Da fliegt mir doch das Fett weg
Neues Medikament soll Zivilisationskrankheit Übergewicht stoppen
Der moderne Mensch bewegt sich allgemein nicht mehr so gern und wird dicker und krankheitsanfälliger. Daher arbeitet die Wissenschaft verstärkt an Medikamenten, die die Kalorienverbrennung künstlich unterstützen. In Großbritannien wird nun an einer Pille für Couch-Potatoes und sonstige Unsportliche geforscht, die die Fettspeicherung bremsen soll.
Ich werde in der Sonne immer dicker, meinte zutreffend die zu Unrecht vergessene NDW-Band Die Zimmermänner (Vgl. RAF, LSD und Graninisaft) bereits vor gut 20 Jahren. Mit der Sonne ist es in diesen Breitengraden ja nicht mehr ganz so weit her, dicker werden wir aber trotzdem immer mehr. Und das gilt zunehmend für alle Altersgruppen, speziell in den Wohlstandsländern der westlichen Hemisphäre.
Jetzt arbeiten Wissenschaftler im britischen Königreich wieder einmal an einer sogenannten Couch-Potato-Pille, die die grassierende Volkskrankheit Übergewicht bekämpfen soll. Professor Grahame Hardie an der schottischen Universität Dundee hatte bereits Mitte der 80er Jahre einen genetischen Prozess namens AMPK (Adenosinmonophosphat-aktivierte Proteinkinase) erforscht. Dieser sorgt im Stoffwechsel dafür, dass Kohlehydrate und Fette in den Muskeln verbrannt und gar nicht erst zu Fettgewebe umgewandelt im Körper gespeichert werden. Wenn in den Körperzellen das Energieniveau absinkt, wird eine Eiweißenzym-Reaktion aktiviert, die die Aufnahme und Verarbeitung von Glukose und Fetten auslöst. Herkömmlicherweise wird eine solche durch AMP angeregte Reaktion von regelmäßiger körperlicher Bewegung gefördert, die viele Kalorien verbraucht.
In der bevorzugt sitzenden, liegenden und überdies alternden Wohlstandsgesellschaft des 21. Jahrhunderts fehlt es jedoch zunehmend an dieser sportlichen Betätigung. Die Folge ist zum einen das immer häufigere Auftreten von Übergewicht, bei Alt wie bei Jung. Kinder und Jugendliche setzen vor der Spielekonsole und im Fastfood-Restaurant Pfunde an; älteren Semestern ist es wegen anderer Gebrechen manchmal auch gar nicht möglich, Ausgleichssport im nötigen Ausmaß zu treiben. Daneben steigt die Zahl an Diabetes erkrankter Menschen, die früher in erster Linie bei den Alten auftrat, heutzutage aber auch die junge Generation befällt. Die Zuckerkrankheit wird ebenfalls durch mangelnde Bewegung in Verbindung mit falscher, fettreicher Ernährung begünstigt. Das Bauchspeichelhormon Insulin, das den Blutzuckerspiegel natürlich senkt, kann dann nicht mehr richtig verarbeitet werden.
Das AMPK-Medikament, das jetzt von Professor Hardie in Zusammenarbeit mit Pharmafirmen entwickelt wird, soll daher auf künstlichem Wege die notwendige Verbrennung von überschüssigem Fett herbeiführen. Obwohl ausreichender Sport und bewusste Ernährung natürlich immer noch besser wären, wie Hardie anmerkt. Falls das Mittel keine gravierenden Nebenwirkungen zeitigt, könnte es durchaus ein Erfolg werden. Vor ein paar Jahren wurde ja schon einmal eine Fettpille namens XENICAL auf den Markt gebracht, durch die überschüssiges Fett auf sozusagen "natürlichem" Wege ausgeschieden wurde. Da konnte der Diätwillige, der keinen Bock auf Fitnessstudio hatte, schon mal von seiner fettigen Unterhose unangenehm überrascht werden.
Dann fehlt eigentlich bloß noch ein kulturelles Medikament, das vorbeugend die (De)-Motivation hin zum Couch Potato (oder besser: Subculture Refugee) bekämpfen könnte. Denn das sogenannte neue coole Electroclash-Movement, das aus den USA garantiert demnächst in großem Stil in die europäischen Städte eingeschleppt wird, ist nur ein weiterer Beleg für den Niedergang des Nachtlebens in der Post-Rave-Zeit. Stilmittel aus den 60er bis 80er Jahren mit abgestandenem Boheme-Dekadenz-Künstleranspruch sinn- und geschmacklos zusammengerührt - wie originell! Das hatte man in den 90ern (auch ohne Kunst) schon zur Genüge ertragen müssen. Und Szene-Star "Tobell von Cartier" (bah) wagt es zu säuseln: "You are useless, Darling - I am Catherine Deneuve!". Weder hat das die göttliche Deneuve verdient, noch die Welt generell. Sowas muss ja in die Hose gehen. Hoffentlich kommt was im Fernsehen.