Das Pentagon strebt absolute militärische Dominanz im Weltraum an
Auch Alliierte sollen sich dem Ansinnen beugen müssen, während die USA mit Waffengewalt die erdnahen Umlaufbahnen kontrollieren wollen
Bevor Donald Rumsfeld US-Verteidigungsminister wurde, hatte er als Leiter einer vom Kongress eingesetzten Kommission nicht nur das seit Ronald Reagan verfolgte republikanische Lieblingskind in der Rüstung, den Aufbau eines Raketenabwehrschildes, nachhaltig befürwortet, sondern auch die Notwendigkeit vertreten, dass die USA vor allem auch im Weltraum die uneingeschränkte militärische Dominanz besitzen und bewahren müssen (Pearl Harbor im Weltraum). Und genauso wie der Raketenabwehrschild zusammen mit einer Neuorientierung der Atomwaffenstrategie trotz des "Kriegs gegen den internationalen Terrorismus" und den Irak-Krieg weiter vorangetrieben wurde, ist auch die schon zu Beginn der Bush-Präsidentschaft eingeschlagene Aufrüstungspolitik im Weltraum aktuell geblieben. Tatsächlich werden über die Herrschaft im Weltraum wohl die künftigen Kriege entschieden, aber indirekt dürfte damit auch der Terrorismus gefördert werden.
Internationale Abkommen sind der US-Regierung nur dann willkommen, wenn sie den eigenen Interessen dienen. Auch für den Weltraum gibt es ein internationales Abkommen. Der Outer Space Treaty von 1967, der noch aus dem Kalten Krieg stammt und von den USA ratifiziert wurde, fordert die Erkundung des Weltraums zugunsten der gesamten Menschheit und untersagt die Inbesitznahme von Raum und die Installierung von Massenvernichtungswaffen. Darüber hinaus wird allerdings nicht die Militarisierung des Weltraums verboten, zumindest aber die friedliche Nutzung der Himmelskörper und allgemein Kooperation gefordert.
Schon 1958 wurde aufgrund einer Resolution, u.a. getragen von der ehemaligen Sowjetunion und den USA, ein Komitee zur friedlichen Nutzung des Weltraums bei der UN eingerichtet, unter der Maßgabe: "the common interest of mankind in outer space and recognizing that it is the common aim that outer space should be used for peaceful purposes only". In einer wiederholten Prevention of an arms race in outer space, die im Dezember 2002 verabschiedet wurde, wird lautstark, aber eher hilflos und in Form eines Appells gesagt, dass es besser für die Welt wäre, wenn man eine Militarisierung des Weltraums verhindern könne. Der Stimme enthalten haben sich Israel, Mikronesien und die USA (ein Jahr zuvor hatte sich noch Georgien der eigenartigen Koalition der Unwilligen angeschlossen), nicht anwesend waren Staaten vor allem aus Afrika, aber auch Deutschland. Russland oder China haben neben 157 weiteren Staaten zugestimmt.
Pearl Harbor im Weltraum
Das hat nicht viel zu besagen, weist aber darauf hin, dass die USA auch nach dem Ende des Kalten Kriegs - und wahrscheinlich besonders dann - entschlossen waren, den Weltraum militärisch zu nutzen, um die militärische Dominanz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auszubauen. Die Militarisierung des Weltraums hatte natürlich schon längst mit der Installation von Satelliten zur Aufklärung, Kommunikation und Navigation begonnen. Jetzt aber scheint die US-Regierung eine aggressivere Haltung einnehmen und die militärische Benutzung des Weltraums aktiv kontrollieren zu wollen - zumindest in den Umlaufbahnen um die Erde, die derzeit interessant sind. Schon der Rumsfeld-Bericht hatte vor einem Pearl Harbor im Weltraum gewarnt, wenn die USA nicht die erdnahen und geosynchronen Umlaufbahnen beherrsche.
Ich glaube nicht, dass viele erkennen, wie mächtig wir sind. Alle Länder respektieren die Macht der USA, und sie respektieren, wie mächtig wir in dieser Region (dem Weltraum) sind.
General Franklin Blaisdell, Leiter der Abteilung für "Space Operations and Integration" bei der Air Force
Diese Strategie der "Negation", die nach dem für die US Air Force und damit für den Weltraum zuständigen Staatssekretär James Roche auch den Alliierten "keine Veto-Möglichkeit" einräumt und die sich möglicherweise bereits im transatlantischen Konflikt um das von der EU geplante Satelliten-Navigationssystem Galileo zeigte, bringt ein welthistorisches Novum mit sich. Bislang konnten Supermächte zwar bereits große Bereiche der Erde, des Luftraums oder auch die Weltmeere beherrschen, aber die Kontrolle war stets lückenhaft. Der Weltraum bietet jedoch über Satelliten, Flugzeuge, Drohnen, Roboter, von Truppen mitgeführte oder installierte Sensoren aller Art etc. die Möglichkeit einer globalen Kontrolle und Überwachung von Konfliktzonen in Echtzeit, zusammen mit einem lückenlosen Kommunikations- und Informationsfluss innerhalb des militärischen Apparats und einer exakten Lokalisierung der eigenen und der gegnerischen Verbände, die auch eine präzise Angriffe und Bombardierungen erlaubt. General Franklin Blaisdell hofft dabei auf das vom Pentagon gewünschte "Space Based Radar", das es den USA nicht nur erleichtern soll, Kriege zu gewinnen, sondern sie auch zu verhindern:
Wir werden ein im Weltraum positioniertes Radarsystem haben, mit dem wir zu jeder Zeit beobachten können, was in kritischen Regionen der Erde geschieht. Wir werden die Bewegungen von potenziell feindlichen Ländern verfolgen und die Informationen schnell und leicht der internationalen Gemeinschaft übermitteln können.
Reagans Star Wars sollen mit Verteidigungsminister Rumsfeld in Erfüllung gehen
Daneben würde der Weltraum auch die Möglichkeit einer jederzeit verfügbaren globalen Angriffsplattform bieten. Nach Peter Teets, dem Leiter des National Reconnaissance Office (NRO), der die militärischen Satelliten kontrolliert, beginnt man zu überlegen, wie man anderen Nationen - auch den alliierten - den Zugang zu den erdnahen Umlaufbahnen verwehren und so die alleinige Weltraummacht bleiben könne. Nächstes Jahr startet das NRO das "Offensive Counter-Space Program", um die Waffen zu entwickeln, die dies ermöglichen sollen. Gedacht wird an ein System, mit dem sich die weltraumbasierten Kommunikationsmöglichkeiten anderer Nationen (zer)stören lassen, aber auch an ein "Counter Surveillance Reconnaissance System", um andere Nationen daran zu hindern, im Luftraum oder im Weltraum Überwachungsmöglichkeiten zu installieren.
So sollen unter anderem "militärische Weltraumflugzeuge" entwickelt werden, die schnell starten können und als mobiler Schutz der Weltrauminfrastruktur dienen sollen. Ein Prototyp ist für 2005 vorgesehen, eingesetzt werden sollen sie ab 2014. Daneben soll eine Armada an Raumschiffen entwickelt werden, mit denen sich Satelliten der Gegner angreifen und zerstören lassen.
Wer die Macht im Weltraum besitzt, kann zumindest alle feindlichen Staaten seiner Überwachungs- und Kommunikationsmöglichkeiten durch (Zer)Störung der Satelliten berauben. Und er könnte jede Gefahr schnell erkennen und vernichten. Sogenannte "asymmetrische" Angriffe beispielsweise durch nichtstaatliche Akteure wie Terroristen würden dann natürlich andererseits immer attraktiver. Die militärische Übermacht fördert den Terrorismus. Das Pentagon scheint jedenfalls fest entschlossen zu sein, die Hoheit im Weltraum mit allen Mitteln zu verteidigen und zu erweitern, möglicherweise in der Hoffnung, ein Wettrüsten von vorneherein zu verhindern.
Wir müssen den Weltraum beherrschen, weil es sehr schwierig sein würde, einen Krieg ohne unsere Weltraummittel und die Möglichkeiten, die sie uns bieten, zu führen.:General Franklin Blaisdell
Blaisdell warnte denn schon einmal mögliche Konkurrenten, dass es ihnen sehr schwer fallen werde, mit den "massiven Weltraumkapazitäten" der USA gleichzuziehen. Mit der absoluten Weltraumhoheit hätten die USA zur Errichtung der "Pax americana" ein ungeheueres Drohpotenzial, aber gleichzeitig auch ein Lockmittel, "Alliierte und Freunde" zu gewinnen, die sich unter den Schutz der Supermacht begeben wollen/müssen. Mit der Aussicht auf den Raketenabwehrschild sucht die US-Regierung bereits diese Taktik einzusetzen. Wer sich unter den Schirm begibt, wird auch technisch abhängig und muss langfristig sich an den Kosten beteiligen, was wiederum den Vorsprung der USA sichern würde (Die große Mauer).
Gleich, ob es der Irak oder ein anderer Feind der USA und ihrer Alliierten ist, so sage ich Ihnen, dass wir so dominant im Weltraum sind, dass ich ein Land bemitleiden würde, das gegen uns antreten würde. Die Synergie der Luft-, Land- und Seekräfte und unsere Möglichkeit, das Schlachtfeld zu kontrollieren und den Luftraum einzunehmen, ist überwältigend.
General Blaisdell