Daddeln pur
Super Monkey Ball 2 kehrt zu den Wurzeln des Videospiels zurück
Es gibt sie noch, die Spiele ohne fünffache Button-Belegung. Rar sind sie geworden, umso mehr freut sich gerade das ältere Daddlerherz, das für Pacman ganz ohne, für Asteroids und Donkey Kong mit einem Button auskam, über Super Monkey Ball 2 für den GameCube und den kleinen Bruder Super Monkey Ball Jr, welche die alte Tugend der Einfachheit wiederbeleben.
Zum Spielen des Puzzle-Anteils von Super Monkey Ball 2 genügt - sieht man einmal vom A-Button zum Ändern des Zooms der Übsichtskarte ab - der Analogstick des Gamepads. Das Puzzle findet sein Vorbild in den Holzlabyrinthen, die sich in den siebziger Jahren großer Beliebtheit erfreuten - dort galt es eine kleine Metallkugel an zahlreichen Löchern vorbei ins Ziel zu manövrieren. "Gesteuert" wurde damals schon in Ermangelung der Virtualisierung nicht die Kugel sondern das Labyrinth, dessen Neigung der Spieler mittels zwei Achsen veränderte.
Dieses Spielprinzip setzt Sega - in Deutschland über Infogrames - mit Super Monkey Ball (SMB) (vgl. Würfelspiele) zunächst am Spielautomaten und später dann für den GameCube um. Anders als bei Ataris Spielautomaten Klassiker Marble Madnes, bei dem der Spieler die Kugeln (übrigens damals mit einem Trackball) steuerte, kippt er in SMB das virtuelle Labyrinth.
Dass die Metallkugeln bei der Übertragung in die virtuelle Welt zu den namensgebenden Affen in Bällen wurden, kann wohl nur japanischen Entwicklern einfallen. Zugegebenermaßen klingt das Spielprinzip "Steuere einen Affen in einem Ball durch ein Labyrinth ins Ziel" eher nach einem Aprilscherz, aber "führe eine Horde Lemminge, die Treppen bauen und sich selbst in die Luft sprengen" klingt eigentlich auch nicht besser - und wie Lemminge packt den Spieler in SMB schnell das Fieber, erliegt er der Versuchung, "nur mal schnell" in das nächste Level zu schauen, das ihn dann doch bis zur Vollendung packt, damit er auch ins nächste nur mal schnell hineinschaut.
Im ersten Super Monkey Ball war die Zahl der Versuche dabei durch eine vorgegebene Lebenszahl begrenzt - stürzte der Affe zu oft ins Leere oder lief er der Zeit hinterher, musste sich der Spieler dem Game Over ergeben. Super Monkey Ball 2 hat zusätzlich zu dem klassischen Modus, in dem der Spieler auf drei unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen mit einer begrenzten Zahl von Versuchen sich seinen Weg durch zahlreiche Labyrinthe bahnt, einen Story-Modus. Jeweils 10 Level sind darin zu einer Welt zusammengefasst. Der Spieler hat beliebig viele Anläufe, um alle Level einer Welt zu schaffen, um die nächste zu erreichen. Die "Story" selbst ist übrigens eher lästiges Beiwerk, die dem Spiel einen kindlichen (oder schon eher kindischen) Touch verleiht, den es nicht verdient. Freilich ist SMB2 ob seiner Gewaltfreiheit für Kinder geeignet, mit der Kombination aus Puzzle und Geschicklichkeitsspielen und einer großen Herausforderung an die Geduld des Spielers spricht SMB2 vor allem Fans von Spielen wie Lemmings und Tetris an, die eher in der (relativ betrachtet) älteren Daddler-Riege zu finden sind.
Viel stärker als im ersten Spiel, muss sich der Spieler in Super Monkey Ball 2 mit beweglichen Objekten auseinandersetzen, muss sein Timing auf die Umgebung abstimmen, um beispielsweise eine sich drehende Spirale zu überqueren. War der erste Teil von SMB überwiegend statisch, spielt in SMB2 etwa jedes zweite Level mit dem zusätzlichen Moment der bewegten Umgebung. Zum Teil kann der Spieler zudem die Bewegung durch Schalter beeinflussen, sie beschleunigen, umkehren oder stoppen. Die Wahl der richtigen Geschwindigkeit ist dabei stets der erste, selten der einzige Schritt zum Ziel. Oft liegen die Schalter abseits des offensichtlichen Lösungswegs, sodass ein kleiner Umweg scheinbar unüberwindbare Hindernisse zum Spaziergang macht.
Schon den ersten SMB-Release peppte Sega mit ein paar Partyspielen auf, SMB2 wird offiziell als "Partyspiel" gelistet, was den Puzzle-Anteil meiner Meinung nach zu weit in den Hintergrund drängt. Anders als beim Kinderspiel Super Mario Party sind die Partypiele in SMB2 altersunabhängig, aufgrund der Simplizität eignen sie sich übrigens gut als Köder für konsolenphobische Mitmenschen. Selten braucht der Spieler mehr als einen der Gamepad-Buttons, die Regeln sind denkbar einfach: Sei schneller, genauer oder einfach geschickter als deine Mitspieler. Zwölf verschiedene Spiele schicken die Affen in ihren Kugeln in Rennen, Kämpfe, Baseball-Matches und verwandeln sie in Billiard- und Bowling-Kugeln sowie Golfbälle.
Die Affen selbst treten dabei - zumindest für den Spieler jenseits der 12 Jahre - in den Hintergrund, die Partyspiele schaffen das, was alte einst Pong vermochte: Schnell wird der Fernseher eingeschaltet, um mal eben eine Runde zu daddeln. SMB2 ist aber eben kein emulierter Retroaufguss, wie wir sie bereits zahlreich in MAME erleben konnten oder jüngst mit Activisions Anthology (vgl. Play it again, Sam!) fanden. Selbst die bereits vorhandenen Partyspiele hat Sega nicht schlicht übernommen, sondern unter anderem das Billard um die europäische 8-Ball-Pool-Variante (das bekannte Kneipen-Poolbillard) erweitert und Monkey Golf vom Minigolf zum "wahren" Golf befördert.
Parallel zum Release von Super Monkey Ball 2 für den GameCube, bringt Infogrames auch Super Monkey Ball Jr für den Gameboy Advance (GBA) heraus, das im wesentlichen dem ersten Teil von Super Monkey Ball entspricht, allerdings mit einem für den GBA optimierten Leveldesign. Das scheinbar optimale, weil simple, Spielprinzip von SMB leidet auf dem Handheld ein wenig an dem fehlenden Analog-Stick. Alte Gewohnheiten setzt man schnell auch dort um, nur hilft es leider nichts, das digitale Steuerkreuz nur leicht zu drücken - statt dessen drückt der Spieler am GBA den A-Button, um die Ebene mehr, den B-Button, um sie weniger stark zu kippen. Der direkte Kontakt zum Spiel - beim GameCube hat man stets das Gefühl, das Spielfeld so wie einst das Holzlabyrinth wirklich im Griff zu haben - geht dabei verloren.
Der direkte Vergleich von GameCube zu Gameboy Advance ist freilich unfair und Super Monkey Ball Jr für sich gesehen (wer es auf dem GameCube nie gespielt hat, wird die analoge Steuerung auch nicht vermissen) eben deshalb so schön, weil es vom SMB-Spielprinzip lebt: Einfache Regeln mit kurzen aber knackigen Levels. Die einzige wirkliche Schwäche haben Gameboy Advance und GameCube Version gemein: Der Spieler kann die Kamera nicht selbst bewegen. Ob dies ein bewusstes zusätzliches Hindernis von Segas Seite oder schlicht fehlende Implementierung ist, bleibt ein Rätsel.
Auch dem Gameboy-Modul hat Sega vier Minispiele beigepackt - der Begriff Party für GBA-Spiele ist sicher unangebracht, wobei Bowling und Golf (hier noch als Minigolf) auch für lange Zugfahrten oder langweilige Konferenzen für mehrere Spielre taugt. Um sich in Monkey-Kampf mit mehreren GBAs zu prügeln braucht es leider auch mehrere Module - ein 1-Modulmodus für mehrere verlinkte GBAs fehlt.
"Daddeln pur", eben das ist Super Monkey Ball. Sega verzichtet auf einen gigantischen Plot, baut keinen "realistischen" virtuellen Raum auf, sondern Labyrinthe, die ihre Künstlichkeit nicht verbergen, bietet keine Identifikationsfigur (wer möchte der Affe sein, der wie der Hamster im Rad in seinem Ball umher läuft). SMB kehrt zu den Wurzeln des Videospiels zurück, biedert sich nicht an die narrativen Formen moderner Games an, ist einfach - und gerade deshalb macht es "einfach" Spaß.