Das Nazi-Problem der Frankfurter Buchmesse

Re:connect – Welcome back to Frankfurt“. Frankfurter Buchmesse 2021, Eröffnungsfeier in der Festhalle. Bild: Marc Jacquemin, Frankfurter Buchmesse

Der Marktplatz der Eitelkeiten geht wieder real. Besucherstrom gedeckelt, zwischen Buchdeckeln auch Überflüssiges. Am Ende bestimmten Bücher gar nicht mehr die Debatte

Die 73. Frankfurter Buchmesse, die seit Mittwoch läuft und am heutigen Sonntag endet - Motto: "Re:connect – Welcome back to Frankfurt" –, zeigt sich stark ausgedünnt. 2.000 Aussteller präsentieren in diesem Jahr ihre Neuigkeiten. 2019 waren es 7.500.

In den Hallen gilt Mundnasenschutz, Besucher:innen müssen sich vorab online anmelden. Maximal 25.000 Gäste am Tag sind auf dem Veranstaltungsgelände zugelassen. Im Vorjahr gab es die Messe lediglich in einer digitalen Version.

Hat Corona dem Buch geschadet?

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, freute sich bei der Eröffnungsfeier:

In der Krise hat sich gezeigt, wie fest das Buch in der deutschen Gesellschaft verankert ist.

Karin Schmidt-Friderichs, Börsenvereinsvorsitzerin

25 Prozent der Leser und Leserinnen würden laut einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK (Growth from Knowledge) häufiger zum Buch greifen als vor der Pandemie.

Besonders hoch seien die Zuwächse bei den Zehn- bis 19-Jährigen. In dieser Altersgruppe lesen 34 Prozent häufiger, so Karin Schmidt-Friderichs. Auf den ersten Blick hat die Pandemie demnach bislang keinen geistigen Kahlschlag hinterlassen.

Debatte um rechtsextreme Verlage entbrannt

Etwas anderes ist bemerkenswerter. Darauf macht Martin Niewendick vom Nachrichtenportal Watson mit einer zugespitzten Notiz aufmerksam.

Um Bücher geht es bei der Frankfurter Buchmesse längst nicht mehr. Seit die Autorin Jasmina Kuhnke ihre Teilnahme wegen der Präsenz rechter Verlage abgesagt hat, ist eine Debatte über demokratische Grundwerte entbrannt.

Martin Niewendick, Nachrichtenportal Watson

Die Veranstalter hatten am Mittwoch zur Eröffnung verlauten lassen: Solange sich Verlage im Rahmen der Rechtsordnung bewegten, könnten diese auf der Messe auch ausstellen.

Auf SWR2 quittierte Juergen Boos, Direktor der Buchmesse, die Frage, wie mit rechten Verlagen auf der Messe umzugehen sei, mit der Auskunft: Auch politisch extreme Aussteller sind zugelassen, sofern sie nicht gegen Gesetze verstoßen.

"Kein Platz für Nazis", forderte dagegen Jasmina Kuhnke – und sagte ihren Auftritt in Frankfurt am Main ab. Sie hatte an einer Diskussionsrunde teilnehmen sollen, in unmittelbarer Nähe zum Stand eines Verlags mit dem Namen "Jungeuropa".

Und gegen diese Verlage richtet sich der Protest:

  • der "Jungeuropa-Verlag" des Rechtsaktivisten Philip Stein;
  • der "Oikos-Verlag", betrieben von einem ehemaligen Mitglied der rechtsextremen "Identitären Bewegung";
  • der "Karolinger Verlag", der faschistische Autoren veröffentlicht.

Was bedeutet das: Nazis "Raum geben"?

Die Politologin und Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl spricht sich auf Twitter offen für Begegnung und Debatte aus, was deren Präsenz auf der Messe angeht.

Sie wendet ein, ein Ausschluss von der Buchmesse wäre ja "kein Verbot" als solches:

Verlage sind (…) nicht "verboten", wenn sie nicht auf einer Buchmesse ausstellen. Sie können weiter operieren und Bücher verlegen und haben einfach eine Plattform weniger. Es sind ja auch nicht alle Autor:innen, die nicht dabei sind, zensiert oder verboten. Das ist einfach falsch.::Natascha Strobl, Politologin und Publizistin

Weiter geht schon Daniel Schwerd von der Linkspartei. Er wirft der Buchmesse vor, nicht wie behauptet für Toleranz einzustehen. "Sie geben ihnen Raum und normalisieren sie", sagt er mit Bezug auf rechtsextreme und rassistische Positionen der Verlage.

Der Politiker und Kolumnist Martin Böttger zuckt süffisant die Achseln. Er findet die Buchmesse als solche gänzlich uninteressant, ein Marktplatz eben, allerdings mit einem Beigeschmack:

Nun stellt sich heraus, ach du schreck, die Mehrheit der Menschen besteht ja gar nicht aus weißen Biodeutschen. Manche sind sogar Schwarze. Und viele von denen fühlen sich auf solchen "Marktplätzen", in Deutschland zumal, nicht sicher.

Kolumnist Martin Böttger

Die Buchmesse - für ihn eine Kommerzveranstaltung mit Eventisierungszwang, "dem viel kritisierten Facebook ähnlich".

Und die KP China?

Übrigens, als Beispiel mal, auch das chinesische Regime ist auf der Buchmesse vertreten: Mit der China International Publishing Group (CIPG) gibt sich ein Verlag der regierenden Kommunistischen Partei Chinas die Ehre.

Das Unternehmen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas hat seinen Sitz in Peking und beschäftigt nach eigenen Angaben 2.588 Mitarbeiter.

In rund 40 Sprachen erscheinen rund 5.000 Buchtitel jährlich, dazu diverse Periodika, außerdem betreibt die CIPG mindestens 30 eigene Websites.

In den vergangenen Jahren habe sich Chinas KP zu einer "extrem nationalistischen und faschistoiden Partei" entwickelt, sagte der Politologe Wu Qiang im Gespräch mit der ARD anlässlich des 100. Jahrestages der Parteigründung im Sommer. Womit er recht haben dürfte.

Proteste rund ums Frankfurter Festival finden sich da keine. Das Buch-Fest benebelt die Sinne durch Preisverleihungen und Lobeshymnen auf Freiheitswerte. Daran hat sich auch nach dem Corona-Jahr 2020 nichts geändert.