Das Cartagena-Protokoll reicht weder in Japan noch in der EU
Genmanipulierte Pflanzen und der gesetzliche Schutz
Im September 2003 ist das Protokoll zur biologischen Sicherheit, das Cartagena-Protokoll, in Kraft getreten. Die Urfassung der im Protokoll festgehaltenen Richtlinien stammt von der "Convention on Biological Diversity" in Rio de Janeiro aus dem Jahr 1992. Ziel ist es, die biologische Vielfalt vor den möglichen Risiken zu schützen, die von lebenden modifizierten Organismen ausgehen, wie sie durch die Gentechnik hervorgebracht werden.
Japan und Deutschland haben das Cartagena-Protokoll inzwischen ratifiziert. Dennoch machen beide Länder erhebliche Mängel deutlich, zuletzt aufgezeigt von K.N. Wanatabe, M. Taeb und H. Okusu in Science.
Das Protokoll regelt den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Dabei geht es um den grenzüberschreitenden Transport (transboundary movement) mit entsprechenden Import- und Exportbestimmungen. Ferner verpflichtet das Cartagena-Protokoll die beigetreten Länder dem "Vorsorgeprinzip". Dies hat zur Folge, dass Staaten Schutzmaßnahmen erlassen dürfen, ohne auf einen endgültigen wissenschaftlichen Beweis der Ursachen und Wirkungsketten möglicher Gefahren von GVO warten zu müssen. Und schließlich basiert das Protokoll auf der Annahme, dass jeder gentechnisch veränderte Organismus neuartig ist und dementsprechend eine eigene Risikoabschätzung erforderlich macht.
Ferner verpflichtet das Cartagena-Protokoll zur "vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage" (advance informed consent). So kann das Protokoll von Bürgern oder den Interessenvertretungen dazu genutzt werden, um Forderungen nach gesetzlichem Schutz vor den Gefahren der Gentechnologie zu fordern. Leider gibt es das Cartagena-Protokoll nicht in offizieller deutscher Übersetzung, dafür in französisch, spanisch, russisch, chinesisch und arabisch.
Regelung in der EU
Für die Europäische Union (EU) ist ein umfassendes Regelwerk zu gentechnisch veränderten Organismen geschaffen worden, das über das Cartagena-Protokoll hinaus weiter entwickelt wird und zum Teil mit den länderspezifischen Besonderheiten konkurriert.
Zu den Folgen aus dem Cartagena-Protokoll zählen die neuen Vorschriften über die Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgung von gentechnisch veränderten Organismen für Futter- und Lebensmitteln. Seit April 2004 lesen die Verbraucher nun häufiger auf den Produktetiketten diesen Passus: "aus genetisch verändertem ...".
Neu ist auch, dass die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Futter- und Lebensmittel auf dem Grundsatz aufbaut, wonach markiert werden muss, was aus einem oder mehreren GVO hergestellt wurde. Folglich werden auch solche Produkte gekennzeichnet, in denen im Endprodukt nicht mehr nachgewiesen werden kann, dass sie aus einer oder mehreren genetisch veränderten Organismen hergestellt wurden. Dies kann bei Ölen der Fall sein, wenn sie raffiniert und gefiltert worden sind, oder bei Zucker, der aus gentechnisch verändertem Mais entstanden ist und dann nicht mehr auf den gentechnisch veränderten Ursprung zurückgeführt werden kann. Neu ist ferner, dass Produkte aus gentechnisch veränderten Organismen, wenn sie als Futter- und Lebensmittel eingesetzt werden können, auch als Futter- und Lebensmittel zugelassen werden müssen. Die Verpflichtung zur Kennzeichnung beginnt bei einem Anteil von 0,9 Prozent und mehr.
Da Produkte gekennzeichnet werden müssen, die aus GVO bestehen oder aus ihnen hergestellt wurden, in denen aber die gentechnisch veränderten Bestandteile im Endprodukt nicht mehr nachweisbar sind, wird ein Rückverfolgungssystem notwendig. Die bei der Herstellung beteiligten Firmen, Verarbeiter, Händler, und so weiter müssen über fünf Jahre lang die gentechnisch veränderten Bestandteile eines Produktes samt ihrer Quellen vorlegen.
Regeln, die in Japan zunehmend Schwierigkeiten bereiten
Auch in Japan ist das Cartagena-Protokoll unterzeichnet worden. Im Unterschied zur EU gibt es dort allerdings keine festen Regeln. Das wird am Beispiel der Einfuhr von genetisch veränderten Sojabohnen, Mais und Canola, einer Rapsart, deutlich: 3,5 Milliarden US-Dollar betrug der Import im Jahr 2003. Dennoch haben die Sorgen um die Sicherheit der Nahrungsmittel und die Unzufriedenheit gegenüber der japanischen Regierung und Bürokratie dazu geführt, dass zahlreiche individuelle Gesetze und Verordnungen von einzelnen Präfekturen erstellt werden (K. Watanabe et al. Nature Biotech. 22, 943 (2004)). Ferner werden 7 Millionen Ackerland in China für BT Baumwolle und die entsprechenden Veränderungen in Indien und Pakistan mit Argwohn beobachtet. Obwohl Hunderte von Versuchen jährlich in Japan durchgeführt werden, kann es wie in Großbritannien passieren: Die Übermacht der Gegner beendet die Versuche.
In Japan ist im Februar 2004 ein Gesetz verabschiedet worden, das vor allem dem Schutz der Umwelt und des Arbeitsplatzes unter Verwendung genetisch modifizierter Produkte dient. Hinzu kommt der Schutz der Japaner gegenüber den USA: Jede Einfuhr von genetisch modifiziertem Material muss offen gelegt werden und jede japanische Studie ist ungültig, sollte die Erlaubnis nicht bereits vor ihrem Beginn akzeptiert worden sein.
Das Cartagena-Protokoll ist nur ein Stein auf dem Weg zu GVO
Die Erfahrung zeigt, dass wir in Europa noch lange von einer Übereinstimmung entfernt sind. Denn das Cartagena-Protokoll ist nur eine Rohform dessen, was heute zum Allgemeinverständnis in Europa gehört. Da gibt es zum Teil die im Regelwerk festgelegten Übereinstimmungen und weitere länderspezifische Unterschiede, die nur über länderspezifische Lösungen geklärt werden können. Dasselbe gilt auch in Japan. Hier bemühen sich die Society for Plant Cell and Molecular Biology und die Society for Breeding für einen Ausgleich zwischen Konsumenten, Geschäftsinteressenten und Regierung.
Ob die europäische Regelung oder der japanische Weg erfolgreicher sind? Diese Frage ist schwerlich abzuschätzen, weil die Auswirkungen so schwer kalkulierbar sind. Immerhin hat gerade jetzt Monsanto’s "MON 810-Mais" in der Europäischen Union den Freibrief erhalten, weil er seit Jahren in Spanien angebaut wurde. Damit wird die Entscheidung von der EU-Kommission in drei Monaten geprüft.