Covid-19: "Jugendliche haben die Verantwortung, ihre Eltern und Großeltern zu schützen"

Die Quarantänegebiete in Italien. Grafik: TP

Entspannung in China und Südkorea, Probleme in Italien - Epidemie könnte Bruttoinlandsprodukt weltweit um 2,4 bis neun Billionen Dollar kürzen

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Den heute bekannt gegebenen Zahlen des chinesischen Gesundheitsausschusses nach sank die Zahl der täglichen neuen Covid-19-Erkrankungen in der Volksrepublik am Wochenende von 99 am Freitag über 44 am Samstag auf nur mehr 40 am Sonntag. So wenige an einem Tag gab es seit Beginn der Veröffentlichung von Zahlen im Januar noch nicht. Von den inzwischen nun gut 80.700 Angesteckten starben am Sonntag 22, womit sich die Zahl der chinesischen Covid-19-Todesopfer auf 3.119 erhöhte.

In Wuhan, dem Ursprung des Ausbruchs, konnten den Angaben der Provinzregierung von Hubei nach inzwischen etwa 31.000 Erkrankte als gesundet nach Hause geschickt werden. 14 der 16 im Schnellverfahren eingerichteten provisorischen Krankenhäuser dort werden deshalb nicht mehr benötigt.

Südkorea, das nach China bislang am stärksten betroffenen Land, meldet mit 248 am Sonntag so wenige Neuinfektionen wie seit zwei Wochen nicht mehr. Ein Grund dafür ist der südkoreanischen Gesundheitsbehörde KCDC zufolge, dass man inzwischen über 200.000 Anhänger der Shincheonji-Sekte getestet hat, die maßgeblich mit für die Ausbreitung der Krankheit verantwortlich sein soll (vgl. Covid-19: Religionen begünstigten Ausbreitung wahrscheinlich).

Ärzte könnten "bald gezwungen sein, Patienten mit besseren Lebenserwartungen Vorrang bei Behandlungen auf Intensivstationen zu geben"

Anders sieht es in Italien aus: Hier erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte am Samstag die gesamte Lombardei und die 14 Provinzen Parma, Piacenza, Rimini, Reggio-Emilia, Modena, Pesaro und Urbino, Venedig, Padua, Treviso, Alessandria, Verbano-Cusio-Ossola, Novara, Vercelli und Asti bis vorerst 3. April zu Quarantänegebieten. Wer aus diesen Zonen in den nächsten vier Wochen hinaus will, muss den Behörden dafür ebenso einen "dringenden" Grund nennen wie jemand, der dort hinein will. Für Touristen gilt die Heimreise aus dieser Zone als dringender Grund. Sie wurden sogar offiziell zum Verlassen der Sperrgebiete aufgefordert.

Viele Lombarden und Venezier mit Wurzeln, Verwandten oder Ferienwohnungen in Mittel- und Süditalien musste man dazu nicht extra auffordern: Sie sorgten am Samstagabend und gestern für deutsche Platzverhältnisse in italienischen Zügen und nahmen häufig auch den Strafaufschlag in Kauf, den sie ohne vorher gekauftes Ticket zahlen mussten. Die Regierungschefs der Regionen Apulien, Abruzzen, Basilikata, Kalabrien, Kampanien, Molise und Sizilien beschlossen deshalb, dass bei ihnen ankommende Covid-19-Flüchtlinge aus Norditalien zwei Wochen lang ihre Unterkünfte in Süditalien nicht verlassen dürfen. Auch dort wurden - wie überall in Italien - Veranstaltungen abgesagt, bei denen eine größere Zahl von Menschen aufeinandertrifft.

Solche Maßnahmen sollen Contes Worten nach nicht nur "die Ausbreitung der Infektion eindämmen", sondern auch "eine Überlastung der Krankenhäuser verhindern". Die sind mit 103 neuen Covid-19-Toten alleine gestern und alleine in der Lombardei möglicherweise schon jetzt überlastet. Dem lombardischen Kriseneinheitsleiter Antonio Pesenti zufolge stehen die Betten bereits auf den Gängen und viele Ärzte und Krankenschwestern unter Quarantäne. Bewahrheitet sich die Prognose von 18.000 Erkrankten bis zum 26. März, dann könnten seiner Einschätzung nach "Ärzte bald gezwungen sein, Patienten mit besseren Lebenserwartungen Vorrang bei Behandlungen auf Intensivstationen zu geben".

Das Nachsehen würden dann vor allem ältere Menschen mit Vorerkrankungen haben, bei denen das Risiko, an Covid-19 zu sterben, wesentlich höher ist als bei anderen. Silvio Brusaferro, dem Leiter der obersten italienischen Gesundheitsbehörde zufolge, sollten aber auch junge Leute Ausgangsbeschränkungen ernst nehmen, weil sie "die Verantwortung [hätten], ihre Eltern und Großeltern zu schützen". Was Brusaferro besorgt, das scheinen sehr jugend- und zeitgeistbewegte Autoren wie etwa Ed Conway von der Londoner Times eher als beruhigend wahrzunehmen - für Jörg Kachelmann "eine historisch bekannte Sicht, wenn es um die Entscheidung zwischen wertem und unwertem Leben geht".

Deutsche Bundesregierung stellt Hilfen für betroffene Unternehmen in Aussicht

Da in den jetzt zu Quarantänezonen erklärten Regionen etwa 40 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet werden und der Tourismus auch im Rest des Landes um teilweise 90 Prozent eingebrochen ist, sind die wirtschaftlichen Aussichten des Landes nun noch deutlich weniger rosig als vor dem Ausbruch der Epidemie. Die wird die Weltwirtschaft der Berechnung eines Teams um Professor Warwick McKibbin von der Australian National University je nach ihrem weiteren Verlauf zwischen 2,4 und neun Billionen Dollar kosten.

Anhand solcher Schätzungen ist wenig verwunderlich, dass sich der deutsche Aktienindex Dax heute früh mit einem Minus von 8,4 Prozent auf den größten Tagesverlust seit dem Anschlag auf das World Trade Center zubewegte. Anlass dafür war allerdings nicht nur die Corona-Angst, sondern auch ein Streit zwischen den großen Ölproduzenten Russland und Saudi-Arabien, der den Ölpreis mit 31,5 Prozent so stark sinken ließ wie seit dem Beginn des Ersten Golfkrieges 1991 nicht mehr.

Um die erwarteten wirtschaftlichen Folgen abzufedern hat sich die Bundesregierung gestern auf ein Programm geeinigt, das neben Liquiditätshilfen, Bürgschaften und Steuerstundungen auch den erleichterten Bezug von Kurzarbeitergeld beinhaltet. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn appellierte darüber hinaus bei einer Pressekonferenz heute Nachmittag an die "Eigenverantwortung" der Bürger. Sie sollen zur Verlangsamung der Ausbreitung beitragen, indem sie auf Clubbesuche, Fußballspiele und Reisen verzichten, den Öffentlichen Personennahverkehr meiden und wenn möglich von Zuhause aus arbeiten (vgl. Fahren, fahren, fahren: Telearbeit bleibt weiterhin marginal).

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