Das aufhaltbare Sterben der Wirbeltiere

Seite 2: Milliarden Angelhaken töten Meerestiere

Auch im Meer treibendes Fanggerät befeuert den marinen Artenschwund: Fische, Schildkröten, Vögel und andere Meerestiere verfangen sich täglich in verloren gegangenen oder absichtlich zurückgelassenen Fischernetzen. Das Team um Kelsey Richardson der University of Tasmania, Australien, versuchte nun erstmalig, das globale Ausmaß der zurückgelassenen Netze, Reusen oder Langleinen und anderen Fanggeräte abzuschätzen.

Zu diesem Zweck befragten die Wissenschaftler 451 Fischer aus verschiedenen Ländern, wie viele und welche Fanggeräte sie jährlich verlieren. Diese Verluste setzten die Forschenden ins Verhältnis zum globalen Fischereiaufkommen, wobei sie unterschiedliche Fangmethoden und Schiffsgrößen berücksichtigten. Wie die Hochrechnungen ergaben, bleiben nahezu zwei Prozent aller Fanggeräte im Meer zurück.

In absoluten Zahlen sind dies 2963 Quadratkilometer Kiemennetze, 739.583 Kilometer Langleinen, 218 Quadratkilometer Schleppnetze sowie mehr als 25 Millionen Reusen und Fallen.

Insbesondere tausend Kilometer Langleinen mit 13 Milliarden Haken werden den Meerestieren zum Verhängnis, wenn sie sich daran verfangen. Bedrohte Arten wie Haie oder Rochen, deren Populationen im Laufe der letzen 100 Jahre um rund 70 Prozent schrumpfte, werden durch Angelhaken und Geisternetze weiter dezimiert.

In den Hochrechnungen enthalten sind dabei nur verloren gegangene Geräte des kommerziellen Fischfangs und nicht die von illegaler oder Freizeitfischerei. Zudem gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die befragten Fischer weniger Verluste ihrer Geräte angaben, als tatsächlich anfielen.

Allerdings könnte es sein, dass sich durch das Aufspüren und die Bergung verloren gegangener Netze mittels Einsatz moderner Ausrüstung die Verluste zwischenzeitlich verringern konnten. Auf Grundlage ihrer Ergebnisse soll das Risiko unterschiedlicher Fanggeräte bewertet und effektive Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wünschen sich die Wissenschaftler. Auf diese Weise gingen nicht nur weniger Fanggeräte verloren, auch die Meeresbewohner würden besser geschützt.

Naturschutz durch Umleitung umweltschädlicher Subventionen

Auf der Weltnaturkonferenz in Montreal im Dezember 2022 bietet sich erneut eine erneute Chance, das Artensterben zu verlangsamen, wenn nicht zu stoppen. Denn hier soll ein global verbindliches Rahmenabkommen zum Schutz der Ökosysteme, der biologischen Vielfalt und zur nachhaltigen Nutzung der Natur verabschiedet werden.

Ein Entwurf sieht unter anderem vor, dass die Verwendung von Pestiziden bis 2030 weltweit um zwei Drittel verringert und die weitere Belastung der Umwelt mit Plastikmüll gestoppt werden soll. Zudem sollen jeweils 30 Prozent der Land- und der Meeresfläche des Planeten unter Schutz gestellt werden. Bestehende intakte Ökosysteme und Wildnisgebiete sollen erhalten, gestörte Ökosysteme renaturiert werden.

Fischfang, Jagd, Landwirtschaft und Waldnutzung sollen nachhaltig umgestaltet und die Umweltverschmutzung durch Schadstoffe massiv verringert werden.

30 Prozent der Flächen als Totalreservate einzustufen – in Deutschland zumindest ginge das nicht, gibt Agrarbiologe Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung im Interview mit Greenpeace zu bedenken.

Denn hierzulande gibt es noch nicht einmal ein Prozent Wildnis, dafür viel - vom Menschen seit Jahrhunderten geprägte – Kulturlandschaft. Naturschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Gebiete ergeben zusammen 20 Prozent. Diese bereits bestehenden Gebiete müssten einfach sehr nachhaltig genutzt werden, erklärt der Wissenschaftler.

Die Frage sei, wie Natur und Menschen nicht als Gegenspieler, sondern als gemeinsame Akteure auftreten könnten. Im September kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an, bis 2025 jährlich 1,5 Milliarden Euro für den internationalen Biodiversitätsschutz bereitzustellen, doppelt so viel wie im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 investiert wurde.

Deutschland setze damit ein sehr wichtiges Signal, besonders in dieser schwierigen Zeit, freut sich Florian Titze vom WWF, auch wenn es eigentlich mindestens zwei Milliarden Euro sein müssten. Doch wo soll das Geld für mehr Naturschutz herkommen in Zeiten steigender Preise und sinkender Steuereinnahmen?

Jedes Jahr gibt die Regierung rund 68 Milliarden Euro an umweltschädliche Fördersummen aus. Darin enthalten sind Subventionen für die industrielle Landwirtschaft bis hin zu Zuschüssen für Dienstwagen, kritisiert der WWF-Experte.

Würde man den Großteil dieser Subventionen ökologisch nachhaltig und sozial gerecht gestalten, wäre der Natur doppelt geholfen,Wichtig sei, dass es bei den Aufwendungen für den Arten- und Naturschutz um zusätzliches Geld gehe – und nicht etwa um Mittel für den Klimaschutz, die nur umgewidmet werden.

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