Das Pentagon forciert "algorithmische Kriegsführung"
Krieg ist immer gut, um neue Waffen und Methoden der Kriegsführung auszuprobieren, "Project Maven" soll mit KI und Big-Data-Methoden Drohnenkamerabilder auswerten
Pausenlos sind US-Drohnen im Einsatz über den Kriegsgebieten Afghanistan, Syrien und Irak, aber auch in anderen Ländern. Nach Generalleutnant Jack Shanahan sammelt die Luftwaffe täglich um die 22 Terabytes an Daten. Das sei zu viel, um sie mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Methoden auswerten zu können. Shanahan hatte das Problem dem Defensive Business Board berichtet. Das Thema war natürlich primär für den erst letztes Jahr vom damaligen Verteidigungsminister Ash Carter eingerichteten Defense Innovation Advisory Board, der ebenso Militär und Privatwirtschaft enger verzahnen soll, vor allem geht es um die Informationstechnologie. Dafür soll unter dem Vorsitz von Eric Schmidt (Google) IT-Prominenz wie Jeff Bezos, Merne Levine oder Daniel Hillis sorgen.
Für Eric Schmidt ist sowieso klar, dass neben den richtigen Leuten die nötige Software fehlt, um zu verhindern, dass das Pentagon technisch in die Hinterhand gerät. Das Pentagon werde wie ein Unternehmen in den 1980er Jahren geführt, kritisierte er unlängst. Er schlug nach Besuchen von militärischen Einrichtungen vor, auch für Routinearbeiten wie dem Auswerten von Überwachungsdaten Künstliche Intelligenz zu verwenden. So würden genügend viele Daten gesammelt, aber sie könnten nicht zusammengeführt und ausgewertet werden, sie würden gesammelt und vergessen werden. Das habe er immer wieder erlebt.
Ende April wurde schließlich vom weiterhin im Amt befindlichen Vizeverteidigungsminister Bob Work, der die Third Offset Strategy ausgerufen hatte (US-Verteidigungsminister: "Niemals" volle Autonomie für Kampfroboter), das Project Maven initiiert, das Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen möglichst schnell für das Militär nutzbar machen soll. Eingerichtet wurde das Algorithmic Warfare Cross-Functional Team (AWCFT), das die enormen Datenströme, die gesammelt werden, möglichst schnell in handlungsorientierte Aufklärung und Erkenntnisse umsetzen soll. 70 Millionen sollen in das Projekt investiert werden, das Geld muss aber erst vom Kongress bewilligt werden. Shanahan verspricht einen hohen Return of Investment.
Die erste Aufgabe des Teams ist, die von den Kameras der im Anti-IS-Kampf eingesetzten Drohnen und Flugzeugen aufgenommenen Bilder und Videos (FMV) automatisch zu verarbeiten, auszuwerten und zu verbreiten. Zweck ist nicht nur, die Bilder überhaupt auszuwerten und mit den Ergebnissen militärische Entscheidungen zu verbessern, sondern natürlich auch die Zahl der Bildanalysten zu reduzieren. Dazu sollen Computer-Vision-Algorithmen entwickelt und die erforderlichen Computer-Ressourcen ausgemacht werden. Zunächst geht es um Algorithmen, um Objekte zu erkennen und zu klassifizieren sowie um Warnungen zu geben. Die Technik soll dann auch in anderen Anwendungen integriert werden.
Bis Ende des Jahres sollen aber die KI-Programme bei der Jagd auf IS-Kämpfer in Syrien und im Irak die Bilder so auswerten können, dass IS-Kämpfer oder verdächtige Aktivitäten erkannt und dann eventuell auch angegriffen werden. Ein weiterer Schritt zum autonomen Kampfroboter, auch wenn es hier noch "nur" um das schnelle Erkennen und Klassifizieren geht, was aber schwieriger ist, als ein einmal ausgemachtes oder bestimmtes Ziel automatisch zu verfolgen und zu beschießen. Zudem ist Maschinenlernen für Prozesse, an deren am Ende das Abfeuern von Waffen stehen wird, gleich ob ein Mensch oder ein Roboter abdrückt, ein bedenkliches Vorgehen, wenn das System Falsches lernt und sich dies nicht mehr nachvollziehen oder abtrainieren lässt. Und wenn alles auch noch ganz schnell gehen muss, darf man noch skeptischer werden.
Man könne, so Shanahan, der für das Projekt verantwortlich ist, das Problem nicht lösen, indem man mehr Menschen als Bild-Analysten für einsetzt. Nach Beschreibungen ist es eine extrem anstrengende Tätigkeit, über Stunden mehrere Bildschirme zu beobachten, um Ziele auszumachen, die dann womöglich mit Raketen der Drohne beschossen werden. Man müsse dies smarter machen, da die Analysten von der Bilderflut überwältigt würden und die meiste Zeit nur "gewöhnliche, administrative Aufgaben erledigen, die mit dem Starren auf Videos verbunden sind". In der Regel werden die Daten von Hand in ein Dokument eingetragen. Hauptaufgabe soll es sein, dass automatisch die Teile auf den Videos erkennt, auf denen überhaupt Aktivitäten zu erkennen sind, und die Daten klassifiziert. Um die 60 Prozent der Videoaufnahmen die von Drohnen aufgenommen werden, stammen von den Flügen zu Einsatzorten und wieder zurück zum Stützpunkt. Da gibt es kaum Interessantes zu sehen. Bei schlechtem Wetter können die Kameras nicht durch die Wolken schauen. Die Bildanalysten müssen aber dennoch beobachten, ob sich nicht doch etwas erkennen lässt.
Ganz entscheidend für das Projekt ist die Zusammenarbeit mit den IT-Firmen im Silicon Valley. Die Industrie sei im Bereich KI, Big Data, Maschinenlernen, Deep Learning oder Computer Vision "Lichtjahre im Vorsprung vor dem Pentagon". Man müsse aufholen, "um unseren Analysten die Mittel zu geben, die sie benötigen". Für die Firmen gebe es viele Möglichkeiten in dem Projekt, vermutlich auch, um gutes Geld zu verdienen.
Man werde dies aber nicht in irgendwelchen Forschungslaboren entwickeln lassen, es geht darum, die Technik noch in diesem Jahr einsatzbereit zu haben. Das sei wahrscheinlich die aggressivste Zeitvorgabe, die man aus dem Pentagon hören könne, meinte er. Entwickelt werden soll die Technik in drei jeweils auf 90 Tage angesetzten Phasen. In der ersten sollen die Algorithmen bereitgestellt, in der zweiten die erforderliche Hard- und Software beschafft und in der dritten die Technik in bestehende Aufklärungssysteme integriert werden. Das ist in der Tat für eine Militärmaschinerie höchst anspruchsvoll.