Corona: Impf-Aktionswoche mit Fragezeichen

Mit einer neuen Kampagne will die Bundesregierung die Impfquote nach oben drücken. Dabei gibt es teils erhebliche Unstimmigkeiten

Im Zuge der neuen Corona-Impfkampagne hat nun auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) die Bevölkerung aufgerufen, sich eines der in der EU zugelassenen Vakzine verabreichen zu lassen. Nach Angaben der Bundesregierung sind bislang 62,2 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Führend bei der Impfkampagne sind Bremen (76,8 Prozent) und das Saarland (72,5 Prozent), die Schlusslichter bilden Sachsen (56,2 Prozent) und Thüringen (59 Prozent).

Die Bundesregierung setzt in dieser Situation weiterhin auf die Durchimpfung der Bevölkerung - und befindet sich damit im europäischen Trend. Hoffnung gibt angesichts einer viel beschworenen vierten Infektionswelle etwa das Beispiel Dänemark.

In dem skandinavischen Land wurden bereits über 74 der Bevölkerung vollständig durchgeimpft. Und während sich in Deutschland die Debatte über neue Lockdowns hartnäckig hält, wurden in Dänemark unlängst alle einschränkenden Infektionsschutzmaßnahmen zurückgenommen.

Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP appellierte Ministerin Karliczek zum Start der bundesweiten Aktionswoche an die Menschen. "In dieser Woche sollten sich alle die, die sich bisher nicht haben impfen lassen, einen Ruck geben", zitiert sie die Agentur.

Sie wolle daran erinnern, fügte die CDU-Politikerin an, "dass eine hohe Impfquote jetzt auf besondere Weise unseren Kindern nützt", denn "ihre Gesundheit ist umso besser geschützt, je mehr Jugendliche und Erwachsene sich impfen lassen".

Karliczek bezog sich damit auf die Gruppe der Kinder bis zwölf Jahre. Für Kinder und Jugendliche ab dem zwölften Lebensjahr hatte die Ständige Impfkommission vor wenigen Wochen nach längerem Zögern eine Impfempfehlung ausgesprochen.

Unklar blieb dabei aber, inwieweit der zuletzt massive Druck von politischer Seite das Gremium beeinflusst hat, wie der Mediziner und Telepolis-Autor Klaus-Dieter Kolenda berichtete.

Intervention von Bildungsministerin Karliczek wirft Fragen auf

Auch Karliczeks Aufruf lässt in dieser Hinsicht sachliche Klarheit missen.

  • Geht die Bildungsministerin davon aus, dass Kinder und Jugendliche per se mit einer Impfung geschützt werden müssen, um nicht zu erkranken?
  • Oder bezieht sie sich auf den sozialen Aspekt und strebt einen möglichst flächendeckenden Präsenzunterricht an?
  • Oder aber will sie Kinder und Jugendliche in die Impfkampagne einbeziehen, um andere vulnerable Bevölkerungsgruppen zu schützen?

Karliczek sagte dazu: "Eine hohe Impfquote wird auch dazu beitragen, dass die Schule in den nächsten Monaten weiter normal laufen kann. Wir alle können und sollten dazu beitragen, die Zeit der Unsicherheit an den Schulen endgültig zu überwinden." Das stimmt ohne Zweifel, zumal die Krankenkasse DAK in einer Großstudie gerade erst die gesundheitlichen Folgen der Lockdowns für Kinder beschrieben hat.

Im AFP-Interview warf die Christdemokratin umgehend auch aber wieder Fragen auf. Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren "können aktiv dazu beitragen, dass wir das allgemeine Infektionsgeschehen in den Griff bekommen".

Kinder und Jugendliche ohne unmittelbare medizinische Notwendigkeit impfen, um andere Menschen zu schützen? Also eine Impfung rechtlich nicht mündiger Minderjähriger zum Fremdschutz?

Karliczek begibt sich damit nicht nur medizinethisch auf dünnes Eis. Sie ignoriert auch zunehmende Erkenntnisse, nach denen Geimpfte weiter Virusträger sind, eine sogenannte sterile Immunität also nicht gewährleistet werden kann.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, betonte, dass auch bei den Kinder- und Jugendimpfungen vor allem besonders gefährdete Minderjährige profitieren.

Auch mit Blick auf eine angestrebte Zulassung etwa des Biontech/Pfizer-Impfstoffes für Kinder zwischen fünf und elf Jahren müsse die Ständige Impfkommission – wie zuvor bei den zwölf- bis 17-Jährigen – erst einmal für die Gruppe der Risikopatientinnen und -patienten eine Entscheidung treffen. Das Risiko müsse auch angesichts etwaiger unerwarteter Nebenwirkungen gegen den Nutzen des Impfschutzes abgewogen werden.

Impfstoff für Kinder ab fünf Jahren wird vorbereitet

Nach Angaben des Arzneimittelunternehmens Biontech sollen die Forschungsdaten für eine mögliche Impfung von Fünf- bis Elfjährige mit dem eigenen mRNA-Impfstoff bis zum Ende dieses Monats vorliegen.

Im Interview mit dem Boulevardblatt Bild am Sonntag sagten die Biontech-Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci, die Dosis für diese Altersgruppe werde voraussichtlich bei zehn Mikrogramm liegen.

Das entspricht einem Drittel der Dosis, die bereits für Erwachsene zugelassen ist. Daten für noch jüngere Kinder – also vom Säuglingsalter bis fünf Jahre – erwartet das Unternehmerpaar bis Ende des Jahres.

Das Mainzer Unternehmen hatte am Freitag angekündigt, seinen Corona-Impfstoff binnen weniger Wochen für Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren zu beantragen. Demnach liegen die Studiendaten vor, müssen aber noch für die Prüfung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (Ema) aufbereitet werden.

Ein Zeitrahmen für die Zulassung ist nicht bekannt, Biontech bereitet die Produktion nach eigenen Angaben aber schon vor.

In der Altersgruppe der zwölf bis 17 Jahre alten Kinder und Jugendlichen ist bislang ein Viertel geimpft. Das geht aus Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums vom Freitag hervor. 35,9 Prozent in dieser Altersgruppe haben demnach mindestens eine Impfung bekommen.

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