Coronavirus: Facebook und Co. gehen gegen Gerüchte vor
In Deutschland gab es den ersten Fall, in den USA steigt die Panik vor der Infektion, deren Risiko als gering eingestuft wird, und verbreiten sich "Verschwörungstheorien"
Bislang gab es in Europa nur am Coronavirus (2019-nCoV) Erkrankte in Frankreich. Heute ist der erste Fall einer Coronavirus-Erkrankung in Deutschland bekannt geworden. Ein Mann aus dem Landkreis Starnberg wurde durch einen chinesischen Gast seiner Firma mit dem Virus infiziert. Der Patient ist nicht ernsthaft erkrankt und wurde im Krankenhaus isoliert. Nach der "Task Force Infektiologie" des bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist für die Bevölkerung das Risiko, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, gering.
Die Medienberichterstattung ist allerdings groß, nachdem China massive Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der neuen Infektion ergriffen hat und sich die Infektion weltweit ausgebreitet hat. Nach Angaben der WHO von gestern sind bislang 2798 Menschen bekannt, von dem Virus infiziert zu sein, vorwiegend in China. 461 seien schwer erkrankt, 80 Infizierte sind bislang gestorben. Für China schätzt die WHO das Infektionsrisiko als "sehr hoch" ein, global als "hoch".
Obgleich es in den USA bislang nur 5 positiv bestätigte Erkrankungen und 73 Fälle gibt, die noch untersucht werden, ist auch hier die Angst groß.
Nach einer aktuellen Umfrage, die schon zwischen dem 24. und 26. Januar durchgeführt wurde, sind 37 Prozent über die Ausbreitung des Virus in den USA sehr besorgt und 37 Prozent besorgt. Nicht sonderlich beunruhigt sind 15 Prozent, nur wenige haben gar keine Angst. Fast 50 Prozent sind genauso besorgt wie vor der Ebola-Epidemie im Jahr 2014.
Nach der zuständigen Gesundheitsbehörde CDC ist das Ansteckungsrisiko in den USA gering, was aber eine durch fortwährende Medienberichterstattung verstärkte Panik nicht dämpfen kann. Der Gesundheitsbehörde trauen aber 68 Prozent der Befragten zu, die Ausbreitung einzudämmen. Dagegen haben 59 Prozent kein Vertrauen in den Kongress und auch 54 Prozent sind nicht der Meinung, dass auf Donald Trump Verlass ist. 39 Prozent sagen, sie vertrauen ihm "überhaupt nicht", beim Kongress sind es "nur" 32 Prozent.
Kognitive Dissonanz
Panik löst offenbar vor allem aus, weil der Corona-Virus neu ist. Gleichwohl herrscht eine seltsame Risikowahrnehmung vor. 62 Prozent haben vor der Grippe weniger Angst als vor dem Corona-Virus, obgleich in der jetzigen Grippesaison seit September 2019 alleine in den USA um die 8200 Menschen gestorben sind und 15 Millionen infiziert wurden. Das ist ein groteskes Missverhältnis.
Kein Wunder, dass in der aufgeregten Stimmung Gerüchte zirkulieren, die es auch in Vor-Internet-Zeiten gab, mitunter Revolten auslösten und immer die Hüter der staatlichen Ordnung beunruhigten. Heute nennt man diese Gerüchte "Verschwörungstheorien", was nicht nur gefährlicher klingt, sondern diese auch als gezielte Machwerke entlarven will. So wird verbreitet, dass Angehörige der US-Regierung im Geheimen ein Patent für die Krankheit eingereicht oder erhalten hätten. Oder es heißt, dass Oreganoöl oder Silber wirksam gegen den Coronavirus sei. Andere verbreiten Horrormeldungen über die Zahl der Toten oder die Gefährlichkeit der Infektion. Ob solche Gerüchte nun geglaubt werden, ist nicht klar, Facebook, Google und Twitter versuchen jedenfalls, wie die Washington Post berichtet, falschen Gerüchten entgegenzutreten.
Heimliche Manipulation
Facebook senkt das Ranking von angeblichen inkorrekten Postings auf den Benutzerfeeds. Sie sollen also weniger wahrnehmbar werden, aber löschen will man nicht. Twitter lenkt die Nutzer, die nach Coronavirus suchen, zur Website der Gesundheitsbehörde CDC. YouTube (Google) bevorzugt vertrauenswürdigere Quellen. Eine Zensur würde kenntlich machen, wo die Betreiber eingreifen, so versucht man die Benutzer von Informationen auszuschließen oder ihre Aufmerksamkeit in eine andere Richtung zu lenken, ohne dies kenntlich zu machen. Die Benutzer werden damit als dummes Vieh von irgendwelchen Entscheidungen, Ängsten und undurchsichtigen Algorithmen geschubst, sollen dies aber nicht merken.
Die Washington Post ist dennoch davon angetan und sieht die Sozialen Netzwerke bei der Manipulation der Benutzer verantwortlich handeln: "Die Bedrohung von sich schnell verbreitenden Falschinformationen illustriert, wie mächtige Werkzeuge der Sozialen Netzwerke zur Organisierung und Schaffung von Gemeinschaften schnell zu problematischen Echokammern bei gesundheitlichen Ängsten werden. Ob aus Bösartigkeit, Angst oder falschem Verständnis heraus können Benutzer einfach Falschinformationen in Echtzeit teilen und verstärken und die Arbeit der Medizinier und Regierungsmitarbeiter mitten in einer Gesundheitskrise erschweren."
Tatsächlich werden Gerüchte über die Sozialen Netzwerke epidemisch verbreitet. Das kann auch gefährlich werden und zu falschen Handlungen führen. Aber in demokratischen Gesellschaften sollten nicht private Netzwerke die Freiheit haben, ihre Benutzer geheim und hintergründung zu manipulieren, sondern die Karten offenlegen und für Transparenz sorgen. Wenn Falschinformationen verbreitet werden, sollten diese kenntlich zensiert werden. Daraus würde eine Diskussion über die Praktiken der Kontrolle und der Meinungsfreiheit entstehen, die die Betreiber fürchten, die aber notwendig wäre, wenn man sich von repressiven Staaten unterscheiden will, die solche Manipulationen auch staatlich organisieren.
Und auch wenn die Medien keine Falschmeldungen verbreiten, so hält die aufgeregte und exzessive Berichterstattung über die Epidemie, ähnlich wie über einen Terroranschlag oder einen militärischen Konflikt, die Aufmerksamkeit hoch und suggeriert schon allein durch den Stellenwert Bedrohlichkeit oder herausragende Bedeutsamkeit. Fragt sich, was schwerwiegender ist: Gerüchte in den Sozialen Netzwerken oder die Dauerberichterstattung?