Das Öl, die Interessen und das Meer

Seite 3: Arbeitsplätze und Republikaner

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Die Ölindustrie mit ihren Plattformen auf dem Meer ist ein wichtiger Arbeitgeber in den Küstenregionen – wo es wenig andere Jobs gibt. Und an jedem Ölarbeiter hängen fünf weitere Jobs an Land, sagen Experten. Kein Wunder, dass Obamas Moratorium für einen Bohrstopp hier auf breite Ablehnung stößt.

Die Republikaner haben zudem jahrelang Propaganda für die Erschließung eigener US-Ölquellen – auch vor den Küsten – gemacht, um sich aus der Abhängigkeit von der arabischen Staaten zumindest ein wenig zu befreien. Nach dem 11. September eine in den USA durchaus populäre Idee.

Traditionell gibt es eine enge Beziehung zwischen Big Oil und der Politik, sie gehören zu den großen Geldgebern bei Wahlkämpfen und pflegten einen sehr freundschaftlichen Umgang mit den Behörden, die sie eigentlich kontrollieren sollten.

Und nicht zuletzt positioniert sich gerade der Gouverneur von Mississippi, Haley Barbour nachdrücklich in der Öffentlichkeit, ein gestandener Republikaner, den manche bereits kommenden Präsidentschaftskandidaten handeln. Er bestreitet schlicht, dass es seine Ölkatastrophe gibt. Er behauptet, die Medien würden aus ein bisschen Öl eben eine Ölpest basteln, weil Bad News für die Presse eben Good News seien – und diese Berichterstattung verursache den eigentlichen Schaden, weil die Touristen weg blieben. Selbstverständlich ist er strikt gegen einen Bohrstopp und er stellt Obama als Zauderer und Schwarzmaler hin – während er sich selbst als den Macher präsentiert, der zusammen mit der Nationalgarde das Problem fest im Griff hat (Video: Gov. Haley Barbour).

Die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin macht sogar die Umweltschützer für das Desaster verantwortlich – weil sie Bohrungen an Land, z.B. im Naturschutzgebiet Alaskas, verhinderten und so die Ölindustrie zu Bohrungen in der Tiefsee zwinge.

Was nun, was tun?

Wie groß die Umweltschäden bereits sind, darüber wird gestritten (vgl. Geheimnisumwitterte Ölpest). Gerade meldet die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA ) die ersten am texanischen Küstenabschnitt gefundenen Teerklumpen. Diese US-Bundesbehörde dokumentiert die Ausbreitung der dunkelbraunen Pest, definiert die Fischerei-Verbotszone, und zählt die dem Öl zum Opfer gefallenen Tiere (auf Deutsch beim WWF: Ölpest aktuell).

Es sind die Umweltschützer, die tatsächlich offizielle, schreckliche Bilder liefern, allen voran die Vogelschützer wie das International Bird Rescue Research Center (IBRRC), die wohl den ölverschmierten Pelikan zum Sinnbild des „Oil Spill“ im Golf von Mexiko machten. Die Tier-Lobbyisten haben kein Interesse, die Ölkatastrophe zu beschönigen.

NASA-Satellitenaufnahme von der Ölverschmutzung im Mississippi-Delta. Das Öl schimmert silbern, die Vegetation ist rot eingefärbt. Bild: NASA

BP arbeitet derzeit mit Hochdruck an Entlastungsbohrungen und Verbesserungen der Ölauffangsysteme. Fast 900 Kilometer Ölsperren sind vor der Küste ausgelegt und ein Riesenschiff ist angekommen, das so schnell wie möglich auf hoher See Öl und Wasser voneinander trennen soll. Wegen des schlechten Wetters konnte „The Whale“, wie der umgebaute Supertanker heißt, noch nicht eingesetzt werden. Der Eisen-Wal ist so hoch wie zehn Stockwerke und dazu drei Fußballfelder lang, er soll täglich nahe am Bohrloch 80 Millionen Liter Wasser-Öl-Brühe einsaugen, um dann das Öl zu fressen und das Wasser ins Meer auszuscheiden).

Klar ist, dass die Wirbelsturm-Saison begonnen hat, und dass der Ölgeysir in der Tiefsee weiter spuckt. Nach Angaben von BP-Chef Tony Hayward sollen sich sieben Milliarden Liter Rohöl unter dem Bohrloch befinden. Mindestens 400 Kilometer Küste sind bereits ölverdreckt, Experten von Greenpeace sprechen von mehr als 2.000 Kilometern.

Das in die Umwelt freigesetzte Rohöl macht längst auch die Menschen krank – und es kann noch viele Wochen dauern, bis die Quelle versiegelt ist. Das bis dahin freigesetzte Öl wird mit Sicherheit noch Jahre lang ein großes Problem bleiben.

Die Medien berichten, sie berichten ständig und ausführlich. Ausgewogen und möglichst objektiv – es fehlen nur die eindrücklichen Bilder, die sie bisher nur sehr schwer bekamen. Selbst die New York Times zeigt Fotos, die von Lesern eingeschickt werden. In der Informationsflut der traditionellen Medien verschwindet die Öllache auf seltsame Weise zwischen den Schlagzeilen über fallende BP-Aktienkurse und die ständig neuen Versuchen, das Loch im Meeresboden zu stopfen.

Die Gegenöffentlichkeit artikuliert sich vehement im Netz. Als wichtigstes alternatives Medium ist die Huffington Post zu nennen, die mit einer eigenen Oil Spill Big News Page die Katastrophe in Artikeln, Fotos und Videos abbildet. Bei youtube finden sich hunderte Videos, auf Flickr verfügt über eine Extra-Gruppe mit dem Namen Gulf of Mexico Oil Spill 2010, auf Facebook organisieren sich unter anderen die oben bereits genannten Boykott-Unterstützer.

Es bleibt zu wünschen, dass die aktuelle Ölpest im Golf von Mexiko eine breite gesellschaftliche Diskussion über Tiefseebohrungen, die Energiegewinnung durch fossile Rohstoffe, und letztlich eine Energiewende verursacht.