Covid-19: Nur Tröpfchen und Schmierinfektion oder auch Aerosole?
WHO und CDC warnen nicht vor Infektion durch lange in der Luft schwebende Aerosole, Wissenschaftler protestieren
Wenn Regierungen aufgrund wissenschaftlicher Expertise Entscheidungen treffen, wird es mitunter verwirrend, wenn diese inkonsistent sind oder sich verkehren. So haben wir zu Beginn der Covid-19-Pandemie gelernt, dass Atemschutzmasken eigentlich nicht erforderlich seien. Es würde reichen, wenn das medizinische Personal diese trage, zumal normale "Alltagsmasken" sowieso nicht wirklich schützen. Medizinischer Mund-Nasen-Schutz schützt die Mitmenschen, eigenen Schutz gewähren nur partikelfiltrierende Masken. Ob das vor allem dem Umstand geschuldet war, wie vermutet wird, dass es zu Beginn der Pandemie zu wenig Masken gegeben hat?
Dann wurden Masken, auch selbstgemacht, nicht nur empfohlen, sondern schließlich auch in Geschäften, öffentlichen Verkehrsmitteln etc. verordnet, vornehmlich zum Schutz der anderen, wenn man asymptomatisch Infizierter ist, also es gar nicht merkt, dass man das Virus verbreitet. Dass nicht sehr viele die Masken korrekt tragen und sie vor allem falsch entfernen, vermutlich auch nicht jedes Mal eine neue verwenden und die getragene desinfizieren, steht auf einem anderen Blatt. Das RKI empfiehlt das Tragen nur als "zusätzliche Maßnahme" in "bestimmten Situationen im öffentlichen Raum".
Tröpfchen, Berührungen - und Aerosole?
Wie ein Mantra wird auch die Händehygiene empfohlen. Beim RKI heißt es allgemein, worauf auch im Kontext Covid-19 verlinkt wird: "Die Hände sind die häufigsten Überträger von Krankheitserregern. Händewaschen schützt!". Also soll man sich nicht die Hände geben und überhaupt: "Waschen Sie sich OFT die Hände." Dabei wird nur angenommen, dass man sich durch eine Schmierinfektion anstecken könnte, nachgewiesen wurde das, soweit ich weiß, in einem konkreten Fall noch nicht. So ist auch fraglich, ob man sich durch Händegeben oder Umarmen und Berühren von Oberflächen mit Covid-19 infizieren kann, also ob normale Händehygiene im Regelfall nicht ausreichen würde, anstatt die Hände nach jeder Berührung zu desinfizieren.
Konsequentermaßen müssten neben Smartphones private Schlüssel, Türklinken, Tische, Geräte oder was auch immer permanent oder regelmäßig desinfiziert werden. Aber gut, ähnlich wie das Tragen einer Maske vor allem in geschlossenen Räumen könnte auch regelmäßiges Händewaschen und die Desinfizierung von Gegenständen eine Vorsichtsmaßnahme sein. Deren Sinn nimmt aber mit der Fallzahl der Infektionen ab. Wenn sich kaum oder keine Menschen mehr anstecken, wie das etwa in Mecklenburg-Vorpommern der Fall ist, werden Anordnungen unverhältnismäßig und reichen Empfehlungen, sollte man meinen und dem MV-Wirtschaftsminister Harry Glawe zustimmen.
Hauptübertragungsweg ist bekanntlich der respiratorische Weg, also über Tröpfchen von einem Infizierten, die durch Mund und - vor allem - Nase aufgenommen werden. Theoretisch müssten solche Tröpfchen mit einer Virenladung auf Oberflächen in der Umgebung herabregnen. Seit einiger Zeit gibt es Studien, dass auch Kleinsttröpfchen, so genannte Aerosole, einen Infektionsweg darstellen. Aerosole sind leichter, können lange in der Luft schweben und damit die Viren transportieren. Der Mindestabstand wird damit zumindest in Innenräumen in Frage gestellt, aber auch das Prinzip der Corona-App, dass das Ansteckungsrisiko am höchsten ist, wenn man sich mehrere Minuten lange in der Nähe einer infizierten Person aufhält. Schließlich könnte man in einen Raum kommen, den ein Infizierter schon verlassen hat und sich dennoch mit den von diesem über Aerosole verbreiteten Viren anstecken. Hier könnte dann die Maskenpflicht zumindest einen gewissen Schutz bieten.
Seltsam ist, dass etwa in Deutschland die Behörden, allen voran das RKI, vor der Gefahr einer Infektion durch Aerosole warnen. So schreibt das RKI (Stand 5.6.2020): "Nach derzeitigem Kenntnisstand erfolgt die Übertragung vor allem über respiratorische Sekrete, in erster Linie Tröpfchen, z.T. auch Tröpfchenkerne (Aerosole), die z.B. beim Husten, Niesen, oder lautem Sprechen freigesetzt werden." Das bayerische Gesundheitsministerium beispielsweise hat die Existenz dieses Übertragungswegs anerkannt. "Aerosole (können) - auch über längere Zeit - in der Luft schweben und in geschlossenen Räumen verteilen."
Jetzt haben weltweit 239 Wissenschaftler aus 32 Ländern in einem offenen Brief an die WHO darauf aufmerksam gemacht, dass die WHO, aber auch die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC nur primär vor einer Ansteckung über Tröpfchen und in geringerem Maße über Berührung von Oberflächen warnen. Eine Gefährdung durch Aerosole, was durch mehrere Studien belegt werde und Masseninfektionen durch Superspreader erklären könne, kommt bei ihnen bislang nicht vor. WHO-Mitarbeiter räumen ein, dass Infektionen über Aerosole möglich seien, aber nur in Folge von medizinische Eingriffen wie einer Intubation.
Spielt die WHO die Covid-19-Gefahr herunter?
Die WHO ist in Verdacht geraten, dass sie aufgrund der schwierigen Finanzierung und der Unterstützung durch private Geldgeber ihre Unabhängigkeit verloren hat. Manche meinen, die WHO habe im Interesse von Geldgebern wie Bill Gates die Covid-19-Pandemie dramatisiert, um politische oder wirtschaftliche Ziele durchzusetzen. Dazu würde jetzt allerdings kaum passen, wenn Gefährdungspotenziale ausgeblendet oder unterschlagen werden, die für Hersteller von Medikamenten oder Impfstoffen oder für die Einführung von autoritären Maßnahmen interessant wären. Auch die Tatsache, dass die WHO sehr zurückhaltend war, was eine Ansteckung durch asymtomatische Infizierte betraf, passt kaum zu den geläufigen Verschwörungstheorien.
Für Benedetta Allegranzi, WHO-Expertin für Infektionsprävention und -kontrolle, wurden bislang nur auf Laborexperimenten beruhende Theorien vorgelegt, aber keine Beweise. In den wöchentlichen Telefonkonferenzen mit mehr als 30 Wissenschaftlern, die die WHO beraten, habe eine Mehrheit die Belege nicht überzeugend gefunden, dass "eine Infektion über die Luft eine wichtige Rolle bei der Covid-19-Verbreitung spielt". Das hätte zu mehr Ansteckungen und einer noch schnelleren Verbreitung führen müssen. Ein Beweis für die Richtigkeit der Hypothese würde bedeuten, dass man gesunde Menschen Aerosolen von Infizierten aussetzt, was aber ethisch nicht zu vertreten wäre.
Fakt ist bislang, dass die WHO bremst, während Regierungen, die auf Vorsicht und schärfere Maßnahmen zur Prävention setzen, die Aerosol-Hypothese aufgreifen. Das Problem: Wie sollen die Menschen entscheiden, die nicht die wissenschaftliche Lage überprüfen können, wenn schon die Wissenschaftler uneins sind? Die Schwierigkeit: Wissenschaft legt prinzipiell falsifizierbare Hypothesen vor, Regierungen müssen Entscheidungen fällen, die Bürger entscheiden für sich, was sie nachvollziehbar finden und was nicht.
Falls eine Infektion durch Aerosole möglich ist, wäre der Aufenthalt in geschlossenen Räumen riskant, müssten Klimaanlagen mit Filtern ausgestattet und UV-Lichter eingeführt werden. Dagegen würde die Wichtigkeit der Händehygiene weiter schrumpfen, während das Tragen von Atemschutzmasken wichtig würde.
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