Das Geldsystem ist nicht das Problem
Kaum ein Thema verschwendet so viel "APO-Energie" wie die Geldsystemkritik. Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Gründe, von diesem toten Pferd abzusteigen
Dass die außerparlamentarische Opposition (APO) in Deutschland so wenig erreicht, liegt vor allem an ihrer Zerstrittenheit. Wer einen Wechsel unseres Wirtschaftssystems wünscht, sollte mit der Sherlock-Holmes-Methode alles ausschließen, was das adressierte Problem nicht löst, nicht umsetzbar ist oder nicht mehrheitsfähig ist. Unter den übrig gebliebenen Alternativen muss dann die Lösung sein - sofern es eine gibt.
"Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab." (Den Dakota Indianern zugeschriebene Weisheit)
Zu simple Überlegungen, falsche Schlussfolgerungen
Die Schere zwischen Arm und Reich reißt systembedingt immer weiter auseinander. Wird dieses Problem nicht gelöst, ist der gesellschaftliche und ökonomische Kollaps unausweichlich. Immer mehr Menschen wenden sich von der Simulation einer Demokratie ab, was in der Geschichte stets zu politischen/gesellschaftlichen Katastrophen führte.
Geldsystemkritiker glauben, die Ursache dafür im Geldsystem gefunden zu haben. Wenn man in einer Analogie Geld durch Wasser ersetzt, würden Geldsystemkritiker behaupten: Dass eine kleine Minderheit der Menschen eigene Süßwasserseen besitzt, während Milliarden Menschen durstig sind oder gar verdursten, liegt an den Eigenschaften und Quellen von Wasser. Deshalb dürfe Wasser nur aus einer einzigen, zentralen Quelle kommen, und das Problem sei gelöst.
Unter den Geldsystemkritikern gibt es verschiedene Lager: Viele fordern eine Golddeckung. Die meisten fordern als zentrale Quelle allen Geldes eine Zentralbank, wobei die einen deren politisch unabhängige Führung fordern, und die anderen das genaue Gegenteil, nämlich die Weisungsgebundenheit unter der demokratischen Kontrolle eines Parlaments.
Damit ignorieren sie die tatsächliche Ursache des Auseinanderreißens der Schere zwischen Arm und Reich: Die permanente Umverteilung von Arm nach Reich durch unterschiedliche Arten von Profiten, vor allem von Konsumenten an Kapitaleigentümer. Wobei Kapitaleigentümer immer größere und sinnlosere Vermögen anhäufen, die sie niemals konsumieren können. Kreditzinsen sind die unwichtigste Art der Umverteilung durch Profite, und gerade in Zeiten der Niedrigzinsen vernachlässigbar. "Schuldgeld" ist kein Problem, sondern ein Hoax, wie wir in Teil 2 sehen werden.
Geld, Tausch und Star Trek
Viele Geldsystemkritiker werden so wütend wie religiöse Menschen, wenn man ihren Glauben durch Fakten und Logik infrage stellt. Wer sich mit dem Geldsystem beschäftigt, muss daher zunächst die Definition der drei Eigenschaften von Geld anerkennen: Geld ist ein Tauschmittel, das auch zur Wertaufbewahrung und als Preismaßstab dient.
Tauschmittel bedeutet: Man tauscht nicht Waren und Dienstleistungen gegen andere Waren und Dienstleitungen, sondern setzt das Tauschmittel dazwischen. Wertaufbewahrung bedeutet: Man erhält für seine Waren oder Dienstleistungen (Arbeit) ein Tauschmittel, das man zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt gegen andere Waren oder Dienstleistungen eintauschen kann. Preismaßstab bedeutet: Jeder Ware und Dienstleistung ist ein Preis in Form von Geldeinheiten zugeordnet, mit dem man leicht und effizient rechnen kann.
Viele Geldsystemkritiker wollen Geld durch etwas anderes ersetzen. Allerdings ist alles Geld, was die drei oben genannten Eigenschaften besitzt und als Zahlungsmittel akzeptiert wird, seien es Münzen, Muscheln, Briefmarken, Getreidekörner, Tulpenmanie-Krypto-"Währungen", Gutscheine oder kommunistische Gummipunkte für geleistete Arbeitsstunden.
Ohne Geld als universelle Umrechnungseinheit bliebe uns nur der Tauschhandel, den diejenigen Geldsystemkritiker wünschen, die Geld gleich ganz abschaffen wollen. Damit erginge es uns wie "Hans im Glück", der nach verschiedenen Tauschhandeln von einem Goldklumpen über Pferd, Gans und Stein schließlich alles durch suboptimale Tauschgeschäfte verliert und sich den Verlust schönredet. Schlechtes Konzept für Rentner: Wer nichts zu tauschen hat, müsste sterben.
Wie können Betriebe ihre vielen unterschiedlichen Vorprodukte in der Wertschöpfungskette durch Tausch beschaffen? Gar nicht. Wie und mit welchem Zeitaufwand und welchen Lagerkapazitäten sollen Händler an der Kasse Verkäufe abrechnen, wenn geldlose Konsumenten gebrauchte Güter dagegen tauschen wollen? Der Aufwand und die Ineffizienz wären so hoch, dass alle Produktpreise unbezahlbar wären und wir nicht zurück ins Mittelalter fielen, sondern in die Zeit, bevor es Geld gab. Also in die Steinzeit, in der Jäger und Sammler mehrere Quadratkilometer Waldgebiet pro Person zum Überleben benötigten. Da man Milliarden Menschen nur mit einer effizienten Wirtschaft ernähren kann, würde die Abschaffung von Geld zur apokalyptischen Dystopie mit mindestens 7 Milliarden Toten führen.
Andere Geldsystemkritiker träumen von einer Star-Trek-Gesellschaft, die angeblich ohne Geld funktioniert. Was unzutreffend ist. Als jemand, der sämtliche Folgen aller Star-Trek-Serien und -Filme gesehen hat, kann ich nur feststellen, dass Gehaltszahlungen an Mitglieder der Sternenflotte lediglich nie angesprochen wurden. Geld war hingegen auf praktisch jeder Außenmission nötig, sobald man ein Gut lokal erwerben wollte. Wie die Energie und die Rohstoffe der Replikatoren und Antriebe beschafft wurden, war nie ein Thema, und in Quarks Bar auf Deep Space 9 erhielt sicherlich niemand von der Sternenflotte seine Getränke ohne die Bezahlung durch "goldgepresstes Latinum". Wie die Ökonomie in der Sternenflotte funktionierte, hat Star-Trek-Schöpfer Gene Roddenberry nie erwähnt. Darin eine geldfreie, radikal-kommunistische Gesellschaft hineinzuinterpretieren und Star Trek als Beweis für die Machbarkeit einer geldlosen Gesellschaft anzuführen, hat keine Grundlage.
Zu den drei oben genannten Eigenschaften von Geld gehört eine vierte, damit Geld funktioniert: Geld ist eine gesellschaftliche und politische Vereinbarung. Gesetzliches Zahlungsmittel ist nur das, was die politische Führung per Gesetz als solches definiert hat - seien es Stammeshäuptlinge, demokratische Parlamente oder Diktatoren. Die Vereinbarung wird legitim und real, indem die Gesellschaft die Vorteile sieht und das Zahlungsmittel akzeptiert: Jeder Angestellte, Unternehmer und Vermieter akzeptiert Geld, gerade weil es nur ein gesetzliches, universelles Zahlungsmittel gibt.
Regiogeld, Komplementärwährungen
Eine regionale und unbedeutende Geld-Variante ist das Regiogeld, das in der Regel nur akzeptiert wird, wenn es an eine gesetzliche Währung gekoppelt und in diese umtauschbar ist. Ein Bekannter von mir ist Mit-Initiator des Regiogeldes "Volme Taler" in Hagen. Als Komplementär-Währung trug es ein wenig zur Steigerung der lokalen Umsätze bei und kollabierte, als sich zu viel davon bei der einzigen Tankstelle sammelte, die damit keinen Treibstoff bei der Raffinerie bezahlen konnte.
Die erfolgreichste Komplementär-Währung im deutschsprachigen Raum, der Chiemgauer, ist eine Umrechnungseinheit für Arbeiten, die ansonsten größtenteils unentgeltlich ehrenamtlich geleistet würden. Wie die Liste der Hauptverrechnungsstellen zeigt, bestehen die Teilnehmer hauptsächlich aus Schulen, gemeinnützigen Vereinen, Sportvereinen und Beratungsstellen. Industrie-, Handelsunternehmen oder Handwerksbetriebe enthält die veröffentlichte Liste der Teilnehmer nicht. Der durchschnittliche Umsatz pro teilnehmender Verrechnungsstelle (Unternehmen kann man sie nicht wirklich nennen) liegt bei knapp 27 € pro Tag. Mit 900.000 Chiemgauern war die Obergrenze der Akzeptanz erreicht, momentan ist nur noch eine Geldmenge von rund 700.000 Einheiten in Umlauf.
Keine Komplementärwährung der Welt hat es je geschafft, mehr als eine kleine regionale Nische für eine geldliche Tauschwirtschaft im gemeinnützigen Bereich zu füllen. Als Geld für eine überregionale Volkswirtschaft und zur Verrechnung von Industrieprodukten taugen sie nicht, weil dies eine allgemeine Akzeptanz und Umrechenbarkeit im gesamten Währungsraum voraussetzt.
Eine weitere Schwäche des Chiemgauers, der seine Akzeptanz verhindert, ist seine Eigenschaft als "umlaufgesichertes Schwundgeld". Mit derzeit fast 6 Prozent jährlichem Minuszins wird der Besitz bestraft, um ihn in Umlauf zu zwingen. Nach 4 Jahren ist ein Chiemgauer sogar vollends wertlos.
Freigeld, das "Wunder" von Wörgl und Minuszinsen
Mit dem Chiemgauer sind wir bei der durchaus interessanten und charmanten Idee des "Freigelds" oder "Schwundgelds" von Silvio Gesell, das 1932 im österreichischen Dorf Wörgl (damals 4.200 Einwohner) für einen Aufschwung sorgte, den Anhänger als "Wunder" bezeichnen.
Wie Ulrike Herrmann in Kapitel 15 ihres Buches "Der Sieg des Kapitals" feststellt, war hier nicht der Minuszins von Bargeld entscheidend, sondern "dass die Gemeinde Wörgl nicht mehr sparte, sondern Arbeitslose anstellte, um eine Brücke zu bauen und Kanalrohre zu verlegen. Also hatten diese Einkommen, die sie dann ins Wirtshaus oder ins Schuhgeschäft tragen konnten. Diesen Effekt hätte die Gemeinde Wörgl auch erzielt, wenn sie ganz normale Kredite aufgenommen hätte, um Arbeitslose zu beschäftigen. Wichtig war der Nachfrageschub, nicht die Marke (Minuszins) auf dem Geld." Einziger Schönheitsfehler dieser Analyse: Die Gemeinde hätte wahrscheinlich keine Kredite erhalten.
Einen Hauch von Realisierung erfährt das Freigeld mit der Einführung von Minuszinsen durch die EZB und die Weitergabe der Minuszinsen von Banken an Sparer. Am drastischsten ist derzeit die Volksbank Magdeburg: Auf alle Guthaben oberhalb eines Freibetrags von 25.000 Euro werden Strafzinsen erhoben. Die Reaktion der Bürger auf Strafzinsen für Guthaben ist eindeutig:
Die Kunden heben alles Geld über dem Freibetrag in bar ab oder verteilen es auf mehrere Konten bei mehreren Banken. Bei der Zeitung "Die Welt" stimmten 878 zu 64 Leser der scharfen Verurteilung von Minuszinsen für Bankkunden zu. Minuszinsen auf Geld sind nicht mehrheitsfähig. Eine Umsetzbarkeit setzt die Abschaffung von Bargeld voraus. Das wird meines Erachtens nicht passieren, denn eine Partei, die Bargeld abschaffen will, wird danach wohl mangels Wählern und Mitgliedern aufhören zu existieren.
Zwecks Mehrheitsfähigkeit ersannen die Anhänger des umlaufgesicherten Geldes Ausnahmen: Wer sein Geld auf Sparbüchern oder in Immobilien, Wertpapieren oder sonstigen Unternehmensbeteiligungen anlegt, kann die Geldentwertung umgehen. Durch diese Ausnahmen verliert das umlaufgesicherte Geld jedoch den größten Teil seiner Wirkung, weil Bargeld nur rund 2% Anteil am gesamten Volksvermögen ausmacht. Wenn die Umlaufsicherung seine Wirkung entfalten soll, muss das gesamte Geld in den Umlauf gezwungen werden - also auch das Geld auf Sparbüchern, Giro- und Festgeldkonten und auch alle anderen Sparformen wie Aktien, Schatzbriefe, Rentenfonds, Aktienfonds und Lebensversicherungen.
Da das mit den Sparern nicht zu machen ist, drängt sich die Frage nach einer Trennung zwischen Sparvermögen und liquidem Vermögen auf. Aber wie soll man das abgrenzen? Soll man Sparer, die mit Aktienfonds für ihr Alter vorsorgen, für die "Hortung von Geldanlagen" bestrafen, indem man Wertpapiere "verfaulen" lässt?
Was im Dorf Wörgl mangels Vermögen nicht relevant war, sieht auf der volkswirtschaftlichen Ebene in einer globalisierten Welt ganz anders aus: Jeder kann sein Bargeld jederzeit in andere Vermögensarten umschichten, auf ausländische Konten verlagern und die Umlaufsicherung ganz einfach umgehen.
Dem "verfaulenden Geld" von Silvio Gesell fehlen also alle drei Kriterien für ökonomische Ideen: Es ist nicht mehrheitsfähig, nicht umsetzbar und löst das adressierte Problem nicht. Mit dem Freigeld sind wir beim nächsten Aspekt, der Geldsystemkritiker aufregt:
Geld kann nur aus dem Nichts geschöpft werden
Geld wird aus dem Nichts geschöpft. Daraus konstruieren Geldsystemkritiker ein angebliches Problem. Was sie dabei übersehen: Geld kann nur aus dem Nichts geschöpft werden. Sonst wäre es kein Tauschmittel, sondern ein Rohstoff. Wäre es ein Rohstoff, müsste er knapp sein, um die psychologische Wirkung eines hohen Wertes zu entfalten. Ist der Rohstoff knapp, müsste er willkürliche, grotesk hohe und völlig künstliche Werte zugeordnet bekommen, um die weltweite Geldmenge von umgerechnet über 90 Billionen Dollar darzustellen, wie wir beim nächsten Punkt sehen werden.
Die Geldschöpfung ist übrigens kein Monopol von Zentral- und Geschäftsbanken. Geld kann jeder schöpfen. Privat aus dem Nichts geschöpftes Geld nennt sich Wechsel und ist im Wechselgesetz geregelt. Der Haken bei Wechseln ist, dass es zwar jeder annehmen und weiterreichen darf, aber fast niemand sie annehmen will.
Auch Regionalgeld, das im Grunde genommen eine Variante des Wechsels ist, kommt durch die geringe Akzeptanz privat geschöpften Geldes nicht aus seiner Nische bzw. Region heraus.
Golddeckung: Weder möglich noch nötig
Muss Geld, das aus dem Nichts entsteht, gedeckt werden? Und wenn ja: Wodurch?Für viele Geldsystemkritiker ist die Aufhebung der Gold-"Deckung" von 1971 die Ursünde der Geldpolitik. Dabei übersehen sie die Gründe, die dagegen sprechen:
Es gibt nicht annähernd so viel Gold, als dass man die gesamte Geldmenge der Welt damit "decken" könnte. Bis 1971 gab es die Goldbindung des Dollars (und damit indirekt auch für alle an ihn gekoppelten Währungen). Das heißt: Für den Nennwert von US-Dollar bekam man theoretisch den Gegenwert in Gold von der US-Regierung / FED. 1971 stellte die US-Regierung fest, dass längst nicht mehr genug Gold in ihren Tresoren lag, um diese Fiktion aufrecht zu erhalten. Das wirft die Frage auf: Wie viel Gold bräuchte man, um alles Geld damit zu "decken"?
In dieser Statistik von visualcapitalist.com findet man eine Momentaufnahme des Jahres 2017. Das sofort verfügbare Bar- oder Giralgeld umfasste 36,8 Billionen Dollar. Inklusive Geldmarktfonds, Festgeldkonten, Sparbüchern etc. umfasste die weltweite Geldmenge 90,4 Billionen Dollar. Die gesamten 187.000 Tonnen Gold, die in der Menschheitsgeschichte geschürft wurden, haben heute (März 2020) einen Marktwert von 10,2 Billionen Dollar. Der Anteil der Zentralbanken an der Goldmenge liegt bei lediglich 15 Prozent der Goldmenge. Der Rest ist nicht verfügbar, weil er entweder als Goldschmuck, Münzen, Zahngold oder Barren in Privatbesitz ist, oder weil er in Industrieprodukten wie zum Beispiel goldbeschichteten Elektronik-Kontakten auf dem Müll gelandet ist.
Das heißt: Der Goldpreis der Bestände der Zentralbanken müsste etwa auf das 90-fache steigen, um das Geld zu "decken". Würde man allen Goldschmuck, alle Goldzähne und alle Münzen und Barren der Privatpersonen konfiszieren (auch nicht wirklich mehrheitsfähig), müsste man den Phantasiepreis für Gold etwa auf das 30-fache aufblasen, um die Illusion einer "Deckung" zu erzeugen.
Die Gold-Überhöhung hat keine rationalen, sondern psychologische Ursachen. Gold ist vor allem bei Menschen wirkmächtig, die zu viele Piratenfilme gesehen haben. Aufschlussreicherweise fordert so gut wie niemand eine "Deckung" durch noch seltenere und kostbarerer Dinge wie Platin oder handsignierte Beatles-Schallplatten. Warren Buffet meinte dazu trocken und sachlich: "Man gräbt es irgendwo aus der Erde, schmilzt es zu Barren und vergräbt es in einem Tresor."
Im Kapitel 10 "Gold? Nein, danke" ihres Buches "Der Sieg des Kapitals" widmet sich Ulrike Herrmann dem irrationalen Goldwahn gerade der Deutschen, die durch die Inflationen von 1923 und 1948 traumatisiert wurden und zum Beispiel 2012 ganze 110 Tonnen Gold kauften, während die Franzosen lediglich 3 Tonnen kauften. Dabei stellt Herrmann fest: "Dass Gold knapp ist, muss nichts bedeuten. … Der Goldmarkt wäre längst zusammengebrochen, wenn nicht wenigstens Inder, Chinesen, Türken und Araber daran festhalten würden, Goldschmuck als Statussymbol zu betrachten. … Sobald nur eine Notenbank anfinge, ihre Bestände aufzulösen, würde der Markt kollabieren und der Goldpreis ins Nichts rauschen." Hermann bemerkt süffisant die Ironie, dass Menschen aus Misstrauen gegen die Geldpolitik der Notenbanken Gold horten, wobei es doch gerade die Notenbanken sind, die den Goldpreis durch eine Verkaufsobergrenze von 400 Tonnen pro Jahr künstlich hoch halten.
Crash-Propheten predigen Gold als Rettung vor dem angeblich nahenden ökonomischen Weltuntergang. Oft handeln sie selbst mit Gold. Wer jedoch glaubt, er könne sich mit Gold vor der ökonomischen Zombie-Apokalypse schützen, weil Geld wertlos würde, der irrt in mehrfacher Hinsicht.
Ohne ein in ausreichender Menge verfügbares universelles Zahlungsmittel würde sofort die Lieferkette von der Förderung von Rohstoffen über die Verarbeitung zu Produkten bis hin zum Handel auf jeder Stufe kollabieren. Es gäbe binnen kürzester Zeit nichts mehr zu kaufen. Solange es noch etwas zu kaufen gäbe, nützt Gold nichts, weil der Handel selbst bei kleinsten Stückelungen, in denen Gramm-Bruchteile in kreditkartengroße Träger eingeschweißt sind, weder die Echtheit prüfen noch den aktuellen Wert bestimmen noch Wechselgeld herausgeben könnte. Selbst wenn das möglich wäre, würden hungernde Menschen die Goldbesitzer an den Supermärkten abfangen, um ihnen die Einkäufe abzunehmen. Und schließlich übersehen Goldbesitzer, dass in der Geschichte Staaten in Krisen meist alles private Gold konfiszierten, um selbst so lange wie möglich handlungsfähig zu bleiben, was aber auch nur kurz funktioniert.
Kurz gesagt: Gold kann niemanden retten. Seine Förderung ist eine Umweltkatastrophe, die auf übelster Ausbeutung von (Kinder-)Arbeitern basiert. Um Ulrike Herrmann zu zitieren: "Schon die antiken Griechen wussten, dass der Wert von Gold weitgehend eingebildet ist. … Gold glänzt nicht. Es sieht nur so aus."
Die "Golddeckung" war also immer schon sachlich unbegründet und der Wunsch danach ein rein psychologisches, irrationale Phänomen. Geld ist immer durch die Waren und Dienstleistungen gedeckt, die man dafür kaufen kann. Da alle Angestellte, Unternehmen und Vermieter sowie der Staat das gesetzliche Zahlungsmittel akzeptieren, funktioniert das Geldsystem bestens. Alle Probleme des Kapitalismus, die Geldsystemkritiker dem Geldsystem anhängen wollen, haben ganz andere Ursachen.
Fortsetzung in Teil 2: "Vollgeld", Giralgeld, Helikoptergeld, "Schuldgeld", Zinsen und ein Fazit.
Über den Autor: Jörg Gastmann ist Buchautor und Sprecher der NGO economy4mankind.org, die das alternative Wirtschaftssystem Economic Balance System vertritt.
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