Das Human Genome Project hat das zweite menschliche Chromosom vollständig sequenziert

Ein neuer Konkurrent im Wettlauf zwischen dem HGP und Celera behauptet, eine erste vorläufige Version des gesamten Genoms erstellt zu haben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das internationale Humane Genome Project (HGP) kann erneut einen Erfolg vorweisen. Nachdem erst im letzten November das Chromosome 22 mit 545 Genen vollständig sequenziert worden ist, haben jetzt deutsche und japanische Wissenschaftler die vollständige Sequenz des Chromosoms 21 in Nature veröffentlicht.

Das Chromosom 21 ist deswegen besonders interessant, weil sich hier die Gene für einige Krebserkrankungen, Alzheimer oder das Down-Syndrom befinden. Veröffentlicht wurde die Sequenz des Chromosoms von 62 Wissenschaftlern aus Japan, Deutschland, Frankreich, Schweiz und Großbritannien. Die 33 Millionen Basen codieren allerdings nur 225 Gene, von denen bislang 127 identifiziert worden sind. Von 103 ist die Funktion bekannt. Besonders hervorgehoben wird von den Wissenschaftlern, dass man aufgrund der bislang vorliegenden Erkenntnisse die Gesamtzahl der menschliche Gene nur noch auf etwa 40000 schätze. Bislang ging man davon aus, dass das menschliche Genom zwischen 80000 und 100000 Gene enthält.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Wolf-Michael Catenhusen, sieht natürlich in der Sequenzierung einen Erfolg auch für die deutsche Wissenschaft und die Wissenschaftspolitik: "Dieser Erfolg ist auch ein Erfolg der Förderung des Deutschen Humangenomprojektes durch das BMBF. In der ersten Phase dieses Projektes, die jetzt weitgehend abgeschlossen ist, und in der 34 Forschungsprojekte mit insgesamt 84 Mio. DM finanziert worden sind, haben wir besonderes Gewicht auf die Sequenzierung gelegt. Allein das Chromosom 21-Projekt ist mit über 20 Mio. DM gefördert worden - eine gute und sinnvolle Investition." In der jetzt einsetzenden zweiten Phase des Deutschen Humangenomprojektes werde die Förderung stärker auf die Untersuchung der Funktion von Genomabschnitten und einzelnen Genen konzentriert. Dabei geht es auch darum, wie man Erkenntnisse in Patente umsetzt. Stärker gefördert werden sollen in Zukunft auch die Bioinformatik und die Proteomforschung.

Anfang April hatte die Firma Celera - im übrigen eher mit der Zeitschrift Science verbunden, so dass auch die wissenschaftlichen Zeitschriften miteinander konkurrieren - verkündet, das gesamte menschliche Erbgut eines Menschen entschlüsselt zu haben und in wenigen Wochen die Sequenz des Genoms auf der Grundlage von sechs Menschen vorlegen zu können (Speed matters III). In die teils erbitterte Konkurrenz zwischen dem mit öffentlichen Geldern finanzierten Human Genome Project und Celera, bei der es auch darum geht, wann und wie die Sequenzierungsdaten veröffentlicht werden und was letztendlich patentiert werden kann, hat sich nun aber ein neuer Konkurrent eingemischt.

Die Firma DoubleTwist gab -zufällig oder auch nicht - heute bekannt, sie habe die erste vorläufige Version des Genoms bereits erstellt - und zwar mit den Daten, die das HGP veröffentlicht habe: "Das Human Genome Project hat eine erstaunliche Leistung vollbracht", so John Couch von DoubleTwist, "die primäre Sequenz von mehr als 80 Prozent des Genoms bis heute zur Verfügung zu stelen. Wir haben auf diese Leistung aufgebaut, indem wir die Daten weiter verarbeitet haben, um ihre wichtigsten Informationen zu erkennen - die Gene." Gemacht habe man dies mit spezieller Software und Supercomputern von Sun. Man werde eine endgültige Version herstellen und diese auf der Website mit Verfahren zur leichten Gewinnung von Daten den Wissenschaftler zur Verfügung stellen. Greg Papadopoulos von Sun meint gar, dass mit dem Erfolg die Bühne für ein neues Zeitalter der Entdeckung eröffnet worden sei: "Was der Browser für das Internet ist, ist DoubleTwist.com für das menschliche Genom. Damit kann man diese ganze komplexe Sammlung von Informationen leicht benutzen." Und natürlich müsse man Supercomputer von Sun haben, um die gewaltigen Datenmengen verarbeiten sowie aufgrund der Informationen neue Behandlungsformen finden zu können. Die Firma DoubleTwist, die sich als Application Service Provider versteht, will die Datenbank und Software zur Suche und Darstellung von Daten lizenzieren.

Ein Referentenentwurf des deutschen Bundesjustizministeriums zur Umsetzung der EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen will auch die Möglichkeit eröffnen, Patente auf Teile des menschlichen Körpers und auf menschliche Gene unter bestimmten Bedingungen zu erlauben. Der menschliche Körper, eine Sequenz eines Gens oder Verfahren zum Klonen menschlicher Lebewesen oder zur Veränderung der Keimbahn sind weiterhin nicht patentierbar. Möglich sollen jedoch Patente auf einen "isolierten Bestandteil des menschlichen Körpers oder einen auf andere Weise durch ein technisches verfahren gewonnenen Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens" sein. Das Patent müsse eine Erfindung sein, ein technisches Verfahren enthalten und einen Verwendungszweck beinhalten. Patente nur auf eine Gensequenz "würden die Wissenschaft, aber auch die industrielle Forschung behindern oder mindestens erschweren."

Greenpeace fordert die Rücknahme der Gesetzesvorlage, die die Umweltgruppe heute veröffentlicht hatte: "Der Entwurf der Bundesjustizministeriums ist unzulässig und verantwortungslos. Ein solches Gesetz bedeutet den Ausverkauf der Natur an die Gen-Konzerne. Wir fordern Ministerin Däubler-Gmelin auf, den Entwurf zurückzuziehen und die Umsetzung der EU-Richtlinie zu stoppen", sagt Christoph Then, Gentechnik-Experte von Greenpeace.

Catenhusen meint allerdings, das die Biopatentrichtlinie der EU einen wirksamen Kompromiss ermögliche, indem die Patentierung von genetischen "Rohdaten" EU-weit unterbunden werde, was den freien Zugang der Forschung zu den Daten sichere, und indem Gene nur im Zusammenhang einer bestimmten Anwendung zur Entwicklung von Produkten patentiert werden können.