegentliches Ruckeln und teils Stottern oder Verschlucken bei der Sprachausgabe schmälern den Genuss von Story und Gags. Das Spiel läuft in etwa so wie ein Programm auf einem PC, der im Hintergrund zu viele andere Aufgaben erledigt. Ein Problem, das auf Konsolen nicht vorkommen darf – erst recht nicht bei einer Grafik, die zwar nett ist, aber auch für Wii-Verhältnisse im Mittelfeld liegt und eigentlich keine zu hohen Ansprüche an das System haben dürfte. Telltale Games ist das Problem allerdings laut eigener Aussage bekannt und will es bei künftigen Wii-DVDs beheben.
„Sam & Max – Season One“ ist eine inhaltlich gelungene Sammlung witziger Geschichten und gut ausgearbeiteter Charaktere. Die Rätsel sind einen Tick zu leicht, aber vielleicht genau das richtige Maß für Neueinsteiger ins Genre. Ein Großteil des Spielspaßes lag auch bei den Adventuren der späten achtziger Jahre vor allem in der humorvollen Geschichte. „Monkey Island“, Maniac Mansion, Leisure Suit Larry – solange Al Lowe noch dafür verantwortlich war – und natürlich „Sam & Max: Hit the Road“ hatten das gewisse Etwas. Genau das hat auch „Sam & Max – Season One“. Hier zahlt sich aus, dass viele Team-Mitglieder bereits bei LucasArts die passende Erfahrung dazu gesammelt haben. Die technischen Probleme der Wii-Umsetzung des Spiels stören allerdings so sehr, dass jeder, der neben der Konsole auch einen Rechner zum Spielen hat, eher zur PC-Version greifen sollte.
Im Juli startet Telltale Games die nächste Serie auf Basis eines großen LucasArts-Brands: Tales of Monkey Island verwendet ebenfalls das episodische Prinzip. Am Projekt arbeiten wiederum viele, die an den LucasArts-Spielen beteiligt waren, auch die Sprecher der Hauptpersonen. Die Cover-Grafik gestaltete Steve Purcell. An den Folgen dürften auch Wii-Besitzer mehr Freude haben, da die Serie über WiiWare vertrieben wird – so wie „Strong Bad's Cool Game for Attractive People“, das nicht die technischen Probleme der Sam-And-Max-DVD hat.
Ebenfalls noch für dieses Jahr hat LucasArts selbst die Neuauflage des ersten "Monkey-Island"-Titels angekündigt. Darüber hinaus gibt es bereits seit längerer Zeit diverse Fan-Projekte, darunter Fortsetzungen zu Day oft he Tentacle und Zak McKracken, das bereits vor einem Jahr erschien.