Corporate Killers: das ganz große Geschäft
Das zweitgrößte Truppenkontingent im Irak wird nicht von der britischen Armee, sondern von privaten Firmen gestellt
Laut offiziellen Angaben beläuft sich die Truppenstärke der Briten im Irak auf 9.900 und gilt damit als zweitstärkste Truppe der alliierten Kräfte im Irak. Nach Recherchen der britischen Tageszeitung The Guardian wird diese Zahl allerdings knapp von einem ganz anderen Kontingent überboten: 10.000 private Vertragspartner sind derzeit im Irak mit militärischen Aufgaben betraut. Das sei nichts weniger als "Neuland" im Kriegswesen, eine Revolution mit unabsehbaren, weit reichenden Konsequenzen, meinen die Experten.
Im "ersten Golfkrieg" kamen auf einen "privaten" noch 100 "echte" Soldaten, im gegenwärtigen Krieg sind es 10 privat angeheuerte Dienstleister, die auf 100 Staatssoldaten kommen.
Der private Sektor ist so stark in Kampfhandlungen, Besatzung und friedenssichernden Aufgaben eingebettet, dass dieses Phänomen den "point of no return" erreicht haben könnte: Die US-Armee hätte es schwer, den Krieg ohne ihn zu führen.
Nach inoffiziellen Schätzungen des amerikanischen Militärs wird ein Drittel, etwa 30 Milliarden Dollar, des 87-Milliarden-Budgets, das für den Irak und Afghanistan bewilligt wurde, für Verträge mit Privatfirmen ausgegeben.
Deren Angestellte verrichten dem Bericht des Guardian zufolge nicht nur beratende und zivile Arbeit. Die "Zivilisten" dürfen auch schießen, sie bedienten während der Hauptkampfhandlungen unter anderem die ausgefeilten Waffensysteme von Kriegschiffen, Predator- und Global Hawks-Drohnen oder Stealth-Bombern.
Nach dem offiziellen Ende der Hauptkampfhandlungen werden sie sogar noch mehr gebraucht. Private Firmen haben die Ausbildung der neuen irakischen Armee und der Polizeikräfte übernommen. Und es sind nicht nur amerikanische Firmen, wie die berüchtigte Dyncorp, die den Profit machen, auch britische Firmen, wie der Big Player - Nomen est Omen - Global Risk International, die mit angeheuerten indischen Gurkha-Söldnern das große Geld verdienen. Fast die Hälfte der privaten Firmen, die im Irak beschäftigt sind, haben ihren Sitz in England.
Dieses Geschäft boomt seit dem Ende des kalten Krieges, notiert der Guardian und zitiert Beispiele von lukrativen paramilitärischen Aufträgen im Kosovo, Bosnien und an anderen Orten des Balkan, wo die Firma Military Resources Inc ("Das Machtgleichgewicht in der Region hat sich durch diese Firma verändert") eine zentrale Rolle spielt (Privatarmeen in Goldgräberstimmung). Dass amerikanische Diplomaten in Israel von privaten Schutztruppen geschützt werden, desgleichen der afghanische Präsident Karsai und der irakische Regierungsrat, ist nur der kleinste Teil dieser "Privatisierungsmaßnahmen".
Das Pentagon hat einmal mehr Größeres vor, denn man will noch mehr zusätzliche Gelegenheiten zum "Outsourcen" und "Downsizen" schaffen: Alles zugunsten der privaten Vertragspartner, bei denen nicht zufällig ehemalige hochrangige Offiziere in nicht geringer Zahl zu finden sind.
Einer von vielen Vorteilen: die paramilitärischen Unternehmen unterstehen nicht den selben juristischen, parlamentarischen und öffentlichen Kontrollmechanismen wie die staatlichen Armeen.
Da entsteht ein leichtes Risiko, dass die Dinge außer Kontrolle geraten und diese Firmen sich selbst zu kleinen Armeen entwickeln
anonymer Reserveoffizier
Der Unterschied, ob man sich vor etwa einem US-Militärgericht verantworten muss oder vor einem Gericht in einem Staat, dessen Gesetze einen großen Auslegungsspielraum haben, ist beachtlich. Im Falle der Dyncorp-Angestellten, die in einen Mädchenhandel-und Vergewaltigungsskandal verwickelt waren, und in Bosnien vor Gericht kamen, hieß er: Freispruch. Gerichtsnotorisch wurden nur die Verräter. Gegenwärtig hält Dyncorp im Irak Verträge zur Ausbildung der irakischen Armee.
In diesem Neuland tauchen beachtliche Probleme auf: Probleme der Loyalität, der Rechenschaft, der Ideologie und des nationalen Interesses. Nach ihrer Definition sind private Militärfirmen nicht im Irak oder in Bosnien, um US- oder Un- oder EU-politische Interessen zu verfolgen, sondern um Geld zu machen.