Patentierung des menschlichen Genoms
Über die Frage, ob menschliche Gendaten geistiges Eigentum eines kommerziellen Unternehmens werden dürfen, ist ein offener Konflikt zwischen dem Human Genome Projekt und Celera ausgebrochen
Zwischen dem mit öffentlichen Geldern finanzierten Human Genome Project (HPG) und Celera, einem Unternehmen, das mit neuesten Sequenzierungsmaschinen und einem anderen Verfahren angekündigt hat, noch in diesem Jahr das menschliche Genom vollständig sequenzieren zu können, ist ein offener Konflikt ausgebrochen. Celera benötigt für den Sieg im Wettlauf um den Besitz des biotechnologischen Schatzes nicht nur die Ergebnisse des HPG, die jedermann zugänglich veröffentlicht werden, zum Abgleichen, sondern will die gemeinsamen Informationen in der Datenbank auch kommerziell nutzen. Überdies hatte Celera bereits angekündigt, Patentanträge für 6500 Gene gestellt zu haben.
Erst Anfang Januar hatte Celera berichtet, die Sequenzierung des menschlichen Genoms bereits zu 90 Prozent realisiert zu haben (Celera prescht im Wettlauf um die Sequenzierung des menschlichen Genoms voran). Dabei habe man bereits 97 Prozent der menschlichen Gene erfasst. Tausende von medizinisch interessanten Genen, die bislang nicht in der öffentlich zugänglichen GenBank zu finden seien, habe man entdeckt. In einer Pressemitteilung wird erklärt, dass man weiterhin Patentanträge für neu entdeckte Gene einreichen werde und dass man ein "nicht-exklusives Lizenzierungsprogramm" eingerichtet habe, um Kunden das geistige Eigentum zur Verfügung zu stellen. Celera steht dabei wiederum in einem harten Konkurrenzkampf mit anderen Unternehmen, die wie Human Genome Sciences oder Incyte schon Tausende von Patentanträgen für menschliche Gene eingereicht haben. Das amerikanische Patentamt erlaubt die Patentierung von menschlichen Genen.
Der schon lange schwelende Konflikt zwischen Celera und dem HGP hat sich vorwiegend an der Frage der Patentierung und der kommerziellen Nutzung der Sequenzierungsdaten entzündet. Celera hat vor zwei Jahren mit den modernsten Sequezierungsmaschinen und einem schnelleren, wenngleich umstrittenen Verfahren angekündigt, das HGP zu überholen, um sich die Informationen als geistiges Eigentum sichern zu können (Wer gewinnt den Wettlauf?). Das HGP hingegen ist ein mit öffentlichen Geldern finanziertes internationales Projekt, dessen Prinzip es ist, die Ergebnisse innerhalb von 24 Stunden öffentlich zugänglich zu machen, um allen Wissenschaftlern die Möglichkeit zu eröffnen, aufgrund der Daten weiter forschen und sinnvolle Anwendungen entwickeln zu können. Die Informationen über das menschliche Genom gelten als allgemeines Eigentum der Menschheit, das nicht als privatwirtschaftlicher Besitz angeeignet werden soll.
Letztes Jahr hatten Celera und das HGP hinsichtlich des Genoms der Fruchtfliege zu einer Kooperation gefunden, die auch auf das menschliche Genom Anwendung finden sollte. Doch nachdem Celera angekündigt hatte, man wolle sich für vier Jahre ein exklusives Lizenzrecht für die gemeinsame Datenbank sichern und überdies daraus sich ergebende Anwendungen wie DNA-Chips lizenzieren, ist der Streit ausgebrochen.
Das HGP hat am 7. März mitgeteilt, dass die Verhandlungen an der Frage des kommerziellen Besitzes gescheitert seien. "Wir sind entschlossen, sicher zu stellen, dass die Ergebnisse der DNA-Sequenzierung allen zugänglich sind", sagte Martin Bobrow vom britischen Wellcome Trust. "Wir hatten gehofft, einen gemeinsame Grundlage mit Celera zu finden, die ihnen einen vernünftigen kommerziellen Gewinn ermöglichen würde, während sicher gestellt bliebe, dass die besten Sequenzierungsdaten so schnell wie möglich veröffentlicht werden. Leider schienen sich die Forderungen von Celera dahin entwickelt zu haben, ein faktisches Monopol auf der menschliche Genom zu etablieren." Man habe mehrmals Craig Venter, den Präsidenten von Celera zu kontaktieren gesucht, aber keine Antwort erhalten. Daraufhin haben Francis Collins, der Projektdirektor des HGP, und drei weitere Mitglieder des Projekt dem Unternehmen in einem Brief ein Ultimatum für weitere Verhandlungen bis zum 6. März gesetzt.
In dem Brief hieß es, dass die Etablierung eines Monopols am menschlichen Genom zwar den Geschäftsinteressen von Celera entsprechen möge, aber dass dies nicht im Interesse der Wissenschaft und der Öffentlichkeit liegen würde. Überdies beansprucht das HGP, die von ihm gefundenen Daten auch als erste veröffentlichen zu können, während die Absicht von Celera, sie ohne Einwilligung als eigene Ergebnisse zu veröffentlichen, als "Verletzung der wissenschaftlichen Ethik" bezeichnet wird.
Venter verteidigte mittlerweile die kommerziellen Interessen und betonte, man würde Sequenzierungsdaten für den Endnutzer für wenig Geld oder kostenlos zur Verfügung stellen, während man nur von Unternehmen höhere Lizenzgebühren verlangen würde: "Wir werden weiterhi, auf Behauptungen abweisend reagieren, dass Celeras Plan beinhaltet, Informationen zurückzuhalten und den Fortschritt zu behindern, insbesondere deswegen, weil unsere wichtigste Aufgabe darin besteht, die Informationen schnell zu verbreiten." Venter meinte, dass sein Unternehmen auch in Zukunft an Verhandlungen über eine Zusammenarbeit interessiert sei, allerdings behauptet Celera auch, in einem Dokument ein Projekt eines mit dem HGP verbundenen Konsortiums gefunden zu haben, dass mit anderen Firmen zusammen eine Datenbank aufgebaut werden soll, wie sie mit Celera geplant war. Daher wird dem HGP unterstellt, das Ultimatum habe nur dazu gedient, aus den Verhandlungen mit Celera auszusteigen: "Sie wollen losziehen und 20 oder 30 Millionen Dollar Steuergelder zahlen, um so etwas zu erhalten, was wir ihnen kostenlos angeboten haben", unterstellte Tony White, CEO von PE Corporation, die Celera besitzt. Collins wehrte diesen Vorwurf ab. Er unterstütze zwar dieses Vorhaben, weil es die Vervollständigung des HGP beschleunigen könne, aber darüber gebe es noch keine Entscheidung und man habe die Verhandlungen mit Celera auch keineswegs sabotieren wollen.
Der Streit war an die Öffentlichkeit gelangt, nachdem der Wellcome Trust den Brief mit dem Ultimatum der Presse zugespielt hatte. Am 6. März hatte gleichzeitig John Sulston, Direktor des Sanger Centre, massiv Celera kritisiert und gesagt, die Öffentlichkeit müsse über das Vorhaben Celeras, die Sequenzierungsdaten kommerziell zu nutzen und ein Monopol aufzubauen, informiert werden. Celera wolle nur die mit öffentlichen Geldern gefundenen Ergebnisse mit den eigenen Sequenzierungsdaten zu einem Paket verknüpfen, um daran zu verdienen. Man müsse verhindern, dass ein Unternehmen diese Daten patentieren könne, da niemand sie als geistiges Eigentum beanspruchen könne.