Corona-Pandemie: Wirksamkeit von Ivermectin und Vitamin D nicht belegt

Seite 2: Vitamin D

Im Abschnitt "Supportive Therapie" habe ich mich im Telepolis-Artikel vom März 20216 ebenfalls mit Vitamin D und Covid-19 beschäftigt und festgestellt, dass es Hinweise auf eine Verminderung des Risikos für Intensivpflichtigkeit von Patienten unter Vitamin D-Substitution und Hinweise auf eine reduzierte Sterblichkeit bei dieser Patientengruppe gibt. Wohlgemerkt Hinweise, aber leider keine Beweise.

Deshalb war ich zu folgender Bewertung von Vitamin D gekommen: Es sollte eine Substitution aller Hypovitaminosen bei Patienten mit nachgewiesenem oder vermutetem Vitamin-D-Mangel erfolgen, bei denen ein erhöhtes Risiko für Covid-19 besteht oder bereits eine Covid-19-Erkrankung vorliegt.

Weiterhin sollte bei kritisch kranken Patienten eine Substitution bei nachgewiesenem Vitamin D-Defizit (gleich/kleiner als 30 nmol/l) entsprechend Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie sowie den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin erfolgen.

Was sagen die aktuellen Cochrane-Daten zu dieser Frage? Cochrane ist ein globales, unabhängiges Forschungsnetzwerk, das sich dafür einsetzt, dass Entscheidungen zu Gesundheitsfragen weltweit auf Basis hochwertiger, relevanter und aktueller wissenschaftlicher Evidenz getroffen werden. Cochrane Deutschland ist die deutsche Repräsentanz dieses internationalen Netzwerks.

Cochrane erstellt wissenschaftliche Reviews, um Entscheidungstragenden dabei zu helfen, auf die neue Covid-19-Pandemie zu reagieren. Im Mai 2021 wurde die erste Version eines Living Systematic Reviews zu den Effekten von Vitamin D-Supplementierung bei Covid-19 veröffentlicht, die bisher nicht aktualisiert werden musste.

In diesem hörenswerten Podcast spricht Vanessa Piechotta von der Uniklinik Köln in Deutschland mit ihrer Kollegin Julia Stroehlein, der Erstautorin des Reviews, über die möglichen Effekte von Vitamin D bei Covid-19 und die Evidenz, die ihre Forschungsgruppe gefunden haben.

In dem dazu gehörigen Review-Artikel7 wird über drei Studien mit 356 Teilnehmern berichtet, auf die die Autorinnen und Autoren ihre Aussagen im Wesentlichen stützen. Eine Studie fand in Brasilien und die anderen beiden in Spanien statt.

Zwei Studien hatten Teilnehmer mit schwerem Covid-19 und eine solche mit leichtem Covid-19 oder ohne Symptome eingeschlossen. Alle Teilnehmer waren vor Beginn der Studie mit einem PCR-Test positiv getestet worden.

Die Teilnehmer der Studien erhielten dann verschiedene Dosen von Vitamin D. Nur in zwei Studien war bei ihnen ein Vitamin D-Mangel festgestellt worden. In den anderen Studien war keine Angabe über den Vitamin D-Status der Teilnehmer zu finden.

Todesfälle: Das Review kann die Frage nicht beantworten, ob Vitamin D hilft, Todesfälle durch Covid-19 zu verhindern. Zwei Studien (bei Teilnehmern mit schwerem Covid-19) lieferten Hinweise auf Todesfälle (aus irgendeinem Grund). In einer Studie wurde über keine Todesfälle bei den 50 Teilnehmern, die zusätzlich Vitamin D erhalten hatten, berichtet, aber über zwei Todesfälle bei den 26 Teilnehmern, die die übliche Covid-19-Behandlung (ohne Vitamin D) im Krankenhaus erhielten. Eine andere Studie berichtete über neun Todesfälle bei 119 Teilnehmern, die Vitamin D erhalten hatten, und sechs Todesfälle bei den 118 Teilnehmern, die Placebo erhielten. Diese Studien unterschieden sich zu sehr voneinander, um Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen ziehen zu können.

Zustand des Patienten: Vitamin D könnte die Notwendigkeit für Patienten reduzieren, an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden zu müssen, aber die Beweise dafür sind unsicher. In einer Studie (bei Teilnehmern mit schwerem Covid-19) wurde berichtet, dass neun von 119 Teilnehmern, die Vitamin D erhielten, und 17 von 118, die ein Placebo erhielten, an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden mussten.

Unerwünschte Wirkungen: Ob Vitamin D unerwünschte Wirkungen, d. h. Nebenwirkungen, verursacht, ist aus den Studien nicht abzuleiten. Nur in einer Studie (bei Teilnehmern mit schwerem Covid-19) wurden Angaben dazu gemacht und berichtet, dass bei einem von 119 Teilnehmern kurz nach der Verabreichung von Vitamin D Erbrechen aufgetreten war.

Lebensqualität: Keine der Studien untersuchte die Lebensqualität an Hand entsprechender Parameter.

Das Fazit des Reviews lautet, dass es derzeit keine ausreichende Evidenz gebe, um Nutzen und Schaden einer Vitamin-D-Supplementierung zur Behandlung von Covid-19 sicher einzuschätzen. Die Evidenz für die Wirksamkeit einer Vitamin D-Supplementierung zur Behandlung von Covid-19 sei sehr ungewiss. Darüber hinaus gebe es nur begrenzte Informationen zur Sicherheit der Behandlung mit Vitamin D.

Aus diesen Gründen möchte ich, auch in Übereinstimmung mit den von Cofriin ( veröffentlichten Daten (Stand: 26.11.2021), beim Thema Vitamin D und Covid-19 weiterhin für das folgende Vorgehen plädieren:

  • Substitution aller Hypovitaminosen bei Patienten mit nachgewiesenem oder vermutetem Mangel, bei denen ein erhöhtes Risiko für Covid-19 besteht oder bereits eine Covid-19-Erkrankung vorliegt;
  • Bei kritisch kranken Patienten Substitution bei nachgewiesenem Vitamin D-Defizit (30 nmol/l und weniger) entsprechend Empfehlungen der oben angegebenen wissenschaftlichen Gesellschaften;
  • Keine Empfehlung zur routinemäßigen Verwendung von Vitamin D zur Prophylaxe oder adjuvanten Therapie von Sars-CoV-2-Infektionen.

Schlussgedanken

Im vorliegenden dreiteiligen Artikel zur medikamentösen Behandlung von Covid-19 wurde gezeigt, dass heute (Stand: Ende Dezember 2021) deutlich mehr Medikamente mit nachgewiesenem Nutzen für die Behandlung von Patienten mit Covid-19 zur Verfügung stehen als noch vor einem Jahr.

Zugleich ist aber leider auch wahr, dass trotz dieser Fortschritte weiterhin ein großer Teil der Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf von Covid-19 auf den Intensivstationen an und mit Covid-19 sterben. Weitere Forschungserkenntnisse sind unbedingt notwendig, damit auch diesen Kranken besser geholfen werden kann.

Ebenso wichtig dürften in der laufenden Sars-CoV-2-Pandemie eine den Bedürfnissen angepasste Impfkampagne mit wirksamen, von der Bevölkerung akzeptierten Impfstoffen und die Durchführung von notwendigen nicht-pharmazeutische Maßnahmen wie z. B. kurzzeitige und wirksame Kontaktbeschränkungen sein.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.