Das Gen-Copyright

Interview mit dem New Yorker Künstler Larry Miller

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Sie beteiligen sich an der New Yorker Ausstellung "Paradise Now" (Wem gehört der Mensch?) mit einem Zertifikat, das dem Unterzeichner das Copyright, also das Urheberrecht über die eigenen Gene sichern soll.

Miller: In meiner Arbeit habe ich mich schon seit Mitte der achziger Jahre mit dem Umgang mit dem menschlichen Erbgut beschäftigt. Das war ungefähr zu der Zeit, als die ersten Patentrechte auf Sequenzen des menschlichen Genes angemeldet wurden. Im Grunde genommen sehe ich diese Patente auf Teile des Genes nicht so problematisch. Es ist aber ein ungeheurer Unterschied, ob eben Teile des Genes, oder die Lebensform an sich patentiert wird. Ich habe leider nicht den Eindruck, dass dieser ganz zentrale Unterschied in der öffentlichen Diskussion wahrgenommen wird.

Die Ausstellung ist sehr US-lastig, nicht nur in Anbetracht der beteiligten Künstler, sondern auch in den thematischen Bezügen. Wollen Sie die Exponate auch in anderen Städten zeigen?

Miller: Ja, ich denke schon, warum nicht auch in Europa? Bei “Paradise Now” handelt es sich immerhin um die erste Ausstellung, die sich derart vielseitig mit dem Thema Gentechnik auseinandersetzt. Im künstlerischen, wie im wissenschaftlichen und auch im politischen Sinne.

Wie sind Sie auf das Thema aufmerksam geworden?

Miller: Ich persönlich verfolge die Diskussion schon seit Jahren. Schon damals kam ich auf die Idee dieses Copyright zu entwickeln. Der Unterzeichner sichert sich die Rechte an seinen Genen. Und vielleicht ist es ja wirklich an der Zeit, ein solches “Genrecht”, ebenso wie Erbrecht oder Eigentumsrecht, zu entwickeln. Damit würde Regierungen, Konzernen und wissenschaftlichen Institutionen Rechtssicherheit gegeben. Derzeit bewegen sich alle diese Seiten in einem anarchischen Stadium. Und das zentrale Objekt, der Mensch, ist ohne Recht und kann sich nicht wehren. Hinter diesem Zertifikat, das natürlich kein offiziell akzeptiertes Dokument ist, steht folgende Idee: Das DNA-Molekül ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Kopiergerät. Es kopiert sich selber und schafft damit die Basis für Leben. Wenn es sich also kopiert, ist ein Copyright doch angebracht! Und ich gehe mit diesem Gedanken noch weiter. Auf dem DNA-Molekül sind Erbinformationen gespeichert, es handelt sich also um eine Art Software-Programm. Und Software-Programme sind ein klassischer Gegenstand von Urheberrecht. Der Grundgedanke ist der, dass den Individuen im Verlauf der genetischen Revolution die Möglichkeit geboten werden sollte, ihr Erbgut, ihre Gene, gegen kapitalistische Interessen zu schützen.

Ist dieser Gedanke in Anbetracht des bereits existierenden Organhandels nicht etwas naiv?

Miller: Nein, er weist eben auf dieses Problem hin. In der Ausstellung zeige ich ja auch nicht nur das Zertifikat. Ich stelle das lebensgroße Bild einer Frau aus, deren Gene ich quasi erworben habe. In Detailaufnahmen ihres Körpers biete ich diese Ware nun zum Verkauf an. Es geht hier nicht um die Haare, oder einzelne Organe des Körpers. Es geht um das menschliche Lebewesen. Mit diesem Kunstwerk soll der Zuschauer zum Nachdenken gebracht werden und nach den ersten Gesprächen, die ich mit Gästen geführt habe, scheint mir das glücklicherweise auch zu gelingen.