Darf Deutschland legal Atomwaffen besitzen oder bauen?

Seite 2: Schon die Anfrage an den Wissenschaftlichen Dienst lädt zu Spekulationen ein

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Die NYT sieht in dem Bericht den ersten Hinweis darauf, dass die Überlegungen für einen paneuropäischen nuklearen Schirm oder eine Finanzierung von französischen oder britischen Atomwaffen, um sie auch in Deutschland zu stationieren, "von der informellen Diskussion auf offizielle Kanäle der politischen Entscheidung" fortgeschritten sei. Das trifft zwar nicht zu, weil jeder Abgeordnete sich an den Wissenschaftlichen Dienst wenden kann, aber man darf dennoch vermuten, das Kiesewetter hier auch nicht isoliert handelt, sondern man in Unionskreisen nach dem Brexit und mit Trump über deutsche und europäische Alternativen zur Nato nachdenkt, Atomwaffen inklusive.

Der Wissenschaftliche Dienst jedenfalls sieht keine rechtlichen Hindernisse. So würde Artikel 2 des NPT eine nukleare Teilhabe nicht verbieten. Nach dem Artikel ist jeder Nichtkernwaffenstaat verpflichtet, der Vertragspartei ist, "Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen". Die Begründung erscheint gefinkelt, da bei einer nuklearen Teilhabe beide Staaten gemeinsam über den Einsatz entscheiden und es sich so nicht um eine "Weitergabe von Kernwaffen an einen Nichtkernwaffenstaat bzw. die Erlangung der alleinigen Verfügungsgewalt" handelt. Eigentlich würde dann aber doch Deutschland entweder Kernwaffen stationieren oder mittelbar eine Verfügungsgewalt erhalten.

Im Zwei-Plus-Vier-Vertrag hat auch das vereinte Deutschland bekräftigt, auf Herstellung und Besitz von Atomwaffen zu verzichten. Da offenbar Deutschland nicht an den UN-Verhandlungen zu einem nuklearen Abrüstungsabkommen teilnimmt, spielt dieses auch keine Rolle. Hat die Bundesregierung die Teilnahme nicht nur auf Druck der USA und der Nato verweigert, sondern um Deutschland selbst eine Option offenzulassen? Dort würde es ein Unterstützungs- oder Ko-Finanzierungsverbot geben, das der NPT, so der Bericht, nicht "explizit" verbiete, zudem gebe es in ihm keine Verpflichtung zur völligen Abrüstung. Hier scheint man doch eine sehr eigenwillige Auslegung zu favorisieren, die den Status quo erhalten und damit Deutschland den Zugang zu Atomwaffen sichern will:

Der NVV wollte im Grunde den Status quo "zementieren" und den Besitz von Atomwaffen auf die damals existierenden fünf Atomwaffenstaaten (USA, UdSSR, Frankreich, Großbritannien und China) beschränken. Daran ändert auch die vage formulierte Abrüstungsverpflichtung in Art. VI NVV nichts.

Das mag faktisch von den Atommächten so intendiert worden sein, aber ohne auch eine wie auch immer vage formulierte Verpflichtung zum Abrüsten hätten wohl viele Staaten das Abkommen nicht unterschrieben.

Selbst vage berichtet der Wissenschaftliche Dienst, das Auswärtige Amt habe erklärt, es sei ihm nichts darüber bekannt, dass Deutschland etwa im Rahmen der "nuklearen Teilhabe" an amerikanischen Atomwaffen, die in Deutschland stationiert sind, "an der Finanzierung ausländischer Atomwaffenarsenale eines NATO-Partnerstaates beteiligt gewesen sei". An noch einem weiteren Punkt schleicht man sich vorbei, zumal Deutschland dem NPT erst 1975 beigetreten sei: "In der Fachpresse ist über eine angeblich unter strengster Geheimhaltung erfolgte Ko-Finanzierung des israelischen Nuklearwaffenpotenzials durch Deutschland in den 1950er und 60er Jahren berichtet worden; offiziell erhärten lassen sich diese Angaben nicht."

Während in der EU für eine Ko-Finanzierung erst Regeln bzw. ein Militärhaushalt geschaffen werden müssten, gibt es für Deutschland angeblich freie Bahn:

Im Ergebnis schließt die fehlende Staatspraxis eine Möglichkeit zur Finanzierung ausländischer Atomwaffenpotentiale rechtlich nicht aus. Auch aus dem allgemeinen Völkerecht ergibt sich derzeit kein Finanzierungs- und Unterstützungsverbot für ausländische Atomwaffenpotentiale.

Und weil es (noch) kein völkerrechtliches Verbot gibt, Kernwaffen zu besitzen und das eigene nukleare Arsenal zu modernisieren, wäre die finanzielle Unterstützung dieser Potentiale auch keine Hilfe oder Unterstützung bei der Begehung eines völkerrechtswidrigen Handelns (wrongful act)". Verboten sei nur das Erwerben eigener Atombomben. Allerdings wird in dem Bericht erwähnt, dass eine Ko-Finanzierung von britischen oder französischen Atomwaffen eigentlich wenig Sinn mache, weil die Nato- und die EU-Beistandspflicht im Fall eines Angriffs auf Deutschland letztlich auch den nuklearen Beistand einschließen würde. Dafür müsste es keine nukleare Teilhabe geben. Die aber könnte, was der Bericht nicht erwägt, gerade unter den Bedingungen des anstehenden EU-Austritts Großbritanniens, dann für Frankreich und Deutschland interessant sein, um die französischen Atomwaffenkapazitäten zu modernisieren und auszubauen und um einen ersten Schritt in Richtung einer von der Nato unabhängigeren EU zu gehen.