Das Lied vom Tod
Seite 2: Frauen, die zu Opfern werden, aber auch Täterinnen
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"Es war einmal..." Schon der Titel macht klar: Dieser Film ist ein Märchen. Ein Märchen aus uralten Zeiten. Eine wichtige Rolle spielt das Fernsehen der 60er, Serien wie "Mannix". Ein Regisseur redet über Zeitgeist-Frisuren im Western, er sagt zur Maskenbildnerin: "make it less Hippie, more Hells Angels".
Bei den Hells Angels denkt man dann natürlich auch schon früh an die Manson Family. Tarantino lässt die Bilder mäandern. Es gibt gute Witze über Darsteller und das Kino, Bruce Lee kommt auch vor.
Der fast dreistündige Film hat viele Erzählstränge. Im einen erleben wir die wahre Geschichte des Regisseur Roman Polanski und seiner schwangeren Ehefrau Sharon Tate - das "It-Couple" jener Jahre. Im zweiten Teil begleiten wir Leonardo di Carpio, der einen halberfolgreichen Schauspieler im Fernsehen und in europäischen B-Movies spielt, und Brad Pitt als seinen Stuntman. Sie haben eine symbiotische Beziehung. Einen weiteren Erzählstrang bildet auch Tarantinos Liebe zum Trash - wie etwa seine Parodien der inzwischen ausgestorbenen Kultur der B-Movies der Sechziger und Siebziger Jahre.
Es dauert, bis alles ineinander und zusammenfließt. Das macht nichts, denn man schaut dem Mäandern der verschiedenen Figuren und Handlungsstränge gerne zu. Wie immer zeigt sich Tarantino als ein Regisseur, der viel Humor hat, dessen Filme zum Bersten voll sind mit Anspielungen, Zitaten, Referenzen.
Denn dieser Film ist auch ein Kommentar zu "#MeToo". Tarantino zeigt Frauen, die zu Opfern werden, aber er zeigt auch Täterinnen: Fanatisierte, bis an die Zähne bewaffnete Jüngerinnen des düsteren Messias Manson. Schießlich ist dies eine überfällige Erinnerung daran, dass der Regisseur Roman Polanski auch ein Opfer ist - schon vor den Manson-Morden an Frau und Kind wurde seine Familie in deutschen KZ's ermordet.
Nach einem langen Vorlauf kommt "Once Upon a time in Hollywood" dann zum Eigentlichen. Ganz leise beginnt der Film Fahrt aufzunehmen, kommt das Märchen gewissermaßen in den dunklen Wald voller Hexen und Wölfe, zeigt den Horror der Mansons, spendet aber auch Trost.
Die Fähigkeit, die Wirklichkeit zu verändern
"In dieser Stadt kann sich alles im Nu ändern", sagt eine Figur. Das muss man wörtlich nehmen als Statement des Regisseurs.
Denn die Kraft Hollywoods das ist auch die Fähigkeit, die Wirklichkeit zu verändern. Und sie beschwört Tarantino hier einmal mehr: Indem er nach dem Muster von "Inglourious Basterds" die wahre Geschichte einfach umschreibt, den bösen traurigen Fakten nicht ihr Recht belässt, sondern sie durch eine alternative fröhlichere Version ersetzt, einen Feelgood Film über eine schlimme Episode
Sharon Tate wird nicht sterben in diesem Film. Und es gelingt Tarantino alles heiter und trotzdem auch würdevoll zu inszenieren.Wenn Tarantino einmal mehr Geschichte so erzählt, wie sie hätte sein können, ist das sehr schön, aber es ist auch sehr traurig, denn wir alle wissen ja, dass es nicht so gewesen ist.
Filmkunst als stilistisch perfekte Utopie. Träumerisch und melancholisch und sehr traurig. So ist dies ein Film, in dem der Regisseur nicht zuletzt einen nostalgischen Kino-Liebesbrief an das Jahr 1969 verfasst, an eine verlorene libertäre Kultur, nach der nicht nur er sich zurücksehnt. Unterhaltungskino, aber mit tieferer Bedeutung.
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