Speed matters III
Celera verkündet im Wettlauf um die Entschlüsselung des menschlichen Genoms den Sieg über das internationale Human Genome Project
Celera macht immer mehr Dampf bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms und hat heute gemeldet, dass die Sequenzierungsphase des Genoms eines Menschen abgeschlossen sei und man daran gehe, die Fragmente des Gencodes mit neuen Programmen in die korrekte Anordnung zu bringen. Insgesamt habe man das menschliche Genom in Form von geklonten Basenpaaren 11 Mal sequenziert, so dass es jetzt zu 99 Prozent erfasst sei.
Im Wettlauf zwischen Celera und dem Human Genome Project, einem mit öffentlichen Geldern finanzierten internationalen Konsortium von Forschungsinstitutionen, scheint das von Craig Venter geleitete Unternehmen nun endgültig die Nase vorne zu haben. Erst vor wenigen Tagen hatte das HGP noch angekündigt (Speed matters II), dass zumindest eine vorläufige Version des menschlichen Genoms bis Ende Juni festiggestellt sein würde, wodurch man Celera zuvorkommen wolle. Celera hatte seine endgültige Version für den Sommer angekündigt, lag aber bei der Sequenzierung des Heiligen Grals der Gentechnik bereits vorne.
Bislang wurde von manchen Wissenschaftlern bezweifelt, dass es mit der von Celera eingesetzten "Shotgun"-Technik, bei der DNA-Fragmente von beiden Enden her sequenziert und dann nach statistischen Verfahren zusammengesetzt werden, möglich sein werde, eine korrekte und genaue Anordnung der kleinen Fragmente des genetischen Codes zu leisten. Bei dem wesentlich langsameren Verfahren des HGP wird der genetische Code Stück für Stück sequenziert. Nachdem jedoch Celera in Zusammenarbeit mit dem Berkeley Drosophila Genome Project in Rekordzeit das Genom der Fruchtfliege, das bislang größte Genom eines Lebewesens, nahezu vollständig und angeblich mit einer Genauigkeit von 99,9 Prozent sequenziert hatte (Speed matters), machte das Unternehmen nicht nur den Slogan "Speed matters" zu seinem Leitspruch, sondern Venter betonte auch, dass man ebenso erfolgreich, schnell und genau auch das menschliche Genom sequenzieren werde. Begonnen hatte Celera damit erst im September des letzten Jahres.
Celera kündigt an, jetzt nicht nur die erfassten DNA-Fragmente zum gesamten Genom zusammenzuführen, sondern auch die noch bestehenden Lücken zu schließen und weiterhin das menschliche Erbgut nach den SNPs (single nucleotide polymorphisms) zu sequenzieren. Das Genom der Menschen weist eine Vielzahl von solchen unterschiedlichen Allelkombinationen auf, die für die Anfälligkeit für Krankheiten und für therapeutische Eingriffe wichtiger sind als die Rohdaten des gesamten Genoms. Mit der Vervollständigung der Sequenzierung in den nächsten Monaten werde Celera eine Datenbank mit den genetischen Informationen von insgesamt sechs Männern und Frauen aus unterschiedlichen ethnischen Abstammungen, die anonym bleiben, erstellen. Gleichzeitig mit der Entzifferung des Genoms will man dadurch auch die genetischen Variationen zwischen Individuen erfassen. Die Datenbank mit dem geordneten Genom soll es dann "weltweit den Wissenschaftlern und unseren Kunden ermöglichen", wie Craig Venter sagt, "unsere Daten zu verwenden, um wichtige medizinische Fortschritte zu leisten."
Angeblich will Celera die Rohdaten kostenlos allen Wissenschaftlern zur Verfügung stellen. Zum offenen Streit zwischen Celera und dem HGP ist es über die Frage gekommen, ob und in welcher Form die Daten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nachdem sich Blair und Clinton nach dem Scheitern der Kooperationsverhandlungen eingeschaltet und gefordert hatten, dass zumindest die Sequenzierungsdaten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten, betonte Celera, dass man die Rohdaten selbstverständlich veröffentlichen werde, aber eine aufbereitete Version weiterhin nur gegen Gebühren anbieten wolle. Einen Pluspunkt in dieser Frage ergab sich für Celera durch die Zusammenarbeit bei der Entzifferung des Fruchtfliegengenoms mit dem Drosophila Genome Project, ebenfalls wie das HGP ein Konsortium von mit Steuergeldern finanzierten Forschungsinstitutionen. Die Rohdaten wurden veröffentlicht, wer diese in einer aufgearbeiteten Form durchsuchen und analysieren will, muss wiederum Gebühren bezahlen. Celera hat im Wettlauf mit anderen Unternehmen bereits über 6000 Patentanträge auf menschliche Gene eingereicht und angekündigt, dies auch weiter zu machen. Gerade mit den SNPs versucht Celera Geld zu machen. Informationen über genetische Varianten verkauft das Unternehmen an Pharmafirmen, die damit Medikamente für bestimmte genetische Profile zu entwickeln suchen (siehe dazu auch Ein nachahmenswertes Open Source Modell in der Genforschung)
Und natürlich stiegen nach Ankündigung des Erfolgs für den voraussichtlichen Sieger im Wettlauf um die Entschlüsselung des menschlichen Genoms gleich einmal die Aktien des Unternehmens um 50 Prozent. Schließlich hat Celera, ganz im Sinne von "Speed matters", auch gleich angekündigt, dass man jetzt mit der Sequenzierung des Genoms der Maus beginne. Das Genom der Maus sei entscheidend für die Wissenschaftler, die mit Mäusemodellen zur Erforschung der Biologie des Menschen und zur Entwicklung therapeutischer Anwendungen arbeiten. Überdies biete der Vergleich des Genoms der Maus mit dem des Menschen viele neue Möglichkeiten der Genforschung.