Das 5G-Gespenst im Hexental - der Medienwandel macht Angst

Das Hexental ist keineswegs ein Sonderfall, zeigt aber exemplarisch die Probleme, die sich auftun, wenn Teile der Bevölkerung die technische Entwicklung nicht mehr nachvollziehen können

Im Hexental südlich von Freiburg entzündet sich seit einiger Zeit die Angst vor dem neuen Mobilfunkstandard 5G an dem vorhandenen Funkmast auf dem Kapuzinerbuck, der von der Deutschen Telekom genutzt wird. Die Telekom hatte kürzlich wegen einer Verlängerung des Pachtvertrags angefragt, der sich dann nicht nur auf die Nutzung durch LTE/4G sondern auch auf 5G bezogen hätte, was aber für das Hexental erst zur Umsetzung ansteht, wenn eine Glasfaserinfrastruktur verfügbar ist, weil die 5G-Mobilfunknetze einen schnellen Festnetzanschluss benötigen.

Obwohl die Einführung von 5G im Hexental auf absehbare Zeit gar nicht ansteht, wird der Widerstand in Unterschriftenaktionen und vergleichbaren Aktivitäten forciert. Teil dieser Forderungen ist auch, den bestehenden Funkturm zu verlegen, so dass er weiter von dem bebauten Gebiet entfernt ist.

Dies verkennt allerdings einfache physikalische Zusammenhänge: Je weiter der nächste Funkturm vom jeweiligen Nutzer entfernt ist desto höher die Sendeleistung seines Smartphones. Wer will, dass sein Körper der Strahlung seines Smartphones weniger ausgesetzt ist, nutzt eine Freisprecheinrichtung oder die Freisprechfunktion des Telefons.

Im Rahmen einer virtuellen Podiumsveranstaltung wurden Befürchtungen und wissenschaftliche Untersuchungen gegeneinander abgewogen, wobei man mit den wissenschaftlichen Ergebnissen oft nicht punkten konnte, weil die, welche die Befürchtungen artikulierten, für die Studienergebnisse praktisch nicht erreichbar waren, weil diese teilweise auf Unverständnis stießen. In dieses Bild passte auch das Erstaunen, dass nach einem Abbau der Funkinfrastruktur auch keine mobilen Notrufe mehr absetzbar wären.

Wie abgehoben die Ängste vor der Digitalisierung bei Manchem sind, zeigte sich an der Feststellung, man fühlt sich unwohl in der Nähe elektronischer Geräte in einem entsprechenden Fachgeschäft. Welche Kapriolen die Angst vor 5G schlägt, zeigte sich in UK, wo selbst inaktive Funkmasten mit dem Vorwurf abgefackelt wurden, sie würden Corona verbreiten. In den Niederlanden hat man kürzlich Anti-5G-Armbänder aus dem Verkehr gezogen, deren radioaktive Strahlung so hoch war, dass sie nicht im Hausmüll entsorgt werden durften.

Digitalisierung verunsichert die Menschen

War die Digitalisierung der Medien und die zunehmende Mobilität dieser Medien anfangs ein gerne gesehener Komfortzuwachs, weil man unabhängig vom heimischen Festnetz auch bei vielen anderen Gelegenheiten außer Haus telefonieren konnte ohne eine der mehr oder weniger ansehnlichen Telefonzellen benutzen zu müssen, wurden auch Messenger und mobiles Internet als Zugewinn bei der Lebensqualität gesehen.

Als dann in zunehmendem Maße die traditionellen analogen Dienste und Dienstleistungen digitalisiert wurden und diese Dienstleister für den Einzelnen nicht mehr sichtbar waren, gab es vielfach im persönlichen Umfeld niemanden mehr, der die neuen Strukturen verstehen konnte. Zudem wanderte auch die Entwicklung und Fertigung der digitalen Endgeräte mit hoher Geschwindigkeit aus Deutschland ab.

Sowohl Motorola in Flensburg als auch Nokia in Bochum oder Siemens Mobile sind Geschichte. Einzig Gigaset, der Nachfolger der Siemens Festnetzendgerätesparte fertigt heute wieder einen Teil seiner Mobilfunkmodelle in Deutschland.

Die noch junge Geschichte der Digitalisierung ist eine Geschichte voller Missverständnisse und Fehlinterpretationen und das liegt nicht in erster Linie an der Hardware und ihrer Technik, sondern an der Flut der verfügbaren Informationen aus Quellen, die nicht mehr eindeutig zuzuordnen sind. Gab es früher den Pfarrer in der Kirche, den Stammtisch oder den Frisör als sicher erscheinende Informationsquelle, sind die Quellen heute deutlich anonymer und schwerer einzuordnen.

Wer sich Informationen im Netz sucht, wird zudem mit der Eigenheit der großen Suchmaschinen konfrontiert, dass sich die neuen Suchergebnisse an den zuletzt aufgerufenen Seiten orientieren, was ganz einfach dazu führt, dass man aus dem so gebildeten Kokon kaum noch herausfindet und die neuen Suchergebnisse scheinbar die davor bestätigen.

Diese Algorithmen zur Vorsortierung der im Netz verfügbaren Informationen machen es für den Nutzer zwar auf den ersten Blick bequemer, sie sorgen auf der anderen Seite auch dafür, dass der durchschnittliche Nutzer, wenn es die Technik hinterfragt, durchaus Angst bekommen kann, wenn ihn die Einschätzung widerfährt, dass er nur noch in eingeschränktem Maße Entscheidungen treffen kann.

Wenn dann noch die nicht ganz unbegründete Angst dazu kommt, dass die aktuelle Entwicklung dazu führen könnte, dass sein gewohnter Job die Digitalisierung nicht überleben wird, und diese Entwicklung von ihm nicht mehr abgewendet werden kann, bietet sich vielfach nur die Flucht in mehr oder weniger diffuse Verschwörungsgeschichten an.

Schnelligkeit und Globalisierung als Treiber der Angst

Die Geschwindigkeit der Digitalisierung und der globale Wettbewerb, setzen sowohl Unternehmen als auch die Politik einem erhöhten Druck schnell zu entscheiden und schnell zu handeln aus. Die Tatsache, dass man in China große Teile dieser Entwicklung nicht nur vorhergesehen, sondern auch vorbereitet und geplant hat, kann man mit Sanktionen und Embargos nicht wirklich aus der Welt schaffen.

Die Vorstellung, dass China seine dauerhafte Rolle in der Weltwirtschaft als billige Werkbank des Westens sieht, war ein westlicher Trugschluss. Die Exportabhängigkeit Chinas ist deutlich geringer als die Deutschlands oder der Schweiz.

Wo viele westliche Unternehmen in Quartalen und die Politik in Vier-Jahres-Legislaturperioden denken, hat China einen langfristigeren Plan, der allerdings auch Entwicklungsfehler zügig korrigieren kann, wenn eine Entwicklung aus dem Ruder zu laufen droht.

Was sich in China inzwischen als kontinuierlicher Kulturwandel zeigt, erscheint hierzulande vielen eher als Kulturrevolution, die sie verschlingt. Und statt für sich und sein direktes Umfeld eine neue Rolle zu suchen, die dem weiteren Leben Sinn und Unterhalt gibt, wendet man sich gegen bedrohlich scheinende Veränderungen.

Dies zeigt sich beim Kampf gegen 5G aber auch bei der Ablehnung neuer Impfstoff-Entwicklungs- und Produktions-Techniken und vielfach inzwischen schon grundsätzlich bei wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel, der die gewohnten Lebensgrundlagen hierzulande durchaus bedroht.

Angst vor neuer Technik ist nicht wirklich neu

Ein Medienwandel hat Menschen auch zu früheren Zeiten schon verunsichert, so wie das heute beim Wandel von analog zu digital geschieht. Schon so mancher griechische Philosoph soll irritiert gewesen sein, als seine Aussagen nicht mehr nur mündlich tradiert wurden, sondern schriftlich. Auch nach der Erfindung des Buchdrucks hatten Menschen Angst vor der großen Veränderung.

Gab es doch mit dem Buchdruck die Möglichkeit auch Meinungen schneller zu verbreiten, als über die Schreibstuben in den Klöstern. So fanden mithilfe von gedruckten Pamphleten auch gesellschaftskritische Meinungen ihren Weg in die breite Öffentlichkeit.

Trotz aller Widerstände setzten sich das Buch und später die Zeitung als Medium durch, die Handschrift behielt jedoch über Jahrhunderte in bestimmten Bereichen ihre Bedeutung und wurde später auch in der Schule unterrichtet. Erst in jüngster Zeit wird sie durch das Tippen auf einer analogen oder virtuellen Tastatur und die immer besser werdende Spracherkennung zunehmend verdrängt.