Covid-19: Schon in Abwasserproben vom März 2019 in Barcelona soll Sars-CoV-2 nachgewiesen worden sein
Mehrere Studien bestätigen, dass Sars-CoV-2 ab November, spätestens ab Dezember 2019 bereits in Europa zirkulierte
Schon Anfang Mai erschien eine Studie, nach der Covid-19 sich bereits Ende Dezember in Frankreich verbreitet haben könnte, also zu der Zeit, als die Infektion in Wuhan ausbrach und offiziell noch unbestimmt als Lungeninfektion berichtet wurde. Erst Anfang Januar wurde von einer Epidemie berichtet. Von Proben aus den Luftwegen eines Patienten, der Ende Dezember in die Intensivabteilung eines Krankenhauses im Norden von Paris mit einer Hämoptyse (Bluthusten) gekommen war, war nachträglich eine Covid-19-Infektion nachgewiesen worden.
Zudem gab es einen weiteren Bericht vom Albert Schweitzer Hospital in Colmar, nach dem es schon am 16. November den ersten Covid-19-Infizierten in Frankreich gegeben haben soll. Bis dahin galten zwei Franzosen, die aus Wuhan wieder ins Land kamen, als die ersten Infizierten - am 24. Januar. Den ersten registrierten Covid-19-Fall in Wuhan gab es am 17. November. Aufgrund eines Aufrufs der WHO, Lungenentzündungsfälle ab Ende 2019 zur Aufklärung über die Covid-19-Verbreitung zu untersuchen, wurden retrospektiv 2456 Thorax-Scans ab dem 1. November 2019 bis 30 April 2020 durchgeführt. Fast alle Covid-19-Erkrankten weisen bei CT-Bildern Veränderungen der Lunge wie milchglasartige Infiltrate auf.
US-Geheimdienste sollen auch bereits in der zweiten Hälfte des November 2019 die israelische Regierung vor dem Ausbruch einer Epidemie in Wuhan gewarnt haben. Nach einem anderen Bericht soll es entsprechende Warnungen vor einem möglicherweise "katastrophalen Ereignis" an das Pentagon und das Weiße Haus Ende November gegeben haben. Nach einer Genanalyse von Proben von Covid-19-Erkrankten gehen Wissenschaftler aus Cambridge, Münster und Kiel davon aus, dass der neue Coronavirus irgendwann zwischen September und November auf den Menschen übergegangen sein könnte.
Abwasserproben vom 12. März 2019 waren positiv
In Spanien haben Wissenschaftler, wie sie in einem auf medRxiv am 27. Juni veröffentlichten Preprint schreiben, in zwei Kläranlagen von Barcelona zwischen 13. April und 25. Mai 2020 wöchentlich Proben auf Sars-CoV-2 durchgeführt, aber auch tiefgefrorene Proben vom Januar-März 2018, vom Januar, März, September-Dezember 2019 und vom Januar-März 2020 auf Sars-CoV-2 mit einem PCR-Test von Invitrogen, Life Technologies, durchsucht. In den zwei Kläranlagen nahm die Virenmenge von April bis Ende Mai 2020 zunehmend ab, bis schließlich Sars-CoV-2 nicht mehr nachgewiesen werden konnte, während in Abwasserkanälen weiterhin Virengenome nachgewiesen wurden.
Bei den archivierten Proben vom 15. Januar bis 4. März nahm hingegen die Virenkonzentration stetig zu. Sars-CoV-2 wurde im Abwasser am 15. Januar entdeckt, 41 Tage vor der Bekanntgabe des ersten Covid-19-Falls am 25. Februar in Spanien. Möglicherweise waren Infizierte, so vermuten die Wissenschaftler, zunächst falsch als Influenza-Träger in der medizinischen Grundversorgung diagnostiziert worden. Überdies ist ein hoher Anteil der Covid-19-Träger asymptomatisch.
Die archivierten Proben aus 2018 und 2019 enthielten bis auf eine Ausnahme keine Sars-CoV-2-Viren. Proben vom 12. März 2019 waren jedoch positiv. Das deute darauf hin, so die Wissenschaftler, dass das Virus schon lange vor jedem Bericht über einen Covid-19-Fall weltweit zirkulierte. Barcelona sei ein Handels- und Geschäftszentrum sowie ein Ort, an dem viele große Veranstaltungen stattfinden, die Besucher aus aller Welt anziehen: "Nichtsdestotrotz ist es wahrscheinlich, dass ähnliche Situationen mit der unbemerkter Zirkulation von Covid-19-Fällen in verschiedenen anderen Teilen der Welt aufgetreten sein können."
Die Wissenschaftler empfehlen die Analyse des Abwassers zur Prävention, weil man mit einer "Abwasser basierten Epidemiologie" frühzeitig feststellen könne, wenn ein Virus sich in der Bevölkerung verbreitet. Man muss allerdings wissen, nach welchen Viren man sucht. Sollte der Befund zutreffen und es sich nicht etwa um einen Testfehler handeln, dass bereits im März 2019 Sars-CoV-2-Viren in Barcelona vorhanden waren, würde das bedeuten, dass in Wuhan zwar der erste größere Ausbruch der Infektion stattfand, dass die Stadt aber nicht der Ursprungsort ist.
In Italien waren Abwasserproben ab Mitte Dezember positiv
Ein britisch-polnisches Wissenschaftlerteam hat in einer Studie nahegelegt, dass Sars-CoV-2 nicht nur über Aerosole weitergegeben wird, sondern dass dies auch durch mit Abwasser kontaminiertem Wasser geschehen kann. Im Wasser könne das Virus bis zu 25 Tage überleben, offenbar in kälterem Abwasser besser, weswegen die Covid-19-Pandemie in den Wintermonaten in nördlichen Ländern ausgeprägter sein könnte. Überschwemmungen oder überlaufende Abwassersysteme können Trinkwasser kontaminieren, was besonders gefährlich in Slums oder Flüchtlingslagern ohne sichere Abwassersysteme sei.
In Italien haben Wissenschaftler der Gesundheitsbehörde Istituto Superiore di Sanità (ISS) Spuren des Sars-CoV-2-Virus Mitte bis Ende Dezember in den Abwässern von Turin, Mailand und Bologna festgestellt. Sie untersuchten 40 Abwasserproben, die zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 entnommen wurden, sowie 24 Proben vom September 2018 bis Juni 2019. Letztere waren alle negativ, während am 18.12.2019 in Mailand und Turin und am 29.01.2020 in Bologna erste Proben positiv waren. Die Wissenschaftler erklären, dass der Nachweis von Sars-CoV-2 bereits Ende 2019 noch keinen Beweis dafür darstelle, dass hier der Hauptübertragungsweg für Italien vorliegt. Sie schlagen ebenfalls ein Überwachungssystem für das Abwasser zur Früherkennung von Epidemien vor.
Ungewiss ist also, ob der Fund im März 2019 ein Ausreißer oder ein Messfehler ist, aber mehrere Studien zeigen, dass Covid-19 bereits ab November, spätestens im Dezember 2019 in Europa zirkulierte.
Das steht im Widerspruch zu einer auch gerade veröffentlichten Studie, die mit Genomanalysen die Verbreitung des Virus in Europa zu rekonstruieren sucht. Danach sei Covid-19 vor dem 8. März aus Hubei nach Italien, Deutschland, Spanien und andere europäische Ländern jeweils 2-4 Mal importiert worden. Es gab aber nur isolierte Fälle ab Mitte Januar. Ab dem 8. März hat sich danach eine in Europa, vermutlich in Italien, Mitte Januar bis Mitte Februar entstandene Variante (A2a) ausgebreitet. Zweidrittel aller genetischen Proben von Infizierten in Europa zeigen nach einer Untersuchung diese Variante. Vermutlich von Italien aus, wo der erste größere Ausbruch stattfand, hat sich Covid-19 vor den Reiseverboten in andere Länder verbreitet, während wahrscheinlich keine Migration aus Hubei für die weitere Verbreitung in und zwischen europäischen Ländern sorgte.
Die Wissenschaftler beziehen sich auch noch auf den Stand, dass die ersten Covis-19-Fälle in Deutschland am 28. Januar und in Frankreich am 21. Februar festgestellt wurden. Von den bis 21. Februar in Europa entdeckten Fällen wurden, so heißt es in der Studie, 14 in China infiziert, 14 vermutlich in Deutschland, 7 vermutlich in Frankreich. Bei 12 Fällen ist die Infektion nicht lokalisierbar. Die Wissenschaftler räumen ein, dass aufgrund der wenigen Covid-19-Proben und vor allem der Tatsache, dass viele Infektionen asymptomatisch verlaufen und nicht erkannt wurden, die Ergebnisse mit Vorsicht behandelt werden müssten (siehe auch: Covid-19: Über 30 Varianten mit vielen genetischen Unterschieden).
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.