Das Gehirn als Suchmaschine

Amerikanische Forscher vermuten komplizierte visuelle Suchvorgänge in der Hirnrinde

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Sie suchen im Feierabendgetümmel nach einem Freund, der sich irgendwo in der Menschenmenge aufhält. Ihre Suchkriterien sind eine "schlanke Person" mit "kurzem dunklen Haar". Folglich werden Sie zunächst nach dem "schlanken Typ" Ausschau halten, und dann, innerhalb dieser Untergruppe, jeden einzelnen nach dem "dunklen Haar" durchforsten. Mit anderen Worten: Der "parallele Prozess" bedeutet die Suche nach den schlanken Personen. Anschließend kommt der "serielle Vorgang" zum Tragen, nämlich jede schlanke Personen einzeln auf dunkles Haar zu prüfen.

In einem Bericht in Science zeigen Narcisse Bichot und Mitarbeiter vom National Institute of Mental Health (NIMH) in Bethesda, USA, dass solche komplizierten Suchvorgänge im Großhirn ablaufen. Um das zu beweisen, prüften die Forscher dazu die Aktivität in dem Abschnitt V4 des Gehirns von wachen Rhesusaffen (macaque monkeys). Hierbei zeigt die Reaktion der Affen auf farbige Muster das faszinierende Ergebnis: Die differenzierte Suche erfolgt nämlich auf zwei Arten – zum Teil parallel, zum Teil seriell.

Die Versuchsanordnung enthält das Muster (Search display), die parallele Suche (Parallel feature bias) und die Blickbewegung der Augen (serial selection) (Bild: Science)

Die zunächst parallele Entscheidung setzt die Feuerung der Neuronen in Gang. Danach stimuliert der Blick in die richtige Richtung die Neuronen zusätzlich, wobei der untere temporale und der frontale Lappen angeregt werden.

Suchroutine mit farbigen Bildern

Was Menschen sehen, kann bei Affen nicht unmittelbar geprüft werden. Stattdessen behilft man sich mit farbigen Mustern. Am Beispiel des folgenden Bilds lässt sich so ein Vorgang darstellen.

Das Bild enthält unterschiedliche Formen und Muster (Bild: Science)
  1. Wählen Sie zunächst den blauen Rhombus. Sie werden bemerken, dass ohne Änderung des Bildes die blauen Figuren in den Vordergrund treten.
  2. Wählen Sie jetzt das gelbe Quadrat. Durch diese Änderung, nämlich von blau auf gelb, ändert sich lediglich Ihr Fokus, nicht aber das Gesamtbild.
  3. Wählen Sie nun das Pluszeichen, bei dem der vertikale Strich rot markiert und der horizontale Strich grün ist. Überrascht werden Sie feststellen, dass die Pluszeichen keineswegs alle gleich sind. Nur zwei Zeichen erfüllen die Bedingung "vertikal rot und horizontal grün". Das ist richtig und fordert – ohne Sie darauf hinzuweisen – zum exakten Vergleich auf. In diesem Fall haben Sie "parallel" nach den Pluszeichen gesucht, um dann "seriell", nämlich Zeichen für Zeichen, die Pluszeichen zu finden, die die beschriebenen Bedingungen erfüllen.

Suchen nach allgemeinen Kriterien

Diese Suche ist keineswegs einfach. Das zeigt ein Blick auf unseren Computer. Hier werden die Suchroutinen nacheinander durchlaufen. Sie entsprechen damit parallelen Vorgängen. Ob Excel oder Word: Ist es nicht wundervoll, wenn die einzelnen Spalten nach Zahlen oder Worten durchsucht und dargestellt werden? Ja, aber...

Viele Aufgaben in unseren Leben sind für unser Gehirn Routine und werden immer abgearbeitet, so wenn ein Arzt Röntgenbefunde beurteilt oder der Wetterfrosch Daten zur Wettervorhersage wählt. Aber nicht alles kann auf einfache "parallele" Suchvorgänge zusammengeschnitten werden. Da ist beispielsweise die Frage, ob sich eine Turbulenz über dem Ozean auf das Festland auswirken wird. Und schon wird die Frage kompliziert, weil jetzt serielle Vorgänge abgeklärt werden müssen.

Heute, das zeigen die Ergebnisse von Narcisse Bichot und Kollegen, weiß man, dass die Lösung auf zwei miteinander verwobenen Fragenkomplexen beruht. Die Aufgabe des Menschen ist es nun, diese Regeln anzuwenden und dafür die einzelnen Schritte heraus zu kristallisieren.