Das Recht, bei einem Angriff im Cyberspace wild zurückzuschießen

In den USA soll der NSA-Chef das Cyberkommando übernehmen, der auch "schießen" will, wenn der Angreifer nicht bekannt ist

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Generalleutnant Keith B. Alexander, seit 2005 der Leiter des US-Geheimdienstes NSA, ist vorgesehen für den Posten, zusätzlich auch das Cyber Command zu leiten. Ursprünglich wollte die US-Luftwaffe auch zuständig für den Cyberkrieg sein ("Die erste Schlacht in den Kriegen der Zukunft geht um die Kontrolle des Cyberspace"), die Obama-Regierung hat sich aber für einen Kompromiss entschieden und das Cyber Command dem Strategic Command des Pentagon unterstellt, das aber vom NSA-Direktor geführt und beim NSA im Fort Meade angesiedelt sein soll. US-Verteidigungsminister Gates gab im letzten Juni bekannt, dass das Cyber Command ab Otober 2009, spätestens jedoch ab Oktober 2010 voll einsatzfähig sein sollte.

Heute wird Alexander dem Senate Armed Services Committee in einer Anhörung zu seiner Nominierung Rede und Antwort stehen müsse. Im Vorfeld hat er bereits dem Ausschuss seine Ansichten als Antwort auf ihm vorgelegte Fragen vorgelegt. Seit Clinton wird zwar immer wieder angeführt, dass die USA besonders durch Angriffe im Cyberspace gefährdet seien (Infowar gegen die USA), aber die realen Bedrohungen überdeckten stets die möglichen virtuellen, während gleichzeitig Unklarheit herrschte, wie das Militär in den zivilen Cyberspace eingreifen, welche defensiven und aggressiven Mittel hier möglich und notwendig sind.

Alexander machte klar, dass sich für ihn zwischen den wachsenden Möglichkeiten der Cyberkriegsführung und den Gesetzen und Einsatzregeln eine wachsende Kluft auftut, wie die New York Times seine Antworten wiedergibt. Klar ist für ihn, dass nicht nur militärische Ziele angegriffen werden können, die von Computersystemen abhängen, sondern auch zivile Institutionen und kommunale Infrastrukturen wie Banken, Stromnetze, Verkehrs- und Telekommunikationssysteme. Man werde allerdings darauf achten, dass auch im Cyberkrieg Zivilisten möglichst geschont werden, sagte er beruhigend. Normalerweise werde man wohl Banken oder Finanzinstitutionen nicht angreifen, wenn sie aber ausschließlich die militärischen Operationen des Gegners unterstützten, dann seien natürlich auch Ziele, was immer dies heißen mag.

Der künftige Chef des Geheimdienstes, der weltweit die Kommunikation abhört, und des Cyber Command, das US-Computernetze verteidigen und feindliche ausschalten soll, werde sich an die Gesetze halten, sagt er. Allerdings sei nicht klar, was überhaupt Cyberangriffe seien und wie legitime Antworten auf Angriffe aussehen könnten. Es gebe weder eine internationale Übereinstimmung in Sachen Cyberwar noch eine Abschreckungstheorie. Zudem sei es immer schwierig herauszufinden, von wo aus Angriffe im Internet ausgingen. Man müsse jedenfalls in der Lage sein, "das Feuer zu erwidern", wenn man angegriffen werde, auch wenn man den Angreifer nicht kenne. Das sei durch das Recht auf Selbstverteidigung abgedeckt. Das Problem dabei ist nur, dass man das falsche Ziel erwischt und damit unerwünscht einen internationalen Konflikt auslösen oder verstärken kann.

Klar ist für ihn, dass das Cyber Command auch Websites, die auf ausländischen Servern liegen, ausschalten kann, wenn sie beispielsweise von Gegnern wie Terroristen betrieben werden. Das seien auch keine verdeckten Operationen im Cyberspace, sondern "traditionelle militärische Aktivitäten". Dann muss also in Zukunft jeder, der eine Website betreibt, damit rechnen, ausgeschaltet zu werden, wenn diese als feindlich angesehen wird – ähnlich wie die USA mit Drohnen gezielte Tötungen von mutmaßlichen Terroristen im Ausland ausführen.

Schöne, neue Zeiten kommen da auf die Menschen zu – und auch auf das globale Internet. Schließlich werden die Staaten auch versuchen, nicht nur ihre Bürger vor unerwünschten Informationen durch eine nationale Firewall oder digitale Mauer zu "schützen", sondern auch zu verhindern, dass Soldaten, Geheimdienstagenten, Cyberterroristen oder Kriminelle aus dem Ausland in das nationale Netzwerk eingreifen, Server knacken oder diese lahmlegen. Neben den Zensurbestrebungen ist der offizielle Beginn des Cyber Command, ohne dass auf UN-Ebene ein Cyberwar-Abkommen vereinbart wurde (Kalter Krieg im Cyberspace?), auch der Beginn des Endes des Internet.