Das Cholesterin des modernen Managements
Email-Verbote am Arbeitsplatz
Interne Büro-Mails sind schlimmer als Spam, entschied vor zwei Wochen der Geschäftsführer des britischen Mobiltelefonanbieters Phones4U und verbot diese kurzerhand - eine Aktion, mit der er eine kleine Mediensensation auslöste und doch erstaunlich viel Verständnis und den einen oder anderen Nachahmer fand.
Eine Million Pfund monatlich - respektive drei Stunden Arbeitszeit am Tag - will der Unternehmer mit dem Verbot sparen; darüber hinaus mache Email die Menschen faul: Anstatt sich die Kommunikation bewusst zu machen und Botschaften gezielt zu überbringen, verschicke man einfach eine kurze Mail und kopiere 20 Adressaten ein. Für etwa 18 davon bedeute das Lesen der Nachricht eventuell lediglich einen Zeitverlust, anders als bei Spam müsse man die Nachricht aber trotzdem öffnen. Bei dem wilden großangelegten Hin- und Hergemaile werde es immer schwerer für alle, überhaupt noch zu arbeiten. Laut Phones4U geht es den insgesamt 2.500 Mitarbeitern "sehr gut" mit dem Verbot. Externe Mails werden weiter versandt, wobei die Mitarbeiter ausdrücklich ermutigt wurden, bevorzugt das Telefon zu benutzen.
Ich sah, dass Emails auf heimtückische Weise von Phones4U Besitz ergriffen hatten. Meine Leute waren ganz eindeutig von der starken Email-Vermehrung in die Knie gezwungen. Das Verbot brachte einen sofortigen, dramatischen und positiven Effekt. Das Unternehmen hatte eine Email-Paralyse. Wenn man ein Krebsgeschwür hat, muss man es heraus schneiden
John Caudwell, der Geschäftsführer von Phones4U, hat selber noch nie eine Email verschickt
Caudwell behauptet, dass der Informationsfluss sich seitdem drastisch verschnellert und verbessert habe. Genau das versprach man sich ironischerweise vor zehn Jahren vom Emailverkehr.
Der Weymouth Club, eine amerikanische Fitnesskette, hat mehrere PCs vom Internet abgeschnitten. Merrill Lynch hat seinen Mitarbeitern verboten, externe Mailanbieter wie AOL oder Yahoo zu benutzen. Das gleiche Verbot sprach die Sports Section aus, eine Fotofirma aus Atlanta. Manche Unternehmen versuchen - des Spams wegen - mehr Kommunikation auf Mobiltelefone und Instant Messaging zu verlagern. Die Sicherheitsfirma Guardent hat den Mailverkehr um 20 Prozent heruntergeschraubt und einen Teil der Mitarbeiter mit Handys ausgestattet. "Email war nicht besonders produktiv", so der Geschäftsführer, "Die Leute verbrachten fünf Stunden am Tag damit, nichts zu tun, außer Nachrichten weiterzuleiten und Spam zu löschen."
Email frisst sich dramatisch in die Ressourcen ein. Man hat handfeste Mehrkosten in Bezug auf Server und Netzwerkkapazität und schwerer quantifizierbare Kosten was Zeit, Stress und Infomationsoverload betrifft.
Monica Seeley, Koautorin von "Managing in the Email Office"
Wenn man sagt, die Email sei das Cholesterin des modernen Geschäftslebens, dann soll das wohl heißen, genieße sie in Maßen, mache eine Diät, sonst kommt es - auch durch Junk Food/Mails - im Unternehmen zu verstopften Kanälen, Unbeweglichkeit und Problemen mit der Gesundheit. Oder mit dem Gesetz, wie ein am Freitag erschienener Bericht (Email gossip could put firms in the dock) zeigt: In der englischen Premier League stehen seit letztem Montag acht Fußballprofis unter Verdacht, ein 17 Jahre altes Mädchen vergewaltigt zu haben. Die Namen der Verdächtigen dürfen nicht preisgegeben werden. Firmen, deren Mitarbeiter per Email über die Namen spekulieren, riskieren wegen Diffamierung und Missachtung des Gerichts belangt zu werden. Interessant ist dabei, dass es nicht nur denjenigen treffen könnte, der mailt, sondern das Unternehmen selbst, wenn die Namen in seinem System kursieren. Angeblich ist ein Mitarbeiter eines Unternehmens bereits zwangsbeurlaubt worden. Mehrere britische Webseiten, darunter rivals.net schlossen zeitweise ihre Gästebücher, um keinen unbewiesenen Anschuldigungen Platz zu gewähren.