Das Gesetz der Reichhaltigkeit
New Rules for the New Economy - re-wired...
Der Windel-Trugschluß schlägt wieder zu
Wert kommt von Reichhaltigkeit.
Kevin Kelly
In diesen Theorien werden Kosten für Umwelt und Lebensqualität nicht berücksichtigt
Paulina Borsook
Warum nur - warum dieses tiefe Verlangen, elektronische Eigenarten auf den Rest der Welt zu übertragen (Industrie, Biologie, selbst den Mensch)? Warum träumen Maschinen? Aber dieser befremdende, seltsam selbstverneinende Glaube an ein 'etwas-weniger-als-menschlich'-Verständnis (eine Biene, Ameise, Cyborg) ist Gegenstand einer anderen Diskussion. Während VCRs, Faxgeräte und das Internet sich in vielen Aspekten (wenn auch nicht allen) durch wachsene Teilnehmerzahlen verbessern, sollte man festhalten, daß Elektronik und deren Verbreitung nicht alles ist ... seltsam aber wahr.
Was mich nicht mehr losläßt, sind die illegalen Immigranten, die in der Wüste tot aufgefundenen wurden, der Hitze erlagen oder verdursteten. Sie wurden dort gefunden, wo sie von ihren Schmugglern ausgesetzt wurden, nachdem diese sie nach einer Abschiebung wieder in die U.S. schmuggeln wollten. Die einzigen Habseligkeiten, die bei den verstorbenen Mexikanern gefunden wurden, waren ihre Kleider am Leib und einige Videobänder.
Ja, hier zeigt sich auch die unaufhaltsame Verbreitung von Gebrauchselektronik - wer könnte das verneinen? Aber ebenso deutlich zeigt sich, daß diese Menschen in ein Land zurückkehren wollten, das ihnen nur Jobs für ungelernte Arbeiter bieten konnte (Landwirtschaft, Aushilfsjobs, Arbeit auf Baustellen, Haushaltshilfen - und natürlich Fabrikarbeiter). Aber weibliche Immigranten betonen immer wieder, daß sie in dieses Land vor allem wegen der Gesundheitsfürsorge einreisen, die für schwangere Frauen und Kinder deutlich besser ist.
'Jelly bean' Microprozessoren und deren wie auch immer gearteten Vorteil für einen Zweig der Industrie, können eine Knappheit von Resourcen nicht umgehen.
Bevölkerungszuwachs in Mexiko sowie die US Wirtschaft - vergleichsweise wohlhabend - und die öffentliche Gesundheitsfürsorge trieben diese Menschen in den Tod. Überbevölkerung, die furchtbaren Zustände in Mexikos Städten und die Ungleichverteilung von Grund waren die eigentlichen Agenten in diesem Spiel - nicht die Suche nach einem Platz in der Neuen Wirtschaft. Das "Mehr schafft Mehr" der wachsenden Arbeitslosigkeit, mangelnden Effizienz der Regierung und Korruption trieben die nicht registrierten Arbeiter in ein besseres Land.
'Jelly bean' Microprozessoren und deren wie auch immer gearteten Vorteil für einen Zweig der Industrie, können eine Knappheit von Resourcen nicht umgehen. Im besten Fall üben diese Entwicklungen keinerlei Einfluß aus, im schlimmsten Fall folgen unwiederbringliche Effekte in unterschiedlichsten wirtschaftlichen Bereichen und Resourcen, wie Holzbestand, Trinkwasser und erschwingliche Unterkünfte.
Die Wasserpolitik im Westen der U.S.A. beruht heute mehr denn je auf Knappheit - die wachsende Bevölkerung im Südwesten wie z.B. Phoenix und Los Angeles befinden sich im Streit um den Colorado River und Moores Gesetz kann den Wasserspiegel nicht anheben. Es ist anzumerken, daß die Herstellung von Halbleitern extrem umweltverschmutzend ist und Unmengen von Wasser verbraucht. Santa Cruz (wo ich wohne) war seit über 200 Jahren als Kaukasische Siedlung in der Lage, aus den eigenen Wasserbeständen Landwirtschaft und Gewerbe am Laufen zu halten - wird dazu allerdings in den nächsten zehn Jahren nicht mehr im Stande sein.
"Mehr bringt Mehr" funktioniert leider auch auf epidemologischer Ebene
Ich lebe in einer Gegend in der für viele Wochen die Strände der unter Surfern berühmten Küste offiziell als gefährlich und durch Coliform Bakterien verschmutzt erklärt werden. Zu viele Menschen benutzen die öffentlichen Sanitäranlagen, produzieren Abwässer und in ländlicheren Gegenden entstehen giftige Chemikalien in Behelfstoiletten. Wer weiß, vielleicht bringt "Mehr bringt Mehr" auf magische Weise Santa Cruz die Möglichkeit, sich biologische Abwasseranlagen zu beschaffen, und ebenso magisch würden die Preise solcher Anlagen sinken und alles wäre wieder gut. Das ist allerdings nur schwer vorstellbar, in einer Gegend in der 40% der Anwohner als Untermieter wohnen und nicht jeder das Einkommen eines Systemanalytikers nach Hause bringt. 'Mehr' bedeutet hier mehr Vertrauen auf öffentliche Resourcen (die für eine neue und bessere Infrastruktur einstehen müssen) und mehr Belastung für das Ökosystem.
Nach einem unerwarteten Comeback vor ein paar Jahren ist der berühmte Monterey Bay Otter wieder vom Aussterben bedroht (und diesmal sind weder russische oder amerikanische Felljäger daran Schuld). Die Art wird von Infektionen dahingerafft. Unzureichend verarbeitete Abwässer könnten ein Grund sein. "Mehr bringt Mehr" funktioniert leider auch auf epidemologischer Ebene.
Man könnte natürlich meinen, daß das Schicksal einer süßen Touristenattraktion kein größeres Problem darstellt, allerdings befinden sich Otter am oberen Ende der Nahrungskette und sind als solche ein Indikator für das allgemeine Befinden des Ökosystems (ebenso wie Haie, deren Population ebenso stark zurückgeht). Organismen am underen Ende der Nahrungskette sind ebenso wichtig, so z.B. Plankton, dessen Bestand seit 1930 um 80% zurückgegangen ist. Entwicklung, Abwässer der Landwirtschaft, Trockenlegung von Sumpfgebieten, bla bla bla. Gesunde Ökosysteme zeichnen sich in der Regel durch ihre Mannigfaltigkeit aus; ein Küstengebiet, daß seine Vielfalt in erster Linie auf Bungalows und Bierflaschen begründet, ist meiner Meinung nach kein gutes Beispiel für Artenvielfalt. Haben Sie jemals den Unterschied zwischen wildem und gezüchtetem Lachs geschmeckt? Was sind die ökonomischen Konsequenzen, die kranke und sterbende Ozeane mit sich bringen?
Und der Baumbestand. Der Redwood Wald in meiner Gegend, einige Bestände sind an die hundert Jahre alt, wird heute doppelt so intensiv geholzt, wie noch vor 20 Jahren, was zu einer Zerstörung des Habitats führt. Erosion, Absenkung des Wasserspiegels und eine ausgesprochen häßliche Aussicht sind die Folgen. Schuld ist eine zunehmende Nachfrage für Redwood, nehme ich an. Das Holz wird in weit entfernten Firmen weiter verarbeitet, Symptom eines expandierenden, globalen Kommerznetzwerks. Natürliche Resourcen sind - wie ich aus der Mittelstufe weiß - rar, da sie sich nur schwer ersetzen lassen.
Den Mangel an Unterkünften in der 'Greater Bay Area' möchte ich gar nicht erst erwähnen.
Trotz utopischer Pläne: die meisten Leute arbeiten noch nicht als Teleworkers und viele wollen wohl so auch nicht arbeiten.
Wöchentlich ereignen sich tödliche Unfälle auf Highway 17, einer verwundenen, heimtückischen Straße, die Santa Cruz mit Silicon Valley verbindet. Diese Straße wurde nicht für den Pendelverkehr gebaut. Trotz utopischer Pläne: die meisten Leute arbeiten noch nicht als Teleworkers und viele wollen wohl so auch nicht arbeiten. Intellektuelle Arbeit ist ein sozialer Prozeß, begründet sich auf vis-a-vis. Sollten mehr Leute sich entschließen, von zu Hause zu arbeiten und Satellitenbüros in Santa Cruz zu eröffnen, wird das eine Herausforderung für die Gemeinde sein genügend öffentliche Plätze zur Verfügung zu stellen, die anliegende Natur zu pflegen, und den Charakter der Stadt zu bewahren: das hier ist keine Schlafzimmergemeinde ausschließlich für gut betuchte Techniker und verwandte Dienstleistungen. Santa Cruz ist nicht Palo Alto. Noch nicht. Und es soll auch nicht dazu kommen.
Es ist komisch, daß in all-umfassenden, technologiesüchtigen Wirtschaftstheorien Umwelt und Lebensqualität als Faktoren nicht vorkommen. Ich nenne das den Windel-Trugschluß - es macht bedeutend mehr Spaß, sich mit grandiosen, großen Theorien und Vorsehung großen Wohlstands zu beschäftigen, als darüber nachzudenken, wer sich um Naseputzen, Müllaufsammeln und die kollateralen Kosten kümmert - und den Schaden, der so nebenbei entsteht. Wasser ist dabei, eine wertvolle Resource für Bürger und Gewerbe zu werden. Konsequente und durchdachte Richtlinien für die Umwelt, Erwägungen für erschwingliche und anhaltende Lebensqualität sind leider nicht Gegenstand des Gesetzes der Reichhaltigkeit.
Der Windel-Trugschluß deckt auf: Babies machen oder solche zu planen macht Spaß(erstetze 'Baby' mit 'Start Up' nach Belieben). Die Realität, wie oft die Windeln zu wechseln sind, wie oft diese gewaschen und/oder hergestellt werden müssen, macht keinen Spaß.
Die englische Fassung dieses Artikels auf Rewired
Intro, zur "Neuen Ökonomie" von David Hudson.
Regel 1, "Gesetz der Verschaltung: Vereinnahme 'dumb power'"
Regel 3, "Prophezeiungen im ausgehenden 20. Jahrhundert und 'New Economy'"
Aus dem Englischen übersetzt von Micz Flor