Corona in Italien: Was sich verändert hat

Seite 2: Die Behandlung von Covid-Patienten

Wie werden Covid-Patienten derzeit behandelt?

Adriano Peris: Wenn wir von Behandlung sprechen, meinen wir damit eine ätiologische Therapie, also eine Ursachenbehandlung. Wenn ich eine Streptokokken-Infektion habe, verabreiche ich Penicillin oder ein Derivat davon und das Bakterium stirbt. Für das Corona-Virus gibt es keine ätiologische Therapie. Anfangs haben wir antivirale Medikamente verwendet - Medikamente, die wir von anderen Infektionen übernommen hatten.

Dann haben wir alle entzündungshemmenden Medikamente eingesetzt, wie z. B. Chlorochin-Derivate, die jedoch sehr starke Nebenwirkungen haben; außerdem verabreichen wir auch monoklonale Antikörper, die besonders in der Anfangsphase ihre Berechtigung haben.

Die Behandlung zu Hause wird vermehrt mit monoklonalen Antikörpern begonnen. Es wird gerade eine Behandlungsmethode mit mesenchymalen Stammzellen erforscht, die zur Erneuerung von Geweben beitragen. Die Studie befindet sich jedoch noch im Anfangsstadium und muss noch wissenschaftlich untermauert und von Ethikkommissionen genehmigt werden - wir dürfen keine falschen Erwartungen wecken.

In den frühen Stadien der Krankheit scheint sie jedoch vielversprechend. In der Regel besteht die Behandlung jetzt noch aus Kortison, Entzündungshemmer und Heparin. Das sind neben der Sauerstofftherapie die wichtigsten Medikamente der Covid-Behandlung.

Gab es Fälle von Einweisungen aufgrund von unerwünschten Reaktionen auf den Impfstoff?

Adriano Peris: Wir haben einige Fälle mit unerwünschten Reaktionen wie Fieber, Muskelschmerzen, Schüttelfrost, allgemeines Unwohlsein, Kopfschmerzen etc... behandelt. Ich habe jedoch noch nie jemanden behandelt, der wegen einer Impfreaktion, welcher Art auch immer, ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Wurden und werden Autopsien durchgeführt?

Adriano Peris: Ja, vor allem in der zweiten Phase der Pandemie wurden sie häufiger durchgeführt. Das Prozedere in der Pathologie und der Gerichtsmedizin wurde dementsprechend angepasst. Mittlerweile kennen wir die Todesursache und die diagnostischen Analysen dienen vor allem dazu, das spezifische Risiko eines Organs zu stratifizieren.

Anfangs dachten wir, dass es beim Covid eine wichtige kardiologische Komponente gibt, einen Herztropismus - doch das hat sich nicht bewahrheitet. Viele Nebenwirkungen, die das Herz betrafen, waren in Wahrheit auf das Hydroxychloroquin zurückzuführen. Aber ja, Autopsien sind durchaus Teil unserer Analytik.

Die Nachversorgung und Prävention

Was wird unter Anbetracht der EU-zugelassenen Behandlungsmethoden die Zukunft bringen?

Adriano Peris: Das HIV-Virus schien unzerstörbar. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis HIV-Patienten effektiv behandelt werden konnten. Wir dürfen die Suche nach dem antiviralen Wirkstoff nicht aufgeben. Das können wir uns nicht erlauben.

Natürlich spreche ich als Krankenhausarzt und beziehe mich hier nicht auf Prävention. Eine ätiologische Therapie ist unabdingbar. Ich vertraue den unterstützenden Therapien, wie zum Beispiel dem Einsatz von Heparin und Entzündungshemmern, sprich dem Kortison. Auch die Frühanwendung der Zellerneuerung ist vielversprechend.

Allerdings gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass die Mesenchymzellen, über die wir vorhin gesprochen haben, gegen das Virus resistent sind und dass das Virus die Zellen nicht angreift. Ein weiterer Aspekt, an dem wir arbeiten müssen, ist die Nachversorgung Zehntausender gebrechlicher Menschen, die das Krankenhaus nach der Covid-Erkrankung verlassen und in den nächsten zwei Jahren von uns betreut werden müssen.

Covid ist eine sehr ernste, sehr langwierige Krankheit, die auch die Mobilität stark beeinträchtigt. Wir müssen diese Patienten kontinuierlich nachversorgen. Die Gesundheitssysteme müssen sich in den kommenden Jahren um diese Menschen kümmern.

Dieses Jahr werden es sehr viele sein, nächstes Jahr viel weniger. Sie müssen rehabilitiert und wieder in das Berufsleben integriert werden. Wir hatten auch drei ECMO-Schwangerschaften in Careggi - das nur zur Verdeutlichung, dass diese Krankheit auch sehr junge und sogar schwangere Frauen betreffen kann. Sie haben alle überlebt und alle haben im Krankenhaus ein wunderschönes Baby zur Welt gebracht.

Stehen ätiologische Therapie und Impfung im Widerspruch? In welche Methode sollte Ihrer Meinung nach mehr investiert werden?

Adriano Peris: Die Impfung ist eine Ergänzung. Die beiden Ansätze stehen nicht im Widerspruch. Wenn ich 100 Ressourcen hätte, würde ich 60 für die Prävention verwenden, 30 für die Suche des Antivirus und 10 für den Rest. Wir müssen immer daran denken, wie wichtig der Kampf außerhalb des Krankenhauses ist. Denn dort findet der eigentliche Kampf statt.

Wenn Covid-Patienten im Krankenhaus ankommen, haben wir bereits etwas verloren. Es ist wichtig, das Krankenhaus bis zuletzt zu vermeiden. Das ist keine reine Plattitüde, sondern ein großes Anliegen.

Wenn die Prävention versagt, kommen die Patienten mit strukturellen Schäden ins Krankenhaus, denn das Virus ist keine Grippe, die die Zellen der Atemwege abschuppt. Das Virus dringt in den Blutkreislauf, in die Kapillaren ein und kann großen Schaden anrichten. Nur wenige Patienten sollen ins Krankenhaus kommen, damit wir diesen wenigen die größtmögliche Aufmerksamkeit zukommen lassen zu können.