Corona-Soforthilfen: Rettungsanker oder Geld zurück?
Schnelle Hilfe in der Krise versprach die Regierung. Doch Jahre später sollen viele das Geld zurückzahlen. Jetzt beginnt der Kampf vor Gericht. (Teil 1)
In der Corona-Pandemie versprach die Regierung Unterstützung für alle, deren Existenz durch die Schließungen im Lockdown bedroht war. Doch manch einer, der die versprochene unbürokratische Hilfe erhalten und das Geld investiert hat, steht nun vor einem neuen finanziellen Problem. Immer mehr Betroffene werden aufgefordert, die erhaltene Leistung ganz oder teilweise zurückzuzahlen.
Ein Rückblick: der erste Lockdown
Im März 2020 begann die Pandemie und damit ein Ausnahmezustand – in Deutschland, wie auch den meisten anderen Ländern. Das Coronavirus verbreitete sich rasant, es gab zahlreiche Todesfälle. Um das Infektionsrisiko mit dem weitgehend unerforschten Virus einzudämmen, ordnete die Bundesregierung am 16. März 2020 schließlich einen Lockdown an.
Sie versprach außerdem Hilfe für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmen, die wegen des Kontaktverbots ihren Betrieb schließen und auf ihre Einnahmen verzichten mussten. Die Entscheidung für die Soforthilfen wurde noch während des ersten Lockdowns getroffen.
Es sollte schnell und unbürokratisch gehen: Unternehmen standen vor dem Existenz-Aus, der Bund sicherte finanzielle Unterstützung ohne lange Antragswirren zu. Und er versicherte auch, eine Rückzahlung sei nicht nötig, sofern die Antragsbedingungen denn vorlägen: in erster Linie mussten Antragsteller einen Liquiditätsengpass nachweisen, mit anderen Worten die besagte Existenzbedrohung.
Nach der Definition des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) lag ein Liquiditätsengpass vor "wenn im dreimonatigen Förderzeitraum die tatsächlich fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb nicht ausgereicht haben, um die tatsächlich laufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben zu bezahlen".
Bundesweit beliefen sich die Rettungsmittel auf rund dreizehn Milliarden Euro, hinzu kamen noch Landesmittel in den einzelnen Bundesländern. Die Länder waren damit beauftragt, die Bearbeitungs- und Auszahlungsprozesse eigenständig abzuwickeln, dabei aber bestimmte bundeseinheitliche Vorgaben umzusetzen.
Die Erfolgsquote der Anträge fiel durch die landeseigenen Prozesse zwar unterschiedlich aus, der großen Mehrheit wurde jedoch stattgegeben. Während Rheinland-Pfalz mit einer Bewilligungsquote von 63 Prozent dabei im Durchschnitt noch knauserig daherkam, hatten in Sachsen ganze 94 Prozent der Anträge Erfolg.
Betroffene ziehen vor Gericht
So weit, so gut. Doch mit der Auszahlung der Hilfen war der Debatte noch kein Ende gesetzt – im Gegenteil. Die Rechtmäßigkeit der Coronahilfe-Auszahlungen wird noch immer geprüft, ein Abschluss aller Prüfungen erst Ende 2025 erwartet. Dass in mindestens 400.000 Fällen Geld zurückgefordert wird, steht bereits jetzt fest. Genauso regt sich schon Widerstand gegen die Rückforderungswelle.
Gerichte in verschiedenen Bundesländern haben sich in mehreren Instanzen mit der Rechtmäßigkeit der Rückforderungsbescheide beschäftigt und sowohl zugunsten der Bescheide entschieden als auch in anderen Fällen Bescheide aufgehoben.
Schon jetzt sind die Gerichte mit den vielen Klagen gegen Rückforderungsbescheide überfordert. In Stuttgart hat sich die Landeskreditbank, gegen die bereits Ende Juni 2024 etwa 2.100 Klagen Betroffener gerichtet waren, mit einigen Klägern auf ein Ruhen der Verfahren geeinigt.
Um die Klagen effizienter bearbeiten zu können, sollen in einigen wenigen Verfahren exemplarisch Rechtsfragen geklärt werden, die auch in anderen immer wieder auftauchen.
Wie schon beim Antragsprozess legen die Bundesländer auch bei der Prüfung möglicher Rückforderungspflichten unterschiedlich großen Ehrgeiz an den Tag. Während Berlin bislang nur etwa fünf Prozent der Leistungsempfänger zur Rückzahlung aufrief, traf es in Nordrhein-Westfalen schon ganze 50 Prozent der Antragsteller.
Was sich ungerecht anhört, liegt nicht zuletzt daran, dass die Länder bei der Auszahlung der Hilfen unterschiedlich vorgingen und NRW beispielsweise stets den Höchstbetrag auszahlte, ohne vorab die Auszahlungsvoraussetzungen zu prüfen. Vielmehr forderte man Antragsteller auf, ihren Liquiditätsengpass "nach bestem Wissen und Gewissen" selbst zu ermitteln.
Viele Länder gewährten einen solchen Vertrauensvorschuss und zahlten die Corona-Hilfen lediglich auf Basis einer Selbstüberprüfung der Antragsteller aus. Nur so konnte man mit der gebotenen Schnelligkeit handeln. Das betrachten nun auch Teile der Regierung, namentlich der Bundesrechnungshof und das Bundeswirtschaftsministerium, kritisch.
Man will, so äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, für die Rückzahlungen eine länderübergreifende, einheitliche Regelung finden. Das ist erfreulich. Hätte es diese einheitlichen Regeln und klaren Vorgaben schon früher gegeben, wäre die Lage auch jetzt einfacher zu überblicken.
Wirre Kommunikation
Schon bevor die ersten Anträge auf Soforthilfe ab März 2020 gestellt werden konnten, war die Kommunikation Chaos geprägt. Der Bund gab beispielsweise vor, dass Antragsteller bei der Berechnung des finanziellen Engpasses ihre Lebenshaltungskosten nicht einbeziehen durften.
Bis Anfang April dauerte es, bis alle Länder diese Vorgabe in ihre eigenen Förderprogramme aufgenommen hatten. Noch wesentlich mehr Zeit verstrich, bis diese elementare Information bei den Antragstellern ankam. Bis dahin waren viele Anträge längst abgeschickt.
Nachdem die Antragsteller im Jahr 2020 ihre Anträge auf Soforthilfe gestellt hatten, erhielten sie oft zunächst Abschlagszahlungen in Höhe eines Teils der von ihnen beantragten Unterstützungsleistung.
In vielen Bundesländern gab es nach der Ausschüttung der Leistungen dann ein Rückmeldeverfahren. Im Land NRW beispielsweise wurden noch 2020 alle Menschen, die von der Corona-Soforthilfe profitiert hatten, vom Land benachrichtigt und vor die Wahl gestellt, ob sie ihre Rückmeldung noch im Jahr 2020 oder aber erst 2021 vornehmen wollten. Eine frühere Rückmeldung sollte den Vorteil haben, dass man sie noch für 2020 steuerlich geltend machen konnte.
Im Rahmen der Rückmeldung musste man die eigenen Ausgaben und Einnahmen im Förderzeitraum (März bis Mai 2020) miteinander verrechnen und auf diese Weise darlegen, ob man tatsächlich einen sogenannten "Liquiditätsengpass" erlitten hatte.
Wofür die Soforthilfe genau gedacht war (als Überbrückung, um laufende geschäftliche Verpflichtungen zu erfüllen) war, so der Vorwurf vieler Betroffener, häufig unklar vorgegeben oder wurde Antragstellern zu spät bewusst. Ergebnis der Rückmeldung war schließlich die "Schlussrechnung" – eine Bilanz, ob das Land den jeweiligen Betroffenen "zu viel" gezahlt hatte oder nicht.
Alles nur vorläufig?
Auch die zeitliche Dimension des Prozesses widersprach den Erwartungen der Betroffenen. Mit tausenden Anträgen und Rückmeldeunterlagen waren die Länder zu Beginn der Pandemie mit enormen Datenmengen konfrontiert. Erst jetzt kommen sie mit der Antragsprüfung hinterher – und können die ursprünglichen Anträge positiv oder negativ bescheiden.
Der Knackpunkt: viele der Zahlungen, die schnell und unbürokratisch im ersten Förderzeitraum ab März 2020 ausgeschüttet wurden, waren vorläufiger Natur. Das Risiko einer möglichen Rückforderung war allerdings bei den Betroffenen nie richtig angekommen. Zwar enthielten, so beispielsweise Mecklenburg-Vorpommerns Landeswirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD), die Antragsunterlagen in dem Bundesland einen entsprechenden Vermerk.
Viele Antragsteller haben die Natur der Zahlungen dennoch anders verstanden. Aussagen wie die von Olaf Scholz, dabei handele es "sich um einen Zuschuss, nicht um einen Kredit. Es muss also nichts zurückgezahlt werden", sind daran wohl nicht ganz unschuldig.
Bitterer Beigeschmack
In der Pandemie musste alles schnell gehen. Entscheidungen, die alle Bürger betrafen und normalerweise eine sorgfältige Kommunikation notwendig gemacht hätten, wurden mehr oder weniger über Nacht getroffen. Dass dabei Fehler gemacht wurden oder richtige Informationen falsch kommuniziert, ist nur menschlich.
Umso wichtiger ist es jetzt, so viel Ordnung in das Soforthilfe-Chaos wie möglich zu bringen. Ein länderübergreifendes, einheitliches Verfahren für die Bearbeitung der Anträge wäre ein guter Anfang. Auch die juristische Beurteilung der Schlussabrechnungen und Rückforderungsbescheide leistet einen wichtigen Beitrag, um das Gerechtigkeitsgefühl der Betroffenen wiederherzustellen.
Die Gerichte sind eine wichtige Instanz, um die Verantwortung für Chaos und Ärger zwischen der Verwaltung und den Antragstellern zu verteilen.
Dennoch bleibt bei Vielen ein Gefühl der Ungerechtigkeit zurück. Nun, Jahre nachdem mit der Pandemie eine der größten Bedrohungen für die deutsche Wirtschaft über viele Betriebe hereingebrochen ist, noch einmal zur Kasse gebeten zu werden, fühlt sich an wie eine böse Überraschung.
Das gilt vorbehaltlich aller, die sich 2020 wider besseres Wissen die Soforthilfe erschlichen haben – auch sie gab es, und selbstverständlich wäre es in jeder Hinsicht unfair, sie nicht in die Pflicht zu nehmen. Die nicht gerechtfertigten Rückzahlungsaufforderungen müssen Betroffene trotzdem nicht einfach so hinnehmen.
In der Fortsetzung dieses Artikels erfahren Sie deshalb, wie Sie juristisch gegen Rückforderungsbescheide vorgehen können und mit welchen Argumenten Anwälte schon erfolgreich die Aufhebung der Bescheide erstritten haben.