Covid-19: Wie könnte eine dritte Welle aufgehalten werden?

Argumente für proaktive Maßnahmen und gegen Behauptungen, eine Null-Covid-Strategie sei nicht durchführbar

In einem ersten Artikel zu diesem Thema in Telepolis wurde dargestellt, warum die Orientierung auf eine massive Absenkung der Infektionszahlen, das heißt, eine Null-Covid-Strategie, vernünftig ist, und wie sie auch in Deutschland solidarisch umgesetzt werden könnte.

In Ergänzung dazu setzt sich der vorliegende Beitrag mit einigen Kritiken dieser Strategie auseinander und zeigt auf, warum bei der Sars-CoV-2-Pandemie, einer "menschengemachten Naturkatastrophe" mit verheerenden gesundheitlichen und sozialen Folgen1, ein proaktives Handeln zwingend notwendig ist.

Bekanntlich kann eine Handlungsweise dann als proaktiv bezeichnet werden, wenn sie durch differenzierte Vorausplanung und zielgerichtete Aktivität die Entwicklung eines unerwünschten Geschehens zu bestimmen und die Situation zu kontrollieren versucht. Darum geht es bei einer Null-Covid-Strategie.

Begriffserklärungen

Unter der Null-Covid-Strategie wird ein internationaler Aufruf von mehr als 1.000 europäischen Wissenschaftler:innen verstanden, durch einen möglichst konsequenten Lockdown für einige Wochen die Verbreitung von Sars-CoV-2 und seiner Varianten so stark abzubremsen, dass die geringe Zahl der dann noch auftretenden Neuinfektionen von den Gesundheitsämtern erfolgreich nachzuverfolgen und durch nicht-pharmazeutische Interventionen zu beherrschen ist.2

Daran angelehnt hat sich in Deutschland eine Initiative von 13 Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Fachgebieten gebildet, die dafür plädiert, das Null-Covid-Ziel, das in mehreren Ländern schon erfolgreich umgesetzt wurde, auch bei uns im Anschluss an einen strengen Lockdown anzuwenden, um danach schrittweise eine weitestgehende Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen.3

Diese Initiative konnte ihre Vorstellungen bei der Bund-Länder-Konferenz am 3. März ausführen.4 Bei den dort gefassten Beschlüssen mit den ins Auge gefassten Lockerungen schon bei höheren Inzidenzen wurden die Vorschläge der WissenschaftlerInnen jedoch weitgehend ignoriert. Mit diesen Beschlüssen laufe die dritte Welle an, kommentierte am Folgetag der Tagesspiegel.5

Dagegen ist #ZeroCovid eine Initiative aus dem linken politischen Spektrum, die sich an dem oben genannten Aufruf der europäischen WissenschaftlerInnen orientiert und sich für einen "konsequenten solidarischen Shutdown" für einige Wochen einsetzt, der auch das Arbeitsleben mit Ausnahme von lebenswichtigen Bereichen mit umfassen soll, weil hier die meisten Neuinfektionen auftreten.6

Diese Initiative wurde inzwischen von mehr als 100.000 Personen aus der Zivilgesellschaft unterzeichnet und wird von Teilen der Gewerkschaft unterstützt.7 Zu den ErstunterzeichnerInnen gehören einige in der Öffentlichkeit bekannte Personen wie die Klimaaktivistin Lisa Neubauer, der Ökonom Rudolf Hickel und Ester Bejarano.

Von dem Aufruf der WissenschaftlerInnen unterscheidet sich die #ZeroCovid-Initiative dadurch, dass sie zugleich eine umfassende solidarische Unterstützung für diejenigen fordert, die besonders stark von der Pandemie betroffen sind, das heißt, für die Arbeiter und Angestellten, deren Tätigkeit für Wirtschaft und Gesellschaft unabdingbar ist. Darüber hinaus setzt sich diese Initiative für den Ausbau einer sozialen Gesundheitsinfrastruktur ein und verlangt unter anderem die Rücknahme bisheriger Privatisierungen von Krankenhäusern und Klinikschließungen.

Was bedeuten die Zahlen?

Im Zusammenhang mit den geschilderten Strategien bzw. Initiativen werden eine Reihe von Zahlen als Richtwerte für politisches Handeln diskutiert, deren Bedeutung verwirrend ist und deshalb kurz erläutert werden soll.

Im Aufruf der europäischen WissenschaftlerInnen wird im Rahmen eine Null-Covid-Strategie ein konsequenter Lockdown vorgeschlagen, der das Ziel haben sollte, weniger als zehn Neuinfektionen pro Million Einwohner (EW) pro Tag in Deutschland zu erreichen.8 Umgerechnet wären das etwa 800 durch PCR-Tests bestätigte Neuinfektionen täglich.

Die deutschen WissenschaftlerInnen, die das Null-Covid-Ziel vertreten, plädieren für eine Niedriginzidenz von weniger als zehn Neuinfektionen pro 100.000 EW pro Woche.9 Umgerechnet sind das etwa 1.200 Neuinfektion pro Tag, also eine vergleichbare Zahl.

Für die von der Politik beschlossenen Lockerungen werden als Richtzahlen (Inzidenzen) 35, 50 bzw. 100 Neuinfektionen pro 100.000 EW pro Woche genannt. Diese liegen dreieinhalb, fünf- oder zehnfach höher als die genannten von den WissenschaftlerInnen vorgeschlagenen Niedriginzidenzen, die angestrebt und möglichst unterschritten werden sollten.

Bei diesem Zahlenspiel ist klar, dass die Zahl der täglich festgestellten bestätigten Neuinfektionen bzw. die genannten Inzidenzen nur eine grobe, wenn auch wichtige Orientierung über das Infektionsgeschehen geben können. Die tatsächliche Zahl der Neuinfektionen liegt aufgrund der Dunkelziffer wahrscheinlich fünffach höher.10

Behauptungen der Kritiker und Gegenargumente

"Ein so niedriger Inzidenz-Wert von weniger als zehn Infizierten pro 100.000 Einwohnern pro Woche ist in Deutschland überhaupt nicht zu erreichen."

So oder ähnlich lauten viele Einwände zu den geschilderten Vorschlägen, die zum Teil mit Entrüstung oder Hohn und Spott vorgetragen werden. Wenn man solche Stellungnahmen liest, bekommt man den Eindruck, dass diese Autoren nicht wissen, was die Zahlen konkret bedeuten.

Haben die Kritiker wirklich vergessen, dass wir dieses Ziel 2020 in der Zeit von Ende April bis Anfang August über viele Wochen erreicht und unterschritten hatten? So zeigen die Diagramme von Ken Kubota, dass 2020 vom 6. Mai bis zum 30. Juli mit einer Ausnahme (16. Juni: 1115) die Zahlen sämtlicher festgestellter Neuinfektionen immer unter 800 pro Tag gelegen haben.11

Weiterhin fehlt in solchen Stellungnahmen jeder Hinweis darauf, dass es eine Reihe von Ländern gibt, die dieses Ziel einer sehr niedrigen Neuinfektionsrate schon längst erreicht haben. Dazu zählen nicht nur China und Vietnam, sondern auch Australien, Neuseeland, Taiwan, Singapur, Südkorea, Island und auch Finnland.

Wichtig ist, dass in diesen Ländern nur sehr wenige Menschen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus sterben. Ein Grund dafür ist, dass die Zahl der Neuinfizierten in jedem Land in Abhängigkeit von der Altersstruktur in einem bestimmten Verhältnis zur Zahl der Todesfälle steht. Je mehr Neuinfizierte es gibt, desto mehr Todesfälle im Zusammenhang mit Corona folgen daraus, die verhindert werden könnten.

In den vergangenen Wochen waren das in Deutschland zwischen 500 und 1000 Todesfälle pro Tag. Zuletzt ist die Anzahl der täglichen Todesfälle zum Glück etwas zurückgegangen, möglicherweise aufgrund der durchgeführten Impfungen in den Alten- und Pflegeheimen. Auch wenn man berücksichtigt, dass im Durchschnitt unabhängig von Corona pro Tag etwa 2.500 Menschen in Deutschland versterben, sind diejenigen, die im Zusammenhang mit dem Corona-Virus gestorben sind, zusätzliche unnötige Tote. Und die könnten in den nächsten Wochen noch deutlich mehr werden, warnten die Intensivmediziner am 4. März 2020 mit Verweis auf die beschlossenen Öffnungsschritte.12 Laut Süddeutscher Zeitung am 15.3.2021 fordern die Intensivärzte eine sofortige Rückkehr zum Lockdown.13

"Wir brauchen nur abzuwarten: Wenn die Sonne scheint, ist das Thema erledigt."

Schon relativ früh nach Ausbruch der Pandemie gab es vereinzelt Studien, die von der Möglichkeit einer verringerten Übertragung des Virus bei höheren Temperaturen sprachen.

In einer im Dezember 2020 veröffentlichten großen Analyse von täglichen Covid-19-Zahlen und Wetterdaten aus über 3.000 Verwaltungsregionen in mehr als 170 Ländern wurde festgestellt, dass die Ausbreitung von Covid-19 in der Bevölkerung in den Wochen nach einer höheren UV-Exposition tendenziell geringer war.14

Das Ausmaß der Saisonalität von Covid-19 ist aber seit dem ersten Auftauchen der Krankheit vor einem Jahr noch unklar, obwohl es einige Hinweise darauf gibt, dass UV-Licht dabei eine Rolle spielen könnte. Verwandte Arten von Coronaviren wie Sars und Mers erwiesen sich als empfindlich gegenüber UV-Strahlung und neuere Laborstudien zeigen, dass UV-Strahlung Sars-CoV-2 auf Oberflächen inaktiviert.

Die Forscher diagnostizierten die Beziehung zwischen UV-Strahlung und Covid-19 anhand von Daten vom Beginn der Pandemie an und nutzten diese Beziehung, um in Simulationen zu untersuchen, wie saisonale Veränderungen die Ausbreitung von Covid-19 beeinflussen könnten.

Sie stellten fest, dass die Veränderungen der UV-Strahlung zwischen Winter und Sommer zu einem Rückgang der Infektiosität von Covid-19 um sieben Prozent auf der nördlichen Hemisphäre führten. Das volle Ausmaß der saisonalen Veränderungen von Covid-19 aufgrund von Einflüssen durch andere Umweltfaktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit sei jedoch nicht sicher abschätzbar.

In der Untersuchung wurde auch festgestellt, dass Umwelteinflüsse nur einer von vielen Determinanten der Covid-19-Übertragung sind und dass die geschätzten Auswirkungen der UV-Saisonalität auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre nur einen Bruchteil der geschätzten Auswirkungen von nicht-pharmazeutischen Interventionen einschließlich Quarantäne und Reiseverboten ausmache.

Zusammenfassend kann man sagen, dass natürliche Schwankungen der ultravioletten Strahlung die Ausbreitung von Covid-19 beeinflussen können, aber der Einfluss ist nach neueren Forschungsergebnissen eher gering im Vergleich zu präventiven Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, physische Distanzierung, der Gebrauch von Masken und Quarantäne.

"Australien und Neuseeland als Inselstaaten unterliegen durch ihre geographische Lage ganz anderen Ausgangsbedingen und können deshalb nicht mit Deutschland verglichen werden. Und den Zahlen aus China kann man nicht trauen."

So oder ähnlich kann man es in vielen Stellungnahmen hören und lesen. Peter Vonnahme geht in seiner Kritik der deutschen Corona-Politik, die er am 9. März in Telepolis veröffentlicht hat, auf dieses Argument ausführlich ein.15

Er sagt, dass im Vergleich mit den USA und Brasilien, Ländern, deren Präsidenten die Gefährlichkeit von Sars-CoV-2 leugneten, und einigen anderen Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Italien der Verlauf der Infektion in Deutschland günstiger gewesen sei.

Aber die oben schon genannten Länder haben wesentlich weniger Infektionsfälle und dem entsprechend auch weniger Todesfälle zu verzeichnen. Zu China sagt er:

Nun behaupten Kritiker ohne jeden Beleg, dass man den offiziellen Zahlen aus China nicht trauen könne. Für die Richtigkeit der chinesischen Zahlen spricht jedenfalls, dass sich Chinas Wirtschaft nachweisbar von den Einbrüchen zu Beginn der Corona-Krise rasant erholt hat. Auch das öffentliche Leben läuft wieder weitgehend normal ab.

Peter Vonnahme

Wenn die Insellage entscheidend wäre für die niedrigen Corona-Zahlen, führt er weiter aus, dann sei es unerklärbar, warum Großbritannien so massiv von der Pandemie getroffen worden sei. Ähnliches gelte für die USA – umschlossen von zwei Ozeanen, nur Grenzen zu Kanada und Mexiko –, für Spanien und auch Italien mit vergleichsweise kurzen Außengrenzen.

Die Schlussfolgerung sei, dass neben der Geografie noch andere Faktoren wesentlich für das Pandemiegeschehen seien, so etwa kulturelle Prägung, Disziplin der Bevölkerung, Problembewusstsein und Überzeugungskraft der politischen Führung.

"Es gelte vor allem die vulnerablen Bevölkerungsgruppen vor einer Infektion zu schützen. Damit sind vor allem die Bewohner der Alten- und Pflegeheime gemeint. Ansonsten sollte man auf die Herdenimmunität setzen."

Es ist richtig, dass sich auch in Deutschland die Mehrzahl der Todesfälle in den Alten- und Pflegeheimen ereignet hat und deshalb muss diese Bevölkerungsgruppe, zu der etwa einen Million Menschen bei uns gehören, sorgfältiger, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, geschützt werden, zum Beispiel durch eine weitere schnelle Impfung und der Bereitstellung von ausreichenden Antigen-Tests für die in diesen Einrichtungen Beschäftigten und die Besucher.

Aber wir wissen, dass die Gruppe der Vulnerablen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, viel größer ist. Dazu gehört die gesamte ältere Bevölkerung, insbesondere die über 65-Jährigen, bei denen es sich um mehr als 18 Millionen Menschen handelt. Allein zur Gruppe der über 80-jährigen gehören 4,5 Millionen Menschen in Deutschland.

Neben dem Alter sind bekanntlich auch Vorerkrankungen für die erhöhte Sterblichkeit bei einer Infektion mit dem Coronavirus entscheidend. Über den zahlenmäßigen Umfang der gefährdeten Personengruppen wurde im April 2020 eine aufschlussreiche Studie des Wido (Wissenschaftliches Institut der AOK) publiziert.16

Zu den dabei berücksichtigten Vorerkrankungen zählten chronische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. koronare Herzkrankheit und Bluthochdruck), der Lunge (z. B. Asthma, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung und chronische Bronchitis), Lebererkrankungen, Diabetes, Krebserkrankungen und Erkrankungen, die mit einem geschwächten Immunsystem einhergehen.

Mit Hilfe von Hochrechnungen wurde in dieser Studie ermittelt, dass in Deutschland bei 21,9 Millionen Personen mindestens eine dieser Vorerkrankungen vorliegt, sodass ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 besteht. Zwei Drittel dieser Personen waren 60 Jahre alt und älter.

Bei diesen Risikogruppen sind weitere Personengruppen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 noch gar nicht berücksichtigt. Dazu zählen zum Beispiel auch Millionen Menschen mit einer Adipositas17 und Raucher18, die häufig der jüngeren oder mittleren Altersgruppen angehören. Aber auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in der Altenpflege rechnen dazu, die sich ebenfalls überwiegend in der mittleren Altersgruppe befinden.

Deshalb kann man davon ausgehen, dass bei wahrscheinlich mindestens 30 bis 35 Millionen Menschen in Deutschland ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 besteht, das entspricht 30 bis 40 Prozent unserer Bevölkerung. Diese vulnerablen Gruppen können nicht separat von der übrigen Bevölkerung vor dem Sars-CoV-2- Virus geschützt werden.

Deshalb ist eine Strategie, bei der man dem Virus erlaubt, sich in der Bevölkerung auszubreiten, um möglichst bald durch Infektion eine Herdenimmunität zu erlangen, nicht vereinbar mit dem Schutz der vulnerablen Bevölkerungsteile, bei denen es sich nicht nur um die Bewohner der Alten- und Pflegeheime handelt, sondern darüber hinaus um viele weitere Millionen Menschen in Deutschland.19

Die Impfung allein ist jetzt unsere Rettung

Mittlerweile stehen in Deutschland mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech-Pfizer und Moderna und dem Vektor-Impfstoff von Astrazeneca drei neue genetische Vakzine mit guter Wirksamkeit und Sicherheit zur Verfügung.20 Eine schnelle Durchimpfung der Bevölkerung bis zu einer Herdenimmunität durch die Wirkung dieser Vakzine wäre wünschenswert, scheitert aber derzeit neben logistischen Problemen vor allem daran, dass nicht genügend Impfstoff vorhanden ist.

Die zur Verfügung stehenden Vakzine könnten in naher Zukunft durch einen weiteren Impfstoff der Firma Johnson & Johnson aufgestockt werden, bei dem es sich ebenfalls um eine Vektor-Impfstoff handelt.

Festzustellen ist, dass es erhebliche Probleme der EU-Staaten einschließlich Deutschlands mit den westlichen Herstellern von Impfstoffen gibt. Auch deshalb bietet es sich an, auch auf andere Impfstoffe zurückzugreifen – so etwa den russischen Impfstoff Sputnik V. Die positiven Stimmen in diese Richtung mehren sich .21 Andererseits agitieren EU-Politiker und Behörden gegen den Impfstoff aus Russland, verzögern damit Impfungen und setzen Menschenleben aufs Spiel.22

Aber auch, wenn genügend Impfstoff in Deutschland zur Verfügung stände, werden wir in den kommenden sechs bis neun Monaten wahrscheinlich nicht genügend Menschen impfen können, um weitere Infektionswellen zu verhindern.23 Für die unter 18-Jährigen und für Schwangere sind die Impfstoffe sowieso nicht zugelassen. Außerdem gibt es eine größere Gruppe von Menschen, die sich voraussichtlich nicht impfen lassen werden.

Darüber hinaus bleibt vorerst die Dauer und die Effektivität der Impfung bei der Reduzierung der Übertragung unklar und es ist unsicher, ob die Impfimmunität länger als ein bis zwei Jahre anhält. Auch aus diesem Grunde sollte die Pandemie innerhalb dieses Zeitraums gestoppt sein.24 Deshalb wird die Impfung allein wahrscheinlich nicht der Königsweg sein.

Schlussgedanken

Solange sich die therapeutischen Möglichkeiten bei Covid-19 nicht wesentlich verbessern25, ist eine Verminderung der Todesfälle nur durch präventive Maßnahmen möglich.

Dazu gehören in den nächsten Wochen und Monaten neben der Impfung, deren Effekt vor allem von der Verfügbarkeit von wirksamen und sicheren Impfstoffen abhängt, weiterhin die nicht-pharmazeutischen Interventionen zur Eindämmung der Pandemie. So sehr der Satz: "Die Leute haben die Schnauze voll" (Volker Bouffier) zu verstehen ist, gilt die Prognose, dass sich das Corona-Virus durch Emotionen nicht beeindrucken lassen wird.

Peter Vonnahme lieferte dazu vor wenigen Tagen ein klares Statement27:

Wahrscheinlich wäre es besser und viel billiger gewesen, das Land im Dezember und Januar für ein paar Wochen komplett herunterzufahren. Dann wäre das Übel erfolgreich an der Wurzel bekämpft worden. Denn so bedrohlich exponentielles Wachstum bei R-Werten über eins ist, so schnell nähern sich die Infektionszahlen bei R-Werten unter eins der Nulllinie an.

Der durch einen verschärften Lockdown entstandene Schaden wäre durch eine anspringende Wirtschaft, den Nachholbedarf an Gütern und Dienstleistungen sowie durch die Zuversicht der aus der Zwangshaft "befreiten" Menschen schnell ausgeglichen. Doch davon sind wir leider weit entfernt.

Falls wir uns angesichts der dritten Welle in den kommenden Wochen noch einmal zwischen Lockerungen oder Lockdown entscheiden müssen, sollten wir uns an diese klugen Worte erinnern.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin- Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin- Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Er ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Nikotin-Tabakforschung e.V. (DGNTF) und arbeitet in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. Email: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

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